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Artikel veröffentlicht am 11.05.2021 um 07:00 Uhr
Saisonabbruch und die Folgen?:
Rechtsunsichere Sicht eines Fußball-Liebhabers
„Alles hat ein Ende, nur die Wurst hat zwei“, trällert Stephan Remmler in seinem Stimmungs-Hit. Gefühlt kann die bayerische Amateur-Fußballsaison 2019 der Wurst gleichgesetzt werden. Als „unendliche Geschichte“ geht sie sicherlich in die Annalen ein. Trotzdem möchte der Verband das Kapitel nun schließen. Zuvor räumt er den Vereinen erneut Mitspracherecht ein. Genug Stoff für einen „rechtsunsicheren“ Kommentar.
Von
Florian Geiger
Um die Schlagerwelt nicht zu verlassen, möchte ich mit einem Stimmungs-Kracher von Jürgen von der Lippe beginnen: „Guten Morgen, liebe Sorgen“. Tägliche Sorgen um weitreichende Entscheidungen dürften die Verbands-Verantwortlichen spätestens seit Ende der Winterpause 2020 verspüren. Meinungen im „Basislager der Vereine“ gab und gibt es viele, mit der Verantwortung an der Spitze würden wohl die Wenigsten tauschen wollen. Der BFV entschied sich zunächst gegen den Abbruch der Saison 2019/20. Bis auf Thüringen beendeten die anderen Landesverbände vorzeitig und starteten neu. Richtig oder falsch? Wahrscheinlich verteidigen alle Verantwortlichen ihre Entscheidung. Zumindest skurril erscheint der Fall Viktoria Berlin. Als Aufsteiger in die Regionalliga Nordost startete der Neuling furios. Nach 13 Spieltagen brach der Verband erneut ab und die Viktoria stieg als Tabellenführer in die 3. Liga auf. Ein Durchmarsch „auf dem kurzen Dienstweg“.
Dr. Rainer Koch
anpfiff.info
Dr. Rainer Koch entschied sich zunächst als „bayerisches Oberhaupt“ für die Fortführung der Mitte 2019 beginnenden Spielzeit. Angeblich habe der Verband die Vereine damals in seine Entscheidung „mitgenommen“. Ausgerechnet die Basis äußerte allerdings Kritik, dass sie eine Mogelpackung verkauft bekommen hätte. Vereine hätten unter falschen Voraussetzungen abgestimmt. Sie wären nicht mitgenommen worden, sondern schauten nun „mitgenommen“ aus der Wäsche. Zur Erinnerung: Ein damaliger Abbruch hätte die heutigen, offenen Fragen nach Ab- und Aufsteiger wohl nicht gestellt. Die mathematische Hürde von mindestens 70 Prozent ausgetragener Spiele wäre noch nicht erfüllt gewesen. Also wäre es ein Ende mit Schrecken anstatt wie jetzt ein Schrecken ohne Ende gewesen?
Der „bayerische Weg“ führte also in den Herbst 2020. Durch ein knappes Jahr Spielpause und gefühlten vier Vorbereitungs-Fenstern behielten die wenigsten Amateure den Durchblick. Teilweise verpflichteten Vereine in der Winterpause 2019/2020 Trainer oder Spieler, die im Sommer ohne ein Pflichtspiel wieder von Tannen zogen. Durch die Hängepartien hingen Spieler ihre Fußballschuhe an den Nagel oder Studenten verabschiedeten sich. Einige Mannschaften starteten ihre Wiederaufnahmen sicherlich mit einer „Vorstellungsrunde“, da sich das Gesicht ihres Kaders deutlich veränderte. Auch Amateurvereine und Spieler planen im Normalfall für eine einjährige Saison, aber 24 Monate sind Neuland.
„Spielerwechsel-Lotterie“
Mittlerweile liegen fünf sogenannte „Wechselfenster light“ hinter uns. Bedeutet: Gemäß den üblichen Regularien in der Winterpause konnten Vereine Neuverpflichtungen tätigen. Manko: Die abgebenden Klubs mussten immer zustimmen, ansonsten zerplatzte der Wechsel wie eine Seifenblase. Hierdurch gab es à la Zufallsprinzip Gewinner und Verlierer.
Ich bin kein Rechtsexperte und wage mich deshalb erst gar nicht auf fremdes Terrain. Mir ist allerdings das Credo der alten Römer bekannt, welches bis heute gilt: Pacta sunt servanda. Verträge sind einzuhalten. Damit verbinde ich grundsätzlich auch Paragraphen in Spielordnungen. Einen rechtsverbindlichen Ausflug zum Paragraphen 93 kann ich nicht unternehmen. Dieser wurde offensichtlich während der Saison 2019/20 nachgeschärft. Für mich als „Gerechtigkeitsfanatiker“ und „Fußball-Liebhaber“ stellt sich jedoch die Frage, in welchem juristischen Raum wir uns aktuell befinden. Der Verband verkündet laut seiner Wahrnehmung die Rechtssicherheit des einschlägigen Satzungsabschnittes, andere Vertreter prophezeihen bei Anwendung eine Klagewelle. Kann ich als Laie verstehen, dass es eine angeblich rechtsverbindliche Aussagekraft gibt, aber nun Vereine über die Anwendung abstimmen? Urteilen Gerichte auf Basis von Gesetzesinhalten über Christoph Metzelders Straftat oder stimmen zunächst Instanzen darüber ab, ob diese anzuwenden sind? Oder ist das doch der Ausdruck von Unsicherheit aufgrund einer „Corona-Sondersituation“? Ich denke schon und deshalb komme ich als „Amateur-Richter“ wieder ins Spiel.
„Quotientenregel“ - Unwort des Jahres?
Nun werden den Vereinen am 14. und 15. Mai in digitaler Form zwei Varianten über die Wertung der zweijährigen Spielzeit vorgestellt. Einerseits die Anwendung des Paragraphen 93 und der damit verbundenen Quotientenregel. Andererseits die Möglichkeit, bei der es nur Aufsteiger, aber keine Absteiger geben würde. Für mich stehen die Unwörter des Jahres 2021 jetzt schon fest: „Herden-Immunität“ dicht gefolgt von „Quotientenregel“. Nun sollen also Vereine als „Scharfrichter“ über Wohl und Weh` von Tabellennachbarn richten. Klubs, die ursprünglich im Abstiegssumpf standen, sollen nun wie im alten Rom den Daumen nach oben oder unten strecken. Abstiegsgefährdete Vereine plädierten einst vehement für einen Saisonabbruch ohne Absteiger, weil es sie möglicherweise selbst bereits bei einem weiteren Spieltag erwischt hätte. Unter dem Schutzmantel der „Quotientenregel“ sind sie nun auf der sicheren Seite. Es bleibt zu hoffen, dass sich die Fußballgemeinde trotz möglicher, kleiner Einschnitte in der neuen Saison solidarisch zeigt. Womöglich gäbe es ohne Absteiger Ligen, die eine etwas erhöhte Mannschaftszahl aufweisen würden. Bei Berücksichtigung aller Argumente wäre dies allerdings wohl nicht das Entscheidende.
Sicherlich gibt es Mannschaften, die das rettende Ufer in einem regulären Spielbetrieb nicht mehr erreicht hätten. Für mich kommen aber Fälle wie beispielsweise in der Landesliga Nordwest einer „sportlichen Folterung“ gleich. Der Quotient des ASV Rimpar lautet 0,9615, der vom TSV Lengfeld und des TuS Röllbach jeweils 0,9629. Laut Satzung wird allerdings auf zwei Nachkommastellen gerundet. Somit weisen alle drei Vereine den identischen Wert von 0,96 auf. Eine Tabelle aus dem Dreiervergleich würde die Würzburger ans rettende Ufer befördern. Im Anschluss hätte zunächst Rimpar die Nase vor Röllbach vorne, da dieser direkte Vergleich an die Rimparer ginge. Allerdings müsste einbezogen werden, dass der ASV ein direktes Duell mehr bestritten hat. Damit würde die Quotientenregel das „Abstiegs-Pendel“ auf grausame Weise gegen den ASV Rimpar ausschlagen lassen. Generell berücksichtigt sie nicht, auf welche Gegner die Teams bereits zweimal trafen. Bei derartigen Konstellationen macht es natürlich einen Unterschied, ob es der Tabellenführer oder schlechtere Teams waren.
Verzerrung durch „Absage-Joker“
Mittlerweile ist ein Saisonabbruch im Paragraphen 93 geregelt. Ist in seinem Geiste aber überhaupt die absolute Ausnahme-Situation der „Corona-Krise“ verankert? Alle wenigen Spiele im Jahr 2020 (ausschließlich im Herbst) standen unter einem besonderen Stern. Aufgrund der vorhandenen Pandemie durften Vereine ohne Angabe von Gründen ihre Spiele verlegen. Hierdurch veränderte sich die Berechnung des Quotienten-Vergleichs maßgeblich. Findige Vereinsvertreter hielten einen Saisonabbruch damals für möglich und hatten zudem den renovierten Paragraphen 93 auf dem Radar. Andere Klubs verhielten sich im Sinne des Verbandes sportlich und zogen trotz einiger Ausfälle den „Absage-Joker“ nicht. Das fällt ihnen nun möglicherweise auf die Füße, weil bereits eine einzige Absage der Konkurrenz das "Abstiegs-Urteil“ für sie bedeuten könnte.
Wie bereits erwähnt bin ich kein Jurist, sondern lediglich ein Fußballromantiker mit einem Hauch Gerechtigkeitssinn. Mir ist bewusst, dass es wie vom BFV-Pressesprecher Fabian Frühwirth verkündet, den „Königsweg nicht gibt“. Aufgrund zahlreicher Ausnahme-Kriterien und der besonderen Härte in der Abstiegsfrage, fällt mein „rechtsunsicheres“ Plädoyer eindeutig gegen Absteiger aus. Vielleicht fände der Verband sogar Lösungen, um die Ligen nicht aufzublähen. Einfach macht es das Virus den Verantwortlichen weiterhin nicht.
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