Michael Zielinski im Interview: "Der Fußball wird nicht mehr neu erfunden" - anpfiff.info
Artikel veröffentlicht am 22.12.2021 um 07:00 Uhr
Michael Zielinski im Interview: "Der Fußball wird nicht mehr neu erfunden"
INTERVIEW Der ESV Flügelrad II mischt nach dem Aufstieg 2019 aktuell das zweite Jahr in Folge wieder in der A-Klasse mit und hat sich dabei im Vergleich zum Zeitpunkt des Saisonabbruchs 2019/2021 signifikant steigern können, sodass die Zweitvertretung vom Finkenbrunn um den Aufstieg mitmischt. Im fussballn.de-Interview der Woche bezieht Trainer Michael Zielinski zu diversen Themen klar und deutlich Stellung.
Von Fabian Strauch
Michael Zielinski coacht den ESV Flügelrad II mittlerweile in seiner fünften Saison und kann auf viele eigene Erfahrungen zurückblicken.
fussballn.de / Strauch
Hallo Michael, die Corona-Abbruchsaison 2019/2021 ist für euch als Aufsteiger mittlerweile abgeschlossen. Welches Fazit ziehst Du in Bezug auf die lang ersehnte Rückkehr in die A-Klasse?

Michael Zielinski: Nach unserem Aufstieg als Meister aus der B-Klasse, der für den Verein und das Umfeld natürlich sehr positive Effekte nah sich gezogen hat, findet man sich natürlich erst einmal wieder neu. Die große Herausforderung lag darin, weiter nach besseren Leistungen zu streben und durch kontinuierliche Arbeit mit den vielen jungen Spielern den Erfolgshunger beizubehalten. In der Truppe sind das alles gute Jungs, die sich für ihren Sport begeistern, auch wenn man da durch die nervigen Corona-Auflagen als Trainer schon ein Stück weit mehr gefragt ist, um die Spieler mitzunehmen. Die komplette Truppe hat die Situation aber angenommen und ohne Ausnahme mitgezogen!

Du sprichst die Pandemie an. Welche Auswirkungen hat das Corona-Virus auf das Vereinsleben, das beim ESV Flügelrad ja eine große Rolle spielt?

Zielinski: An dieser Pandemie sieht man knallhart, welchen Einfluss ein Individuum auf unsere Gesundheit und Gesellschaft hat und wie unwichtig das ganze Drumherum eigentlich ist. Zwangsläufig verändern sich dadurch auch die Prioritäten jedes Einzelnen, gerade in den untersten Spielklassen. Einen solchen ´Kriegszustand´ haben die meisten Menschen noch nie vorher erlebt. Durch die ganzen Kontaktbeschränkungen leidet ja nicht nur der Sport an sich, sondern auch die Geselligkeit. Ich sehe in diesem Punkt überwiegend negative Aspekte, aber wir müssen das Beste daraus machen und uns damit arrangieren.

Welche Gefühle kreisen dennoch einem Trainer im Amateurbereich mitten in der Pandemie vor dem Start in die neue Saison 2021/2022 im Kopf herum?

Zielinski: Wir hatten aufgrund der Gruppeneinteilung mit einigen 1. Mannschaften vor der Saison schon so unsere Bedenken und wussten, dass es schwer sein wird, in der stark besetzten Liga zu bestehen. Dazu kam noch die Ungewissheit mit dem weiteren Verlauf der Pandemie, da war man als Trainer schon ein Stück weit hilflos gegenüber den Spielern ausgeliefert. Man konnte ja keinerlei verbindliche Aussagen treffen.
 
Michael Zielinski führte den ESV Flügelrad II in der Saison 2018/2019 als Trainer zur Meisterschaft in der B-Klasse.
fussballn.de

Mittlerweile ist auch mehr als die Hinrunde der aktuellen Spielzeit absolviert und es gab signifikante Steigerungen, wenn man die aktuelle und die vergangene Spielzeit zum aktuellen Zeitpunkt vergleicht. Wie würdest Du die Entwicklung deiner Mannschaft im bisherigen Saisonverlauf beschreiben?

Zielinski: Wir haben uns im vergangenen Sommer natürlich entsprechend intensiv auf die aktuelle Runde vorbereitet. Der Fußball wird ja nicht neu erfunden, wir wollten uns einfach weiter im zweiten Jahr in der durch den Abbruch der Vorsaison immer noch neuen Liga etablieren.

Das Vorhaben ist euch bis hierher mit Platz fünf und Tuchfühlung zur Aufstiegsrelegation ja mehr als ordentlich gelungen. Beschreibe doch bitte die Hintergründe...

Zielinski: Nach dem guten Saisonstart mit drei Siegen in Folge haben wir schnell gesehen, dass für uns in der Liga doch etwas geht und dementsprechend wuchs auch der Glaube an uns selbst. Natürlich sind uns auch durch den unerlaubten Spielereinsatz des FC Trafowerk verloren geglaubte Punkte am Grünen Tisch einfach so in den Schoß gefallen, die wir aber - ehrlich gesagt - dankend angenommen haben. Ich kenne es noch aus meiner eigenen Laufbahn, dass man viel mit Psychologie erreichen kann. Ich rede sehr viel mit meinen Spielern darüber, auch wenn es der ein oder andere vielleicht nicht mehr hören kann oder will. (lacht) Da geht es unter anderem darum, wie man den Gegner überlisten kann. So haben wir gemeinsam den nötigen Erfolgshunger und Siegeswille aufbauen können, der uns aktuell da stehen lässt, wo wir stehen. Über diese Entwicklung bin ich sehr stolz!

Gibt es aus den absolvierten Partien bestimmte Highlights, die es zu erwähnen gäbe? Die beiden Spiele gegen die DJK Oberasbach II stechen da ja schon ein Stück weit heraus.

Zielinski: Ja, das stimmt! Vor allem der 4:3-Heimsieg aus dem Hinspiel war genau so ein Spiel, das den Fußball ausmacht. Wir sind durch die Spielverlegung auf einen verstärkten Gegner getroffen, es ging hin und her und in der turbulenten Schlussphase haben wir dennoch gegen die robusten Oberasbacher erfolgreich dagegengehalten. Beim 11:0 im Rückspiel hat man dann gesehen, wie die wahren Kräfteverhältnisse verteilt sind.

Nach einer an Dramatik kaum mehr zu überbietenden Schlussphase durfte der ESV Flügelrad II einen 4:3-Heimsieg gegen eine verstärkte DJK Oberasbach II bejubeln.
fussballn.de / Strauch

Als Trainer ist man über einen solchen Spielverlauf wie im Hinspiel sicher nicht begeistert, oder?

Zielinski: Wenn das an jedem Spieltag so abläuft, gehen irgendwann sicher die Nerven kaputt. (lacht) Man ist es ja eher aus dem Profibereich gewohnt, dass in jedem Spiel 130 Prozent abgerufen werden. Als Amateur hat man aber eben auch noch ein anderes Leben neben seinem Hobby als Fußballer.

Bahnen sich vor dem geplanten Start der restlichen Saison Veränderungen im Kader an und müssen die Saisonziele am Finkenbrunn korrigiert werden?

Zielinski: Es gibt mehrere Spieler, die Interesse bekundet haben, sich im neuen Jahr unserer Truppe anzuschließen. Ich bin da aber noch vorsichtig, denn durch Corona können sich die Interessen des Einzelnen sehr schnell verschieben. Abgänge zeichnen sich zum aktuellen Zeitpunkt nicht ab, was hoffentlich auch so bleiben wird. Genaueres kann man in dieser Hinsicht erst Ende Januar beantworten. Was das Saisonziel betrifft, hat der Klassenerhalt weiterhin oberste Priorität. Ich habe aber ja bereits erwähnt, dass wir uns stetig verbessern wollen.

Um den Jahreswechsel herum begann ja normalerweise auch immer die Zeit des Hallenfußballs. Wie stehst Du zu dem Thema?

Zielinski: Also zunächst mal muss ich sagen, dass ich ein großer Verfechter des ursprünglichen Budenzaubers mit Rundumbande, Musik und allem was dazugehört, bin. Mit der Umstellung auf Futsal sieht man, welche Qualitäten ein Spieler mitbringen muss, auch wenn das Verletzungsrisiko minimiert wird. Auch mit den ganzen Unterbrechungen und dem Zählen von Fouls kann ich nicht wirklich etwas anfangen.

Gibt es aus Deiner aktiven Zeit noch schöne Erinnerungen in Verbindung mit dem klassischen Hallenfußball?

Zielinski: Ich habe früher sehr gerne in der Halle gekickt. Zu meiner Zeit beim TSV Röttenbach wurde ich mal im zarten Alter von 29 Jahren als bester Akteur des Endturniers ausgezeichnet. Darauf war ich schon ein Stück weit stolz, weil ich im fortgeschrittenen Fußballeralter noch zeigen konnte, was ich drauf habe. (lacht) Auch an die Turniere in jungen Jahren mit der Club-Jugend erinnere ich mich gerne zurück. Da ist man ganz schön herumgekommen und konnte sich mit den verschiedensten Gegnern auf hohem Niveau messen. Diese Erfahrungen helfen mir heute auch noch weiter.

Auf dem Feld ist Michael Zielinski nur noch selten zu Gange, umso mehr war der Ex-Profi aus Polens 1. Liga in seiner aktiven Zeit sowohl unter freiem Himmel wie auch dem Hallendach zu begeistern.
fussballn.de / Strauch

Nicht nur in der Halle, auch im Freiluftbereich hat sich der Fußball enorm weiterentwickelt. Wie siehst Du die Entwicklung als jahrzehntelanger Vollblutfußballer?

Zielinski: Der Sport an sich wird meiner Meinung nach, wie bereits erwähnt, nicht neu erfunden, aber das ganze Drumherum und der Hype. Wenn ich im Profibereich sehe, dass es mittlerweile durch den Videobeweis Kameras in sämtlichen Positionen in den Stadien gibt und dennoch eindeutig irreguläre Treffer gegeben werden, dann ist das nicht mehr der Fußball mit all seinen Facetten, den ich von früher kenne.

Also hast Du keine Ambitionen, was eine Trainertätigkeit über den Amateurbereich hinaus angeht?

Zielinski: Darüber habe ich mir auch schon meine Gedanken gemacht, als die erste Enttäuschung in Bezug auf mein verletzungsbedingtes Karriereende verflogen war. Man braucht aber ja für solche Ziele einen Trainerschein, der für mich aufgrund von Familie und Beruf immer als Nebensache galt. Ich habe mich dann dagegen entschieden und möchte rein mit meiner Erfahrung aus der aktiven Zeit immer nach Höherem streben. Ich fühle mich mit der aktuellen Situation im Amateurbereich sehr wohl. Ich sage außerdem gerne meine Meinung, aber im professionellen Business wirst du mundtot gemacht. Da werden einem schnell "die Eier abgeschnitten", sobald man etwas Falsches sagt! Ich bin mit Ehrlichkeit in meinem Leben immer gut gefahren und möchte mich nicht verstellen!

Du hast deine Familie angesprochen. Aktuell trainierst du deine beiden Söhne Stefan und Gabriel. Wie findet man da als Vater die richtige Balance, um sportliche und familiäre Verbindungen unter einen Hut zu bringen?

Zielinski: Gabriel hat in der Vergangenheit schon mehrfach bei der 1. Mannschaft reinschnuppern dürfen und dadurch eine Liga höher wertvolle Erfahrungen gesammelt. Stefan ist derzeit bester Torschütze in der 2. Mannschaft und ist natürlich dadurch ein wichtiger Bestandteil der Truppe. Aber ich versuche da beide nicht zu sehr zu belasten, sondern sie sollen einfach das, was sie können, auf den Rasen bringen. Es muss bei uns daheim niemand hungern, weil er am Sonntag ein schlechtes Spiel gemacht hat. (lacht)

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