Time to say arrivederci: Julia Simic im fußballerischen Unruhestand - anpfiff.info
Artikel veröffentlicht am 02.07.2021 um 06:00 Uhr
Time to say arrivederci: Julia Simic im fußballerischen Unruhestand
Nach 16 Jahre „im Geschäft“ sagte Julia Simic zum Ende der abgelaufenen Saison „leise Servus“. Sie spielte in drei Ländern für sechs Vereine, holte fünf nationale Titel und trug für die Nationalelf das Trikot mit dem Adler auf der Brust. Dieser Adler wird sie auch weiterhin begleiten, ließ Simic im Gespräch mit anpfiff.info verlauten.
Von Bernd Riemke
Als sie am 14. August 2005 ihre Profikarriere beim FC Bayern München prompt mit einem Tor gegen SC Freiburg startete, konnte auch Julia Simic selbst nicht ahnen, auf welch bewegte Laufbahn sie am 30. Mai 2021 zurückblicken würde. Das war der Tag des Pokalfinals der Coppa Italia, in das sich ihr AC Mailand vorgekämpft hatte. Die Krönung blieb Julia Simic mit einer 0:1-Niederlage ihrer Rossonieri zwar verwehrt, doch dem berechtigten Stolz mit dem die 32-Jährige auf über eineinhalb Jahrzehnte auf Topniveau zurückblickt, tut dies keinen Abbruch. „Natürlich wäre es schön gewesen, mich mit einem Titel zu verabschieden, aber im Großen und Ganzen nimmt das keinen entscheidenden Einfluss, denn ich bis sehr zufrieden mit mir und dem, was ich erreicht habe“, so die Ballästhetin, für die ihr letztes Profijahr ein stückweit ein Spiegelbild ihrer Karriere darstellte.

Ihre letzte Station absolvierte Julia Simic (vo.) bei einem der ganz großen Clubs in Europa.
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Achterbahnfahrt beim AC Milan

„Ich wusste, dass es ein Bonusjahr werden wird“
, erinnert sich Simic an das Angebot aus der Lombardei als sie sich eigentlich schon entschieden hatte, ihre Stiefel an den berühmten Nagel zu hängen. Es folgten Wochen voller Zweifel, ob sie es noch einmal zurück auf den grünen Rasen schaffen würde und schließlich eine Mischung aus Erleichterung und unendlicher (Spiel-) Freude mit den neuen Mannschaftskolleginnen um Tore und Punkte kämpfen zu dürfen, so dass ein schwieriges Jahr letztlich – nicht nur wegen der Vizemeisterschaft mit dem AC Milan - alle vorherigen Erwartungen übertroffen hat. Dieses innere Auf und Ab bekam Simic auch von Seiten des Vereins zu spüren. Denn einerseits war da viel Unterstützung während der Reha und jede Menge Verständnis im Laufe der Integration zu spüren, auf der anderen Seite wuchs der Druck zusehends, da auch die Verantwortlichen ihre Nummer 91 dribbeln, passen und grätschen sehen wollten. „Irgendwann wird es ungemütlich“, umschreibt die gebürtige Fränkin das Gefühl, die in sie gesteckten Erwartungen erfüllen zu wollen, körperlich aber nicht mehr ganz an das Leistungsmaximum früherer Jahre herankommen zu können.

Ende gut, alles gut

Unter dem Strich standen seit der Rückkehr auf den Platz im Spätherbst 2020 noch sieben Einsätze für den AC Mailand für Julia Simic zu Buche. Sieben Einsätze, „die ich richtig genießen konnte. Es war ein Privileg, noch einmal für so einen großen Klub spielen zu dürfen und definitiv die Kirsche auf dem Sahnehäubchen meiner Karriere“, gibt die begnadete Technikerin mit dem Zauberfüßchen freudig zu Protokoll. Es waren auch sieben Einsätze, die unter anderem gezeigt haben, dass sie „ihren Körper noch verwenden kann“ und nicht als Invalidin ihre beeindruckende Karriere beenden muss. „Das erhöht die Lebensqualität enorm“, freut sich die sympathische Strahlefrau, die nach einer von Toren und Titeln gesäumten Karriere schließlich noch weitreichende Pläne für die Zeit danach hat.

Die Julia Simic Girlscamps als eines der neuen Standbeine haben sich in kürzester Zeit etabliert.
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Girlscamps (only)

Bereits etabliert hat Julia Simic ihre Girlscamps, die als „football academy“ inzwischen internationalen Charakter bekommen haben. Ganz im Zeichen der Initiatorin stellen diese Camps nicht die mögliche Auslese für eine kommende Leistungssportlerin in den Mittelpunkt, sondern verfolgen gesellschaftlich wertvollere Gedanken. „Unsere Philosophie fußt darauf, Mädels Spaß am Fußball zu vermitteln – künftig auch und gerade in Kulturen, in denen Frauen womöglich noch ganz andere Rollen innehaben“, sprudelt es aus der 32-Jährigen heraus, die voller Tatendrang neue Regionen für den Mädchenfußball erschließen möchte. Hinter der in Corona-Zeiten parallel dazu entwickelten App steht der nachhaltige Leitfaden, für die Mädchen langfristig als Ansprechpartnerin zur Verfügung zu stehen. Dazu werden von der weitgereisten Globetrotterin auch immer wieder neue Trainer ins eigene Team geholt, die die eigene Philosophie verinnerlichen und weitertragen. „Ich möchte den Mädchen Werkzeuge an die Hand geben, damit sie möglichst weit vorankommen“, sieht Simic ihre Aufgabe weit über die Grenzen des Fußballs hinaus auch in der Persönlichkeitsentwicklung der Heranwachsenden.

Von der Spielerin zur Trainerin


Dass der Übergang von der Spielerin zur Trainerin beinahe nahtlos vonstatten geht, davon zeugt auch das neue Aufgabengebiet, das Julia Simic ab Juli 2021 angehen wird. Neben Friederike Kromp und Melanie Behringer rückt sie als Co-Trainerin in den Stab der deutschen U17-Nationalmannschaft auf, um ihre reichhaltige Erfahrung an den talentierten Nachwuchs weiterzugeben. Auch dieses Engagement ist beileibe nicht nur auf den Fußballplatz beschränkt. „Neben den Lehrgängen, bei denen es natürlich darum geht, mit den Mädchen im Detail an ihren Stärken und Schwächen zu feilen, werde ich sie auch in ihren Heimatvereinen betreuen, damit sie auch außerhalb des Fußballs ihren Platz im Leben finden“, so Simic, die ihre Aufgabe als Co-Trainerin damit weitläufig auffasst und nicht nur in dieser Hinsicht, die gleichen Werte wie ihr künftiges Trainerteam vertritt. „Wir drei kennen uns seit Ewigkeiten und ich habe einfach große Lust, mit den beiden gemeinsam zu arbeiten und Erfolg zu haben.“

Ein Glas Wein

Im Fußball bedarf es für dauerhaften Erfolg einer ausgeprägten Technik, guter Koordination und Körperbeherrschung. Ebenso wie beim Beachvolleyball, weshalb sich Julia Simic durchaus in der aus Brasilien herüberschwappenden Trendsportart Footvolley versuchte. „Ich hätte große Lust darauf, das zu forcieren“, grinst die Edeltechnikerin breit, sieht einer exklusiven Karriere in Ermangelung einer ausreichenden Zahl an Stränden allerdings eher verhalten entgegen. Apropos Strand: Genau dorthin zog es Simic an ihrem ersten freien Tag nach ihrem Rücktritt vom Profifußball. „Ich bin mit Freunden an die Küste gefahren, habe während des Tages ein Glas köstlichen Wein getrunken und durfte das sogar ohne schlechtes Gewissen posten“, schmunzelt die Fußball-(Un-)Ruheständlerin, die sich zuvor über eine durch und durch berührende Videobotschaft zahlreicher Wegbegleiterinnen zum Abschluss ihrer Karriere freuen durfte. Ein Abschluss, der lediglich den Anfang für neue Taten darstellt. Und genauso hungrig, wie Julia Simic als Spielerin nach dem Erfolg war, genauso tatendurstig greift sie nun ihre neuen Herausforderungen an...

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Leser-Kommentare

Steckbrief J. Simic

Julia Simic
Spitzname
Sici
Alter
35
Geburtsort
Fürth
Wohnort
Mailand
Nation
Deutschland
Größe
162 cm
Beruf
Fußball-Profi
Hobbies
Hund Coco, Musik, Freunde, Shoppen, Lachen
2006 U18 Länderpokalsieger

2007 U19 Europameisterin

2008 U20 WM Bronzemedaille

2009 Vizemeister FC Bayern München

2011 Supercup Sieger FC Bayern München

2012 DFB Pokalsieger FC Bayern München

2014 DFB-Hallencup Sieger und Champions League Halbfinale mit FFC Turbine Potsdam.

2015, 2016 und 2017 DFB-Pokalsiegerin mit VfL Wolfsburg

2017 Deutsche Meisterin mit VfL Wolfsburg.

140 Bundesligaspiele (39 Tore)
15 Einsätze DFB-Pokal (5 Tore)
19 Champions-League Einsätze (6 Tore).
2 Länderspiele (A-Nationalmannschaft).

16 Einsätze FAWSL für West Ham United (2 Tore)

4 Einsätze Serie A für AC Milan.

Stand: 01.07.2021


Auf ein Wort

Julia Simic, bitte charakterisieren Sie jede Station Ihrer Profikarriere in einem Wort.

FC Bayern München
: Familie! Den Verein hat damals schon ausgezeichnet, dass trotz der vorhandenen Erfolge der Charakter jeder Spielerin und eine funktionierende Gemeinschaft wichtiger war und ist als die individuelle Qualität auf dem Platz.

Turbine Potsdam: Schleifen! Ich habe in meinem Leben nie härter trainiert als unter Bernd Schröder. In der Vorbereitung standen wir acht Wochen lang dreimal täglich auf dem Trainingsplatz und hatte auch im Ligarhythmus keinen freien Tag. Das war eine komplett neue Erfahrung für mich.

VfL Wolfsburg: Titel! Genau darum ging es auch. Das Credo des Vereins, an dem wir auch gemessen wurden, war es Titel zu holen. So viele wie möglich. Der Anspruch des Vereins ist es einfach, erfolgreich zu sein.

SC Freiburg: Sonnenschein! Wir hatten einfach immer schönes Wetter (lacht). Dieses schöne Klima herrschte aber auch im Verein und der Mannschaft. Die Mädels waren in keiner anderen Mannschaft netter zueinander als im Breisgau.

West Ham United: Menschlichkeit! Unter Matt Beard habe ich eine neue Herangehensweise kennengelernt, wie man als Trainer arbeiten und eine Mannschaft hinter sich bringen kann. Es menschelte überall und da ich zu diesem Zeitpunkt bereits meine Camps gestartet hatte, konnte ich mir da noch einiges abschauen.

AC Milan: Nicht nur Dolce vita (lacht), denn grundsätzlich sind gerade die Norditaliener sehr diszipliniert. Es sah nach außen vielleicht ein bisschen nach „tolle Stadt, tolles Wetter“ aus, aber es gab auch Regentage für mich. Wenn die Schmerzen im Körper bleiben, dann wird es auch für den Kopf immer schwerer.

Entweder...oder

Langschläfer oder Frühaufsteher
Es geht immer mehr in Richtung Frühaufsteher. Wenn ich aufwache, steht auf der Uhr immer häufiger eine 7 vorne dran. Das hat es zu aktiven Zeiten sehr selten gegeben (lacht).
Bungee jumping oder Fallschirmsprung
Boah! Ich mag sowas komplett gar nicht! Ich würde mich nie dieser Gefahr aussetzen, dass mein Leben buchstäblich an einem seidenen Faden hängt. Ich bin keine Extremsportlerin, aber extrem aktiv und probiere viele Sportarten aus.
Luka Modric oder Thomas Müller
Wenn Deutschland gegen Kroatien im Finale stehen würde, dann wäre ich natürlich für Deutschland. Da fließt schon mehr deutsches als kroatisches Blut durch meine Adern. Aber ich werde wohl versuchen, das Interview vor meiner Mama zu verstecken (lacht).
Girlscamp oder Boyscamp
Girlscamps only! Weil es schlicht und ergreifend viel weniger Angebote gibt. Es gibt viele Camps, in denen es in erster Linie darum geht, Jungs zu holen und zu fördern. Mein Fokus liegt ganz klar auf den Mädels und ich nehme mich dieser Aufgabe sehr gerne an, mich für sie einzusetzen und sie in ihrer Entwicklung zu unterstützen.
Faulenzen oder Fitness
Ich brauche nicht zwingend Erholung und es drängt mich auch nicht danach, mich irgendwo zwei Wochen an den Strand zu legen. Ich verbinde meinen Urlaub viel lieber mit den Girlscamps und versuche eher den Mädchenfußball voranzutreiben und auf diese Weise andere Kulturen kennenzulernen.

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