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Artikel veröffentlicht am 22.10.2020 um 18:00 Uhr

Trunstadts Keeper Alex Voran: "Gebärdensprache ist meine Muttersprache."

MAGAZIN Alexander Voran ist nicht nur Torhüter beim Kreisklassisten SpVgg Trunstadt, sondern er stand auch schon für die U21 der Gehörlosen-Nationalmannschaft zwischen den Pfosten. Wir trafen uns mit dem Burgebracher und sprachen mit ihm unter anderem darüber, wie es ist, mit eingeschränktem Hörvermögen auf dem Platz zu stehen und unsere laute Welt viel stiller zu erleben.

Von Markus Schütz

"Wir arbeiten einfach mehr visuell", gibt der sympathische 21-Jährige als Antwort auf die Frage, wie sein eingeschränktes Hörvermögen seinen Alltag beeinflusst. Alexander Voran kam mit seiner Beeinträchtigung zur Welt, beide Eltern sind gehörlos, beide jüngere Geschwister allerdings nicht. "Deshalb ist die Gebärdensprache meine Muttersprache, die Lautsprache meine Zweitsprache!"
Nicht nur, weil Alex Voran es nicht anders kennt, sondern weil er ein intelligenter und lernfähiger junger Mensch ist, gibt es kaum Probleme, die er nicht lösen oder mit denen er nicht zurecht kommen könnte. Auch, wenn es in manchen Situationen ein gehobenes Maß an Aufmerksamkeit und Konzentration erfordert. Nicht zuletzt bei der Kommunikation. Die durch Corona und die Maskenpflicht nicht einfacher wurde und auch, "weil wir in Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern im Hinblick auf
Übersetzung in Gebärdensprache, beispielsweise im Fernsehen, noch Nachholbedarf
haben." Eine, die mithelfen will, das zu ändern, ist übrigens seine Freundin, die Gebärdensprachdolmetschen studiert.

Alexander Voran mit dem Adler auf der Brust im Einsatz für die deutsche Gehörlosen-Nationalmannschaft.

privat

"Ich brauche Blickkontakt, das Mundbild und den Kontext"

Alexander Voran

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Obwohl er - unterstützt von Hörgeräten - zwar Geräusche hört, heißt das nicht, dass er akustisch automatisch versteht, was sein Gegenüber sagt. "Ich brauche den Blickkontakt, Mundbild und die Mimik des Gesprächspartners und den Kontext des Gesprächs.", erklärt er, wie er mit Hörenden kommuniziert. In der Regel klappt das dann reibungslos. Schwieriger wird es, wenn mehrere Personen an einem Tisch sitzen und durcheinander reden, dann fällt es ihm schwer, zu folgen. Solche Situationen gibt es insbesondere nach Fußballspielen oder nach Trainingseinheiten, wenn die Mannschaftskameraden gemeinsam am Tisch sitzen. "Weil es für mich schon auch sehr anstrengend ist, bin ich meistens einer derjenigen, die am ehesten den Heimweg antreten.", gibt er zu.

Wechsel nach Trunstadt nicht bereut

Dabei ist Alex Voran ein geselliger Typ, der nicht zuletzt über den Mannschaftssport viele Kontakte hat und pflegt. Fußball steht da nicht einmal an erster Stelle. Ein Tick wichtiger ist dem Studenten sogar noch der Kegelsport, zu dem er über seine Eltern kam, die ihn und seine Geschwister immer unterstützt und gefördert haben. "Auch da bin ich in der Gehörlosen-Nationalmannschaft und habe für Deutschland bei einer EM
sogar schon einmal eine Bronzemedaille geholt.", erzählt der junge Mann, der als Hobby "alle Ballsportarten" angibt. Seit Beginn seines Studiums konzentriert er sich jedoch aus zeitlichen Gründen auf Kegeln und Fußball. Bei Letzterem spielt er nicht nur in der Düsseldorfer Gehörlosen-Mannschaft, sondern auch bei der SpVgg Trunstadt. Die liegt momentan auf dem dritten Rang in der Kreisklasse 1. Nach zuletzt fünf Siegen in Folge - alle, "was einen Torwart natürlich besonders freut", zu Null. "Wir haben einen sehr guten Lauf und ich habe meinen Wechsel von Burgebrach nach Trunstadt nicht bereut." Alexander Voran wollte einfach seine Einsatzzeiten, die in Burgebrach nicht garantiert waren. In Trunstadt ist er Stammspieler. Wo es in dieser Saison noch hingehen kann, "das wird man sehen, wir hoffen einfach, dass wir unseren guten Lauf noch ausbauen können.", so der Keeper zurückhaltend. Persönlich möchte er es "schon irgendwann einmal bis in die Bezirksliga schaffen."

Alexander Voran (Mi.) mit zweien seiner Düsseldorfer Mannschaftskameraden bei der Nationalmannschaft.

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"Als Torwart von hinten heraus alles im Blick"

Trotz seiner Hörschädigung. Beim Gehörlosen-Sport müssen die Hörhilfen den Regularien nach abgelegt werden, im Training oder im Spiel für Trunstadt zum Schutze der Hörsysteme zwangsweise dann, wenn es beispielsweise regnet. "Ab und an ist es schon so, dass es gerade dann zu Missverständnissen mit den eigenen Abwehrleuten kommen kann. So, wie bei der 1:2-Niederlage gegen die Post vor wenigen Wochen. Der gegnerische Stürmer profitierte und schob den Ball ins leere Tor." Aber das sind Dinge, die selten vorkommen und auch Hörenden immer mal wieder passieren. Prinzipiell "ist die Torwartposition natürlich ideal. Weil ich das ganze Spielfeld vor mir habe und überblicken kann." Begonnen hat Alexander Voran in der Schüler übrigens als Stürmer, als der Torwart der Mannschaft ausfiel wurde ein Nachfolger auf der Position gesucht, "seitdem stehe ich zwischen den Pfosten.", so der großgewachsene Student, dessen sportliches Vorbild Gianluigi Buffon ist, "wegen seiner Mentalität und seiner langjährigen Treue zu seinem Verein."

"Unsere Welt ist ziemlich klein"

Geschätzte 80.000 Gehörlose gibt es in Deutschland, das entspricht einem Anteil von etwa 0,1 Prozent an der Gesamtbevölkerung, verteilt über das ganze Staatsgebiet. Deshalb ist klar, was Alexander Voran meint, wenn er sagt: "Unsere Welt ist ziemlich klein! Man kennt sich, tauscht sich aus, unterstützt sich." Und so ist auch für ihn die Fahrt zu den Spielen seiner Düsseldorfer Gehörlosen-Mannschaft "ein Katzensprung". Der 21-Jährige spielte zwar auch in Bamberg in einer Mannschaft, die löste sich aus Personalmangel allerdings auf. "Und wir waren auch nicht besonders erfolgreich. Insgesamt ist der Gehörlosen-Fußball im Westen übrigens deutlich stärker als im Süden. Das mag an der höheren Bevölkerungsdichte liegen." Dennoch fand eines seiner einprägsamsten Spiele für die Bamberger GL-Mannschaft statt. "Es war im Pokal mit Bamberg gegen Ingolstadt, eine der besseren bayerischen GL-Mannschaften - und wir hatten bis dahin drei Jahre lang kein einziges Spiel gewonnen. Neunzig Minuten lang hielt ich, was zu halten war und wir schafften es gegen den haushohen Favoriten mit einem torlosen Remis in die Verlängerung. Umso bitterer, dass wir dann durch ein Eigentor verloren haben und ausgeschieden sind...! Aber dennoch: Das war ein Spiel, das man nicht vergisst." Alex Voran blieb den Bambergern trotz der Erfolglosigkeit treu, "weil das alles meine Freunde sind und ich mich wohlgefühlt habe." Erst nach der Auflösung der Mannschaft suchte er sich eine neue Herausforderung und wechselte nach Düsseldorf.

Alexander Voran stand bereits für die U21-Nationalmannschaft zwischen den Pfosten und war bereits bei zwei Lehrgängen der Herren-GL-Nationalmannschaft.

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Den Adler auf der Brust

Über den Gehörlosen-Spielbetrieb dort gelang Alexander Voran auch der Sprung in die Nationalmannschaft. Zunächst in die U21, mittlerweile wurde er auch zu einem Lehrgang der A-Nationalmannschaft nach Bochum berufen, der in dieser Woche stattfinden sollte, aufgrund der Corona-Situation allerdings abgesagt werden musste. 1 "Mein Torwarttrainer in Düsseldorf und bei der Nationalmannschaft ist Dirk Zimmermann, zu ihm habe ich ein sehr gutes Verhältnis und von der Zusammenarbeit mit ihm habe ich auch sehr profitiert.", so der Keeper über den 55-jährigen
Rekordspieler der Deutschen Gehörlosen-Nationalmannschaft und Europameister 2004, der mittlerweile auch als Torwarttrainer bei der U23 von Zweitligist Fortuna Düsseldorf im Einsatz ist.

"Mein großes Ziel sind die Deaflympics im nächsten Jahr in Brasilien!", erklärt Alexander Voran, weiß aber auch, dass die Durchführung dieser Veranstaltung aufgrund der momentanen Situation ebenfalls alles andere als sicher ist. Die U21-Heim-EM, die in Baunatal stattfinden sollte, konnte zum Leidwesen von Alexander Voran nämlich schon nicht durchgeführt werden.

"Ich muss lauter werden"

"Mein Trainer bei der Nationalmannschaft verlangt, dass wir regelmäßig spielen und trainieren, die Liga ist da erst einmal zweitrangig.", so Alex Voran, der sich damit auf die SpVgg Trunstadt in der Kreisklasse konzentrieren kann. Und zu seinen fünf Zu-Null-Spielen in sechs Einsätzen sollen dort noch weitere dazukommen. Dass er sich als
junger Keeper dabei immer noch verbessern kann und muss, das weiß Alexander Voran. "Meine langen Bälle, gerade die unter Druck, müssen besser, sicherer und genauer werden, dazu kann ich mich in Eins-gegen-Eins-Situationen noch besser verhalten.", gibt er zu. "Und ich muss für meine Mitspieler lauter werden!" Mit seiner Hörschädigung hat die fehlende Lautstärke übrigens nichts zu tun: "Ich bin einfach
noch zu zurückhaltend!" Was außerhalb des Platzes ein angenehmer Wesenszug ist, möchte er auf dem Platz also mehr und mehr ablegen.

Gelingt ihm das, wäre es ein weiterer Beweis dafür, wie anpassungsfähig Alexander Voran ist. Weil er es in seiner Situation auch sein muss. Im Sport, im Studium und im privaten Leben - und in einer Welt, die für Gehörlose eben ein wenig kleiner und deutlich stiller ist!