Artikel vom 19.12.2024 06:00 Uhr
Es gibt viele ältere Schiedsrichter in der Region, auf die man
anhand der umfangreich zu besetzenden Spielpaarungen kaum verzichten
kann. Umso erfreulicher ist es, wenn die Neulings-Schiedsrichterkurse
mit jungen Leuten, egal ob männlich oder weiblich, aber auch schon etwas älteren, aktiven oder
ehemaligen Spielern besetzt sind. Einer davon war der 21-jährige Jobin
Scheler, der bereits Kreisliga-Partien pfeift.
Herr Scheler, wie und wann sind Sie Schiedsrichter
geworden?
Jobin
Scheler: Die Idee, Schiedsrichter werden zu wollen, kam kurz nach
einem Spiel in der C-Jugend, das wir 1:8 verloren hatten und bei dem
ich mir zudem eine Verletzung zuzog. Der Schiedsrichter, der dieses Spiel leitete, war kaum älter als ich. Ich dachte
mir, ohne großartige Nachwehen vom Spielort abzureisen und sich
außerdem noch das Taschengeld aufgebessert zu haben: „Eigentlich
hat er recht!“ In der Folge wurden Nägel mit Köpfen gemacht und
der Schiedsrichterobmann der Vereinigung kontaktiert. Daraufhin
absolvierte ich meine Schiedsrichterausbildung im Frühjahr 2018 bei
der Schiedsrichtervereinigung Bamberg in Baunach, da die Gruppe
Coburg-Ebern zu dieser Zeit aufgrund von Mangel an Teilnehmenden
keinen Kurs anbieten konnte.
Seit fast sieben Jahren ist der BVB-Fan Jobin Scheler ein Schiedsrichter, der sich weiterentwickeln will.
anpfiff.info/Dieter Koch
An
welche Spiele denken Sie gerne zurück, was waren bisher
ihre Highlights?
Jobin
Scheler: Gerne denke ich an Spiele unter der Woche zurück. Ein
Flutlichtspiel an einem Freitagabend ist für mich einfach etwas
Besonderes. Wobei ich hier keines speziell hervorheben möchte.
Ebenso schaffen diese Spiele, finde ich, einen optimalen Ausgleich nach dem
Alltag. Ein Highlight bisher in meiner Karriere war das Bezirksligaspiel in der Saison
2021/2022 zwischen dem TSV Mönchröden und dem TSV Windeck Burgebrach, bei dem ich vor 600
Zuschauer assistieren durfte. Im Vorfeld dieses Spiels war die
positive Anspannung in mir bereits einige Tage vor dem Spieltag
deutlich spürbar, denn die Ausgangslage sprach zu diesem Zeitpunkt für sich.
Haben
oder hatten Sie Vorbilder unter den Schiedsrichtern?
Jobin
Scheler: Tatsächlich habe ich kein schiedsrichterliches Vorbild. Ich
bin aber immer an Stellungnahmen oder Interviews der Schiris im Amateur-
und Profibereich interessiert, wenn ich diese aus dem Spiel heraus
nicht verstehen konnte. Dabei versuche ich daraus die besten
Schlüsse für mich zu ziehen und diese anzuwenden. Schiedsrichter, die
öffentlich Statements abgeben und ihre Entscheidungen erklären
können, begeistern mich.
Haben
sich das Spiel, die Spieler, aber auch die Anforderungen an den
Schiedsrichter in den letzten Jahren verändert?
Jobin
Scheler: Ich bin bis dato erst fast sieben Jahre Schiedsrichter, deshalb
kann ich noch kein Fazit ziehen, wie Kollegen, die schon 30 Jahre und mehr dabei sind. Was mir jedoch auffällt, speziell wenn ich an meine
Jugendzeit als Spieler zurückdenke, ist, dass im Laufe der Jahre
schon der eine oder andere Ausdruck dazugekommen ist, den man immer
wieder auf den Plätzen hört, woran damals nie jemand daran gedacht
hätte, diesen überhaupt in den Mund zu nehmen. Dabei fragt man sich
dann doch manchmal, ob das noch zeitgemäß ist oder vielleicht schon
ein Tick zuviel des Guten, was dann unter Umständen eine
Sanktionierung durch den Schiedsrichter erforderlich machen sollte.
Wie
halten Sie sich fit und wie bereiten Sie sich auf Ihre Partien vor?
Jobin
Scheler: Bereits einige Wochen vor der jährlichen Leistungsprüfung
gehe ich regelmäßig Joggen. Gerne nutze ich dafür den Weg vom
Schlossplatz in Coburg, durch den Hofgarten hoch zur Veste, den
Goldbergsee oder die Tartanbahn auf der Benno-Benz-Anlage. Wenn es
einmal mit weniger Aufwand behaftet sein soll, tun es die Feld- und
Wanderwege in der Umgebung meines Zuhauses auch. Eine ausgewogene
Ernährung über das Jahr hinweg sowie regelmäßiges Training im
Fitnessstudio sind für mich auch immer bedeutender und wohltuender
geworden. Mir ist generell wichtig, mit mir selbst im Reinen zu sein,
was die Vorbereitung angeht. Scheitern gehört dazu, solange man den
Verhältnissen entsprechend alles für den Erfolg gegeben hat und
sich nicht selbst keine Vorwürfe machen muss. Auch in Anbetracht
des Ziels, meine Kreisliga-Qualifikation für die nächste Saison zu
verlängern. Ein Blick auf die Tabelle, Endergebnisse vorangegangener
Begegnungen sowie weitere
Statistiken der Mannschaften, zum Beispiel bei anpfiff.info einzusehen, das alles gehört zu meiner
Standardroutine.
Vor nicht allzulanger Zeit pfiff Jobin Scheler (Mi.) die Kreisliga-Partie FC Mitwitz gegen die (SG) Weißenbrunn/Theisenort.
anpfiff.info/Dieter Koch
Würden
Sie was an den geltenden Regeln ändern oder verbessern?
Jobin
Scheler: Bei der Handregel habe ich das Gefühl, dass die Normgeber
teilweise selbst nicht wissen, wie sie korrekt anzuwenden ist. Ich
denke, es würde gesellschaftlich sogar besser angenommen werden,
einfach offen zu kommunizieren, dass jeder Schiedsrichter individuell
nach seiner Wahrnehmung entscheidet, ob das Handspiel strafbar ist
oder nicht. Eine Beurteilung darüber, ob die Hand zum Vorteil der
jeweiligen Mannschaft genutzt wurde oder ob in Strafraum-Situationen
das Handspiel ausschlaggebend für einen anderen Spielverlauf war,
sollte jedem Schiedsrichter zugestanden werden. Abgesehen davon machen die "stammtischartigen" Gespräche auf der Arbeit mit Kollegen, beim Fußballtraining mit Kameraden oder im TV in Diskussionsrunden, meiner Meinung nach, auch unseren geliebten Fußball nach jedem Spieltag aus, anstatt jede Szene bis ins kleinste Detail zu zerlegen, um die Menschen von Entscheidungen zu überzeugen, bei denen die Mehrheit schlussendlich trotzdem nur mit dem Kopf schütteln kann.
Auch
der Respekt gegenüber den Schiedsrichtern hat - wie auch in der
Gesellschaft - abgenommen. Wie stehen Sie dem gegenüber?
Jobin
Scheler: Ich persönlich kann nicht behaupten, in meinen Jahren als
Schiedsrichter respektlos behandelt worden zu sein. Sollte der Ansatz
von Respektlosigkeit einmal im Rahmen des Spiels aufgetreten sein,
ersticke ich diesen grundsätzlich im Keim und helfe der Person, eben
notfalls beim Entgegenbringen des gewünschten Respekts, "auf die
Sprünge". Im Gegenteil, den Vereinen ist, bis auf ganz wenige
Ausnahmen, ein Lob auszusprechen, wie diese mit den Unparteiischen im
Rahmen eines Spiels umgehen. Weiter so!
Was
fasziniert Sie daran, Spiele fast allwöchentlich zu leiten?
Jobin
Scheler: Allen voran, mein Möglichstes zu geben, das Spiel nach bestem
Wissen und Gewissen zu leiten. Des Weiteren die Abwechslung und die
Geselligkeit. In meinem Alter hilft es auch, auf das Leben bezogen zu
lernen, mit verschiedenen Charakteren umzugehen. Außerdem mit
Top-Spielleitungen auf sich aufmerksam zu machen und Lob sowie
Möglichkeiten zu bekommen, sich weiterzuentwickeln.
Haben
Sie einen Appell an viele draußen, die überlegen, sich für einen
Schiedsrichter-Neulingskurs anzumelden?
Jobin
Scheler: Die Entscheidung Schiedsrichter zu werden, war wohl die beste
in meinem Leben. Neben der Tatsache Verletzungen weniger riskant
ausgesetzt zu sein, wie als Spieler oder sich etwas dazuzuverdienen,
bietet das Hobby eine wahnsinnige persönliche
Weiterentwicklungsmöglichkeit für einen selbst. Ich habe auch
bisher die Erfahrung gemacht, als Schiedsrichter vom Bayerischen
Fußball Verband stets volle Unterstützung zu erhalten. Meine Befürchtung, dass das Hobby im Bekannten- und
Freundeskreis als verpönt angesehen werden könnte, hat sich nie
bestätigt.
anpfiff.info bedankt sich bei Jobin Scheler recht herzlich für das umfangreiche Interview und wünscht ihm auf seinem weiteren Weg als "Schwarzkittel" alles Gute!