Vor dem Zweitliga-Start: Kickers-Damen wollen sich nicht verstecken - anpfiff.info
Artikel veröffentlicht am 01.10.2020 um 18:15 Uhr
Vor dem Zweitliga-Start: Kickers-Damen wollen sich nicht verstecken
Viele Fußballer, das lässt sich jetzt schon feststellen, werden das Jahr 2020 coronabedingt in unguter Erinnerung behalten. Doch es gibt Ausnahmen: Beim FC Würzburger Kickers hätten sie sich das Jahr aus rein sportlicher Sicht nicht schöner malen können. Sowohl die männlichen Profis als auch das Frauenteam der Rothosen schafften schließlich den Sprung in die 2. Bundesliga. Dort warten nun spezielle Herausforderungen.
Von Steffen Forstner
Wer vor der Saison auf einen Doppelaufstieg der Kickers-Herren und –Damen gesetzt hätte, der hätte sich in den letzten Wochen wohl einen satten Gewinn abholen dürfen. Denn wirklich rechnen konnte man damit nicht. Nun gut, die Männer hatten schon in den Vorjahren mit zwei fünften Plätzen eine ordentliche Rolle in der 3. Liga gespielt, mit den richtigen Feinjustierungen sind da schon mal noch höhere Weihen drin.  In der öffentlichen Wahrnehmung im Vergleich zu den Herren zwar vielleicht etwas unter dem Radar, kommt die Erfolgsstory, die die Damenmannschaft der Rothosen hinlegte, aber eigentlich noch bemerkenswerter daher. Denn die Kickerinnen schafften, noch als SC Würzburg Heuchelhof, den Durchmarsch von der Bayernliga in die zweithöchste deutsche Spielklasse.

Verdienter Aufstieg

Gernot Haubenthal
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Okay, die Damen profitierten in der wegen Corona abgebrochenen Regionalliga-Saison davon, dass die vor ihnen platzierten Teams aus Freiburg und Frankfurt nicht aufsteigen wollten beziehungsweise im Fall von Frankfurt nicht durften. So rückte das Team vom Heuchelhof als Drittplatzierter nach. Dass der Aufstieg nicht auf sportlichem Weg zustande kam, schmälert den Erfolg aus Sicht von Coach Gernot Haubenthal aber nicht. „Wir standen die ganze Vorrunde auf dem zweiten Platz und haben darüber hinaus sowohl Frankfurt als auch Freiburg geschlagen. Aus sportlicher Sicht ist der Aufstieg daher trotzdem verdient,“ sagt der erfahrene Übungsleiter über das vollbrachte Husarenstück.

Alleine das verdient schon höchste Anerkennung. Zusätzliche Aufmerksamkeit generierten die Frauen vom Heuchelhof aber auch durch die bereits Anfang des Jahres fixierte Zusammenarbeit mit den Kickers, unter deren Dach nun auch das Damen-Team organsiert ist. Haubenthal fühlt sich mit seinen Mädels hervorragend aufgenommen im neuen Klub. „Ich muss sagen, es ist ein sehr harmonisches Miteinander. Wir fühlen uns voll akzeptiert.“ Gemeinsame Aktivitäten von Männer- und Frauenmannschaft wie Fotoaufnahmen oder der Empfang der Doppelaufsteiger durch die Stadt Würzburg untermauern diesen Eindruck. „Sehr angenehm“ seien die letzten Wochen gewesen, beschreibt Haubenthal denn auch wenig überraschend sein Empfinden.

Der Trainer hätte selbstredend nichts dagegen, wenn dieser Zustand noch eine ganze Weile anhält. Dafür müssen sich seine Mädels aber alsbald  in der 2.Bundesliga Süd, die für die Kickers am Wochenende mit einer Auswärtspartie beim 1.FFC Niederkirchen startet, neu beweisen. Noch einmal „eine ganz andere Hausnummer“ komme da auf die Spielerinnen zu, prophezeit Haubenthal einen schweren Gang.  „Die Saison wird nicht einfach. Sich auf die neuen Anforderungen einzustellen, wird nicht von heute auf morgen gehen,“ sagt der Coach, der aus seiner Zeit beim ETSV Würzburg bereits über Erfahrung in dieser Liga verfügt.

Immer aktiv bleiben

Auf viele seiner Spielerinnen trifft das nicht zu, weshalb das Team um die montenegrinische Nationalspielerin Medina Desic mit anderen Pfunden wuchern muss. Taktische und personelle Flexibilität wären da zum Beispiel Schlagworte. „Wir wollen nicht so leicht ausrechenbar sein,“ erklärt Haubenthal. Deshalb teste er in der Vorbereitung Spielerinnen auf teilweise ungewohnten Positionen. Auch taktisch solle das Team in der Lage sein, auf unterschiedliche Spielverläufe zu reagieren. „Es wird darauf ankommen, variabel auf den einzelnen Positionen zu sein und jederzeit aktiv am Spiel teilzunehmen,“ betont Haubenthal. Aktivität betreffe dabei nicht nur den eigenen Ballbesitz, sondern beispielsweise auch die Umschaltbewegung nach Ballverlusten.

In den Testpartien klappte das bislang mal mehr, mal weniger gut. Einem 6:0-Erfolg gegen Bayernligist Greuther Fürth und einem 3:3-Remis gegen Weinberg standen Niederlagen gegen die U17-Jungs der JFG Kreis Würzburg Süd-West (2:4) und im Doppeltest gegen Erstliga-Absteiger Jena (0:2, 1:4) sowie gegen RB Leipzig (1:2) gegenüber. Die Resultate sind für Haubenthal in der Vorbereitung aber sekundär. Vorrangig gehe es für ihn darum, sich einzuspielen und Dinge auszuprobieren. Das Thema Einspielen gewinnt dabei noch einmal eine besondere Bedeutung, da sich gleich zehn neue Spielerinnen den Kickers angeschlossen haben, darunter auch zwei Amerikanerinnen sowie in Torfrau Hannah Johann eine deutsche U17-Nationalspielerin.

Wollen die zweite Bundesliga aufmischen: Theresa Damm sowie die beiden Neuzugänge Arianna Veland und Celia Kirbach.
Paul Zottmann

Haubenthal kennt sich im Frauenfußball aus

Dieser Umbruch will erst einmal bewältigt und die Neuzugänge ins Team integriert werden. Nicht nur sportlich, sondern vor allem auch menschlich, wie Gernot Haubenthal, der seiner Mannschaft einen Mittelfeldplatz zutraut („wir wollen auf jeden Fall nichts mit dem Abstieg zu tun haben“), betont. Probleme sieht er in puncto Integration nicht. Alle hätten sich super eingefügt und zögen in der Vorbereitung voll mit.

Wer, wenn nicht Haubenthal könnte einen solchen Prozess auch perfekt begleiten? Schließlich ist der Mann ein Alter Hase im Frauenfußball-Business. Seit zwölf Jahren trainiert er Damenteams und erzielte dabei überall – ob beim ETSV Würzburg (Aufstieg in die 2.Liga), TSV Frickenhausen (Aufstieg in die Bayernliga) oder eben jetzt beim SC Heuchelhof/Würzburger Kickers – sportliche Erfolge. Über seinen Beruf als Angestellter der Uni Würzburg und dort Zuständiger für den Hochschulsport kam Haubenthal einst zum Frauenfußball – und blieb. „Frauen sind sehr wiss-und lernbegierig. Sie setzen die Vorgaben ganz anders um. Bei Männern habe ich dagegen das Gefühl, dass vieles eingefahren ist. Die spielen halt ihren Stiefel runter, haben ihre Meinung und hinterfragen die nicht so,“ beschreibt der Übungsleiter, der vor Jahren bei der FT Würzburg auch eine Herrenmannschaft betreute, die aus seiner Sicht größten Unterschiede zwischen Männer- und Frauenmannschaften. Das weibliche Geschlecht, bei dem der Coach gerade in Sachen Handlungsschnelligkeit auf dem Platz noch reichlich "verborgenes Potenzial" sieht, sei offener, aber nicht weniger kritisch. „Denen kann man auch kein x für ein u vormachen,“ so Haubenthal mit einem Schmunzeln.

Gemeinsames Teamfoto mit der Kickers-Herrenmannschaft.
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Anstrengender Fußballzirkus

Dem Trainer selbst natürlich auch nicht. Dafür ist die Erfahrung und Reputation Haubenthals zu groß. Käme ein solcher Mann, der in Sachen sportliche Erfolge einen gut gefüllten Briefkopf hat, nicht auch als hauptamtlicher Coach infrage? Die Frage, ob es diesbezüglich Angebote von Vereinen im Frauenbereich gab, umschifft Haubenthal geschickt, sagt aber auch: „Wenn man Erfolg hat, denkt man grundsätzlich schon, dass man auch höhere Aufgaben bewältigen könnte.“ Ein solcher Schritt wolle aber wohl überlegt sein, gerade wenn man einen guten Beruf habe. Die Szene sei anstrengend und das Geschäft schnelllebig, was den Druck erhöhe. „Wenn du mit dem Fußball als Trainer Geld verdienst und dreimal verlierst, bist du halt auch schnell wieder weg. Das gilt dann aber auch für deine Stelle, die du vorher aufgegeben hast,“ beschreibt er das Dilemma. Sein Fazit: „Letztendlich ist Freude und Spaß am Fußball das Wichtigste.“

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