Die jüngsten
Entscheidungen der Bayerischen Staatsregierung werden den Interessen der
Amateurfußballer*innen im Freistaat in keiner Weise gerecht und
konterkarieren das ehrenamtliche Engagement. Dabei ist die Rückkehr des
bayerischen Amateurfußballs längst überfällig!
Der Vorstand des Bayerischen Fußball-Verbandes (BFV) hat einen
Offenen Brief verfasst und an Ministerpräsident Dr. Markus Söder, Innen-
und Sportminister Joachim Herrmann sowie Gesundheitsminister Klaus
Holetschek adressiert.
Der Offene Brief im Wortlaut
Sehr geehrter Herr Ministerpräsident Dr. Söder,
sehr geehrter Herr Staatsminister Herrmann,
sehr geehrter Herr Staatsminister Holetschek,
unsere 1,6 Millionen Mitglieder aus nahezu 4600 bayerischen,
ehrenamtlich organisierten Amateurfußballvereinen stellen sich seit
Anbeginn der COVID-19-Pandemie auf vielfältige und herausragende Art in
den Dienst der Bekämpfung dieser so nicht gekannten Krise. Sie, die
Vereinsführungen mit Mädchen und Jungen, Frauen und Männern, sind
abseits der nach wie vor weitgehend gesperrten Fußballplätze für
Schwächere da und zeigen eindrucksvoll, was es heißt, Eigeninteressen
hinten anzustellen und gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen –
und dies seit über einem Jahr!
Der Bayerische Fußball-Verband ist vom ersten Tag an ein
verlässlicher Partner der Politik der Bayerischen Staatsregierung. Wir
waren und sind immer für einen konstruktiven und lösungsorientierten
Austausch im Sinne unserer Mitglieder. Die Gesundheit aller, auch das
haben wir wieder und wieder verdeutlicht, steht an erster Stelle – ohne
Wenn und Aber. Die erarbeiteten Hygiene- sowie
Kontaktnachverfolgungs-Konzepte sind längst in der Praxis erprobt und in
unseren Vereinen etabliert. Die quasi durchgängig geführten Gespräche
auf Arbeitsebene mit dem für uns zuständigen Ministerium des Innern, für
Sport und Integration belegen dies. Wir sind nun allerdings an einem
Punkt angelangt, der ein Ringen um Lösungen für die längst überfällige
Rückkehr des bayerischen Amateurfußballs abseits der Öffentlichkeit
unmöglich macht. Die jüngsten Entscheidungen der Staatsregierung werden
den Interessen unserer Mitglieder in keiner Weise gerecht, ja, sie
konterkarieren das ehrenamtliche Engagement förmlich und frustrieren
diese so wichtige Säule für unser Gemeinwohl in Bayern.
Bei einer Inzidenz über 100 darf nach dem aktuell gültigen
Bundesgesetz maximal zu zweit oder mit Angehörigen des eigenen
Hausstands trainiert werden, Kinder unter 14 Jahren in Gruppen bis zu 5
Kindern. Bei einer Inzidenz zwischen 50 und 100 dürfen maximal 5
Personen aus 2 Haushalten trainieren, sowie Kinder unter 14 Jahren in
Gruppen bis zu 20 Kindern. Echtes Mannschaftstraining ist unter diesen
Vorgaben unmöglich.
Und während selbst bei einer Inzidenz von 0 nur maximal 20 Kinder
unter 14 Jahren bzw. 10 Erwachsene trainieren dürfen, wird von diesem
Freitag an gestattet, dass 250 Zuschauer Sportveranstaltungen besuchen
dürfen. Können jetzt also 250 Zuschauer bei einem Training von 10
Spieler*innen zusehen? Wie passt das zusammen? Bei der Grenze der 250
Zuschauer wird sich im Sport an die Kultur angelehnt. Wir freuen uns
über Öffnungen eines jeden Bereichs, aber dennoch darf die Kultur völlig
zurecht für ihren Auftritt üben, der Sport aber nicht uneingeschränkt
trainieren. Alle anerkannten Mediziner*innen, Forscher*innen und
Virolog*innen sind sich einig und belegen in ihren Studien, dass Sport
unter freiem Himmel nicht im Ansatz ein erhöhtes Infektionsrisiko
darstellt – ein weiteres Sportverbot aber zu weitreichenden
gesundheitlichen Schäden, sowohl körperlicher als auch seelischer Natur,
führen kann.
Wenn Amateurfußballer*innen in diesen Tagen die zunächst geltenden
hohen gesetzlichen Hürden auf sich nehmen und sich auf COVID-19 testen
lassen, um mit der Mannschaft trainieren zu können und damit auch einen
Beitrag zur Bekämpfung der Pandemie beitragen, dies dann aber plötzlich
wieder untersagt wird, sagt alles. Die Abstimmung zwischen den
Ministerien funktioniert scheinbar nicht: Dazu kommt eine völlig
unterschiedliche, in unseren Augen teils nicht mehr nachvollziehbare
Auslegung der Gesetze und Verordnungen durch die zuständigen
Kreisverwaltungsbehörden und kreisfreien Städte. Der Frust bei den
engagierten Menschen im Sport und im Amateurfußball erlangt dieser Tage
eine neue Dimension – für jede einzelne Beschwerde, von denen uns
täglich mehr erreichen, haben wir volles Verständnis. Anstatt klare,
praxisnahe Regeln zu erlassen, die für jedermann verständlich sind und
weniger unterschiedlichen Interpretationen unterliegen, erleben wir fast
täglich ein neues Wirrwarr, das sich rational nicht mehr erklären
lässt.
Ein von Vereinen nach allgemeinen Regeln durchgeführtes
Bewegungsangebot für Kinder und Jugendliche ist allemal pandemisch
sinnvoller als das ohne Betreuung durchgeführte Sporttreiben, wie wir es
alle auf Bolzplätzen oder freien Anlagen sehen.
Die bayerischen Fußballvereine stehen für den Gesundheitsschutz ihrer
Spieler*innen, Mitglieder und Besucher*innen ein. Sie akzeptieren
notwendige Einschränkungen, Abstandsregeln, Hygienekonzepte, staatliche
Regelungen der Kontakt-Nachverfolgung.
Aber der Kernbereich ihres Wirkens, das Training und Spielen an der
freien Luft, müssen nun umgehend wieder ermöglicht werden. Sie stellen
nahezu kein Infektionsrisiko dar – unabhängig vom Alter. Deshalb braucht
es jetzt sofort einen Fahrplan für praktikable Trainingsgestaltung,
dann aber kurzfristig auch wieder für Spiele.
Der Vorstand des Bayerischen Fußball-Verbandes fordert Sie daher im
Sinne seiner 1,6 Millionen Mitglieder auf, folgende Punkte nun endlich
anzugehen:
Klare, angemessene und nachvollziehbare Regelungen zu schaffen, die
auch losgelöst von der Inzidenz und mit längerem zeitlichen Vorlauf vor
der Rücknahme von Maßnahmen eine verlässliche Perspektive bieten.
z.B. bei einer lokalen 7-Tage-Inzidenz unter 100: Sofortige
Freigabe des Mannschaftstrainings mit Kontakt unter freiem Himmel ohne
Alters- und Gruppengrößen-Beschränkung unter Berücksichtigung eines
Hygienekonzepts für Personen, die sich mindestens zweimal in der Woche
einem COVID-19-Test unterziehen; dabei gelten explizit auch Tests, die
in der KiTa, Schule oder beim Arbeitgeber durchgeführt werden. Diese
Tests müssen im gemeinnützigen Sport anerkannt werden. Es ist nicht zu
erklären, warum Kinder, die vormittags in der Schule getestet werden,
nachmittags beim Training im Sportverein einen erneuten Test machen
müssen.
z.B. bei einer lokalen 7-Tage-Inzidenz unter 50: Sofortige Freigabe
des Mannschaftstrainings mit Kontakt unter freiem Himmel ohne Alters-
und Gruppengrößen-Beschränkung unter Berücksichtigung eines
Hygienekonzepts (u.a. Kontaktnachverfolgung, sanitäre Anlagen
geschlossen).
z.B. Wenn eine Altersgrenze sein muss, dann soll diese an der
Schnittstelle zwischen Jugend- und Erwachsenensportbetrieb verlaufen,
nicht quer durch Vereinsmannschaften (im Schulbereich stellt man ja auch
auf funktionale Gruppen nach Zusammengehörigkeit ab und nicht auf eine
Altersgrenze).
Die Öffnung für Zuschauer*innen ist richtig und wichtig – 250
Personen bei zugewiesenen Plätzen möglicherweise angemessen; aber
darüber hinaus braucht es eine Bagatellgrenze an Publikum, bei der dies
auch ohne besonderes Konzept, evtl. mit Masken, möglich sein muss. Viele
Kinderangebote funktionieren nur dann, wenn die Eltern die Kinder
fahren und begleiten – gerade jetzt wollen wir nicht viele Personen in
einem Auto haben. Und ein Fußballplatz ist groß genug, um dort 100
Personen mit ausreichend Abstand unterzubringen. Wir fordern also die
Möglichkeit, ohne besonderes Konzept 100 Zuschauer bei
Sportveranstaltungen im Freien zuzulassen (evtl. mit Maske und
Kontaktverfolgung).
Es braucht eine für Sportvereine funktionierende, kostenfreie
technische Lösung zum Veranstaltungsmanagement und zur
Kontaktverfolgung, die Tests ebenso wie den Impfstatus abbilden kann.
Wir bieten nach wie vor und zum wiederholten Male unsere
ausdrückliche Mitarbeit für die Erarbeitung praktikabler und
vernünftiger Regeln und Konzepte für den Amateurfußball an. Dies muss
allerdings JETZT geschehen!
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Rainer Koch (Präsident)
Reinhold Baier (Vizepräsident)
Jürgen Faltenbacher (Schatzmeister)
Jürgen Pfau (Vizepräsident & Bezirksvorsitzender Unterfranken)
Silke Raml (Vizepräsidentin)
Robert Schraudner (Vizepräsident & Bezirksvorsitzender Oberbayern)
Tobias Bracht (U30-Mitglied)
Thomas Graml (Bezirksvorsitzender Oberpfalz)
Harald Haase (Bezirksvorsitzender Niederbayern)
Dieter Habermann (Bezirksvorsitzender Mittelfranken)
Sandra Hofmann (Vorsitzende Verbands-Frauen- und -Mädchenausschuss)
Jürgen Igelspacher (Geschäftsführer)
Josef Janker (Vorsitzender Verbands-Spielausschuss)
Dr. Christoph Kern (Bezirksvorsitzender Schwaben)
Walter Moritz (Vorsitzender Verbands-Schiedsrichter-Ausschuss)
Friedrich Reisinger (Verbandsanwalt)
Oskar Riedmeyer (Vorsitzender Verbands-Sportgericht)
Thomas Unger (Bezirksvorsitzender Oberfranken)
Florian Weißmann (Vorsitzender Verbands-Jugendausschuss)