Roland Kamensky - Schiedsrichter: Als die Einteilung noch per Postkarte kam - anpfiff.info
Artikel veröffentlicht am 26.02.2021 um 06:00 Uhr
Roland Kamensky - Schiedsrichter: Als die Einteilung noch per Postkarte kam
MAGAZIN Der Fußball ist sein Leben und die Pfeife seine Leidenschaft. Roland Kamensky wird im Mai 88 Jahre alt und kann noch heute nicht davon ablassen, sich für die Schiedsrichterei zu begeistern. Das Urgestein gehört zu den Pionieren der Erlanger Schiedsrichtergruppe. Seine alten Unterlagen, die er für anpfiff.info heraussuchte, gehören eigentlich ins Museum.
Von Uwe Kellner

Roland Kamensky ist ein echtes Original. Schon in jungen Jahren überkam ihn das Fußballfieber und er entschied sich Schiedsrichter zu werden. Im Jahr 1954 absolvierte er im Alter von nur 21 Jahren sein Prüfung und schloss sich der Schiedsrichtergruppe Erlangen an. Sein Obmann war der legendäre Franz Hoffmann, der die SR-Gruppe in der Nachkriegszeit zusammenhielt und sich engagiert um die Unparteiischen kümmerte. Als Roland Kamensky mit dem Pfeifen begann, liefen die Uhren in der Fußballwelt noch anders. Alle zwei Wochen trafen sich die Einteiler und ihr Obmann im Nebenzimmer einer Erlanger Gastwirtschaft. Die Vereine wussten das, riefen zu diesem Zeitpunkt in der Wirtschaft an, informierten, wann und wo sie spielen und dementsprechend bekamen sie einen Schiedsrichter eingeteilt. Mit Postkarten wurden die Referees über ihr Spiel informiert, für das sie eingeteilt wurden. Roland Kamensky war bei diesen Treffen immer mit dabei, als diese Pionierarbeit im Amateurfußball geleistet wurde.

Er selbst kann sich erinnern, dass das erste Spiel, das er pfiff, ein Jugenspiel zwischen dem SC Adelsdorf und TSV Röttenbach war. Geschafft hat er zu jener Zeit den Sprung bis in die Bezirksliga. Im Jahr 1957, daran kann er sich ebenfalls erinnern, ist ihm in Kirchehrenbach ein Fußballer aus Frust in den Rücken gesprungen, so dass er im Krankenhaus behandelt werden musste. In den ersten Jahren fuhr er stets mit dem Zug zu den Spielen, nachdem er sich einen Roller gekauft hatte, war er auf zwei Rädern unterwegs. Roland Kamensky kam viel herum und brauchte kein Navi, um auch den letzten Sportplatz im hintersten Dorf zu finden. Ein Spiel gab es, nach dem ihm die Verlierermannschaft die Tasche mit den Klamotten klaute - aber auch das hielt ihn nicht davon ab weiterzumachen.

Sein erstes Spiel nach der Prüfung pfiff Roland Kamensky am 4. Dezember 1955. Zu den Partien fuhr er mit seinem Roller, wie er in der rechten Spalte vermerkte.
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Einteilung per Postkarte


Ab 1972 übernahm Helmuth Porster die Erlanger Schiedsrichtergruppe und führte ein straffes Regiment. Roland Kamensky wurde Beisitzer zusammen mit Karl-Heinz Porster. Kreisschiedsrichterobmann war in jenen Tagen Richard Steingräber. Roland Kamensky übernahm die Aufgaben des Einteilers. Jeden Sonntagvormittag trafen sich die Verantwortlichen der SR-Gruppe im Wohnzimmer von Obmann Porster und vergaben die Fußballspiele an ihre Unparteiischen. Nach diesen Treffen nahm nun Roland Kamensky die zu beschriftenden Postkarten mit nach Hause, tippte mit der Schreibmaschine die Paarung und den Schiedsrichter auf die Karte und gab den Stapel bei der Post ab. Zumindest das Porto zahlte damals die SR-Gruppe selbst. Der Aufwand, der damals betrieben werden musste, war dennoch immens und ist heute wohl kaum mehr vorstellbar.

Auf dem Postweg wurden die Schiedsrichter früher eingeteilt.
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Die ersten zehn Minuten

Roland Kamensky hatte als aktiver Schiedsrichter einen festen Grundsatz. "Du darfst dir in den ersten zehn Minuten nichts gefallen lassen, sonst bekommst du das Spiel nicht mehr unter Kontrolle. Am besten man bekommt eine Partie gleich zu Beginn in den Griff, dann hat man später seine Ruhe", findet der Routinier.

Er pfiff für die SpVgg Erlangen. Bei der "Spieli" wurde er bereits für seine 60-jährige Mitgliedschaft ausgezeichnet. Als Renter war Roland Kamensky außerdem als Schiedsrichterbetreuer des FSV Erlangen-Bruck aktiv. Bei der Schiedsrichtergruppe Bayreuth, in die er spät in seiner Laufbahn gewechselt war, ist er ebenfalls Ehrenmitglied.

Noch heute liegen die Gelbe und die Rote Karte bei ihm zu Hause auf dem Tisch und selbst als es ihm gesundheitlich schlechter ging, war seine Welt wieder in Ordnung, wenn im Fernsehen Fußball lief. "Das erste, was ich heute noch wissen will, ist, wer pfeift", sagt er. Folglich wird zuerst der Videotext aufgerufen und geschaut, wer die Leitung der Partie innehat. Fan einer Fußballmannschaft ist er nicht. "Ich bin Schiedsrichter, da muss ich neutral sein und darf kein Fan sein", mahnt der 87-Jährige.

Roland Kamensky war jahrelang als ehrenamtlicher Funktionär bei den Erlanger Schiedsrichtern aktiv. Er tippte die Spieleinteilungen mit der Schreibmaschine ab und verschliss über die Jahre sogar eine davon. Er zählt zu den Pionieren der SR-Gruppe Erlangen.
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Felix Brych ist der Liebling

Fan ist Roland Kamensky dennoch und zwar von Schiedsrichter Felix Brych. Die beiden lernten sich kennen, als Roland Kamensky einst Linienrichter war und unter dem jungen Felix Brych bei einem Junioren Bayernliga-Spiel assistierte. In den folgenden Jahren brach der Kontakt zum späteren Bundesliga-Referee nicht ab. Zu Geburtstagen wurde sich gegenseitig angerufen, bei Spielen des aufstrebenden Schiedsrichters schaute Roland Kamensky als Beobachter zu und gab seine Erfahrungen und Tipps an Felix Brych weiter. Umso mehr freute sich Roland Kamensky, als ihn neulich Manfred Kettler, der aktuelle Obmann der Erlanger Schiedsrichter, besuchte und ihm ein originales Schiedsrichter-Trikot mit der Unterschrift von Felix Brych überreichte. "Das ist eine große Sache", freut sich der 87-Jährige.

Bekannt wie ein bunter Hund

Die Begeisterung für den Fußball gab Roland Kamensky auch an seine Tochter Jutta und seinen Sohn Dieter weiter. Schon alleine weil der Vater ständig auf den Sportplätzen unterwegs war, mussten die Kinder ihm nacheifern, um ihn nicht nur zuhause zwischen Tür und Angel zu Gesicht zu bekommen. "Dreiviertel seines Lebens war er am Sportplatz, die andere Zeit in der Arbeit", lacht Tochter Jutta, die sich um ihren Vater kümmert. Allerdings verrät sie auch, dass die Schiedsrichterei zuhause an der Haustüre endete. "Er kam nach Hause, stellte seine Tasche ab und von nun an war meine Mutter dafür zuständig, dass die Fußballschuhe zum nächsten Spiel geputzt waren. Da waren die Rollen klar verteilt", schmunzelt die Tochter. Familie Kamensky ist eine Fußball-Familie. Alle helfen zusammen und selbst heute ist es noch so, dass Vater Roland bei gemeinsamen Spaziergängen in Erlangen von der älteren Fußballergeneration erkannt wird. "Bekannt wie ein bunter Hund", sind die Worte, die die Tochter benutzt und damit hat sie wohl Recht.

Roland Kamensky mit dem Trikot von Schiedsrichter Felix Brych, bei dem er einst sogar selbst an der Seitenlinie stand.
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Steckbrief Roland Kamensky

Roland Kamensky
Alter
91
Geburtsort
Reichenberg (Sudetenland)
Wohnort
Erlangen
Familie
verwitwet, 2 Kinder
Nation
Deutschland


Hintergründe & Fakten

Personendaten

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