Dirk Schaefer im Interview: BFV muss auch für die kleinen Vereine da sein! - anpfiff.info
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Artikel veröffentlicht am 11.06.2020 um 15:44 Uhr
Dirk Schaefer im Interview:
BFV muss auch für die kleinen Vereine da sein!
Vor einer Woche startete Dirk Schaefer, Fußball-Abteilungsleiter beim FC Stein, eine Online-Petition zum Abbruch der Saison 2019/20 im bayerischen Amateurfußball. Mittlerweile wurde das angepeilte Ziel von 7500 Unterstützer längst überschritten. Wir haben mit dem 54-Jährigen über Hintergründe und Pläne im Interview gesprochen.
Von
Marco Galuska
Dirk Schaefer ist der Initiator der Online-Petition zum Abbruch der Saison 2019/20 im bayerischen Amaterufußball.
fussballn.de / Schlirf
Aus einer zwischenzeitlich als Flickenteppich beschriebenen Deutschland-Karte hinsichtlich des Amateurfußballs bleiben Bayern und Thüringen die Landesverbände, die fortsetzen wollen. Wie fühlt man sich da „am Webstuhl“?
Dirk Schaefer:
So groß ist der Flickenteppich in Deutschland ja gar nicht. Alle anderen Verbände in Deutschland haben zumindest den gemeinsamen Weg des Abbruchs der Saison 2019/2020 vorgeschlagen oder schon beschlossen. Nur eben die Verbände in Thüringen und insbesondere Bayern beharren auf einer Fortsetzung der Saison und treiben die Planungen hierfür nun auch kräftig voran. Das ist für uns, den FC Stein, aber auch für viele andere Vereine nicht nachvollziehbar.
Inwiefern?
Schaefer:
Eine Saison, die frühestens am 01.09.2020 fortgesetzt wird und dann bereits neun Monate unterbrochen sein wird, hat mit der angefangenen Saison nichts mehr zu tun. Es wird zu Wettbewerbsverzerrungen kommen, da manche Vereine aufgrund von Wechsel oder Karriereende einiger Spieler entweder gar keine Mannschaft, oder zumindest keine wettbewerbsfähige Mannschaft, mehr stellen können. Die durch die LAG getroffenen Regelungen zur Einführung einer dritten Wechselperiode können das definitiv auch nicht verhindern. Denn die werden eher noch zu Streitigkeiten zwischen den Vereinen führen. Der abgebende Verein muss demnach zwar dem Wechsel des Spielers zustimmen, aber wir wissen doch alle, dass bei entsprechender Zahlung einer Aufwandsentschädigung der Wechsel doch vollzogen werden kann. Und dadurch, dass diese Aufwandsentschädigungen eben nicht wie im Sommer festgelegt sind, werden die Preise dafür in die Höhe schießen. Sprich wer Geld hat, kann Wechsel vollziehen und wer nicht, der eben nicht. Aber nicht nur der FC Stein, sondern viele andere Vereine fühlen sich alleine gelassen mit dieser schwierigen Situation, die unter Umständen auch für einige Vereine das Aus bedeuten wird.
Die Online-Petition soll hier Abhilfe schaffen? Wie kam es dazu?
Schaefer:
Nach vorheriger Absprache in unserem Verein, aber auch nach dem Austausch mit einigen anderen Vereinen aus unserer Region haben wir diese Petition ins Leben gerufen. Es haben immer wieder Personen in Kommentaren in den Online-Portalen, aber auch in der Presse ihren Unmut über die Entscheidung des BFV geäußert. Zudem konnte ich auch aus persönlichen Gesprächen mit Spielern und anderen Vereinsfunktionären raushören, dass man mit dieser Entscheidung nicht zufrieden ist. Irgendwann hilft aber nur lamentieren nichts mehr, sondern man muss auch handeln. Von der Petition verspreche ich und wünsche ich mir in allererster Linie natürlich, dass der BFV umdenkt und seine Entscheidung revidiert. Dass dies sehr schwierig wird, weiß ich auch! Aber was wir auf jeden Fall erreichen werden, ist, dass der BFV wahrnimmt, dass sich insbesondere die kleinen Vereine nicht mehr alles gefallen lassen wollen und dass auch sie gehört werden, wenn es um solch weittragenden Entscheidungen geht.
Gab es ihrerseits in der Vergangenheit schon Reibungspunkte mit dem BFV?
Schaefer:
Nein, persönlich hatte ich noch keine Reibungspunkte mit dem BFV. Aber ich war schon des Öfteren mit Entscheidungen des BFV nicht einverstanden und auch da waren es immer Entscheidungen, wo ebenfalls viele Vereine nicht mit einverstanden waren, sich aber niemand zu Wort gemeldet hat. Ich möchte hier nur zwei Beispiele nennen. Zum einen die Abschaffung des Hallenfußballs als Verbandsturniere und die dafür eingeführten Futsal-Meisterschaften. Zum anderen ein Ereignis, das zwar schon etwas länger her ist, aber zumindest derzeit in einem Spielkreis wieder aktuell diskutiert wird. Hier handelt es sich um die Regelung, dass alle 2. Mannschaften im Punktspielbetrieb antreten müssen und nicht mehr in den vorher durchaus attraktiven Reserverunden. Auch das wurde damals gegen den Willen vieler Vereine beschlossen. Hier ist vieles verloren gegangen, weil es nur noch selten zu den Vorspielen kommt.
Zurück in die jüngere Vergangenheit. Wie bewerten sie rückblickend das BFV-Webinar aus dem April, das letztlich zum Meinungsbild und Entscheidung des Präsidiums geführt hat?
Schaefer:
Meiner Meinung nach war dieses Webinar, zumindest mit diesem Inhalt, viel zu früh angesetzt. Man hätte vorher Vorschläge der Vereine einholen sollen. Natürlich hätte man nicht alle Vorschläge berücksichtigen können, aber man hätte sicher eine bessere Auswahl präsentieren können als noch im April. Hier wurde einseitig der Vorschlag des BFV vorgestellt und beworben, während der Abbruch nur kurz angerissen wurde. Dieser lautete, ich kann das anhand der Folien noch belegen, „Abbruch / Annullierung“. Hiermit wurde dem Webinar-Teilnehmer wohl suggeriert, dass bei einem Abbruch die Saison annulliert wird. Das war gerade für die Vereine, welche die Tabelle klar anführen, überhaupt keine Option. Schon allein dadurch wurde die Abstimmung in eine bestimmte Richtung gelenkt. Zudem wurden damals noch keine Äußerungen zu etwaigen Wechseln getroffen und es war auch nie die Rede davon, dass die Saison 20/21 dann komplett entfallen wird.
Letztlich haben aber 68 Prozent der Vereine dem Verbandsvorschlag ihr „Ja-Wort“ gegeben, auch wenn die genauere Ausarbeitung erst später erfolgt ist, was man auch als Vertrauensbeweis sehen kann. Gehen Sie davon aus, dass heute – fast zwei Monate später – ein deutlich anderes Ergebnis herauskommen würde?
Schaefer
: Ja! Ich gehe davon aus, dass heute ein ganz anderes Ergebnis herauskommen würde, eben weil bei diesem Webinar Dinge nicht angesprochen wurden, die erst im Nachgang, ja sogar erst vor kurzem, also fast zwei Monaten nach diesem Webinar, beschlossen oder vorgestellt wurden.
Hat der BFV ihrer Meinung nach also „Angst“ vor einer neuen Abstimmung, weil dann ein anderer Weg zu gehen wäre?
Schaefer:
Ich weiß nicht, ob der BFV davor Angst hat. Aber ich glaube schon, dass der Verband auch aufgrund der Petition wahrnimmt, dass da einige Vereine und Spieler sowie Trainer unzufrieden sind. Neben den Vereinen, welche die Möglichkeit dem Fußballsport nachzugehen anbieten, sind nun mal die Spieler und Trainer die Hauptakteure und eigentlich die wichtigsten Personen bei unserem Sport. Eine erneute Abstimmung würde auf jeden Fall die Gefahr bergen, dass sie diesmal deutlich anders ausfällt. Zum einem, weil eben aufgrund der jetzt feststehenden Entscheidungen wie Wechselfenster und Saisonausfall 20/21 die Voraussetzungen anders sind, aber auch weil jetzt vielleicht gerade deswegen auch Vereine abstimmen würde, die damals gar nicht mitgestimmt haben. Die Abstimmungsbeteiligung lag damals bei 75 Prozent. Auf ein anderes Abstimmungsergebnis müsste man dann aber auch anders reagieren.
Wie bewerten Sie das Krisenmanagement des BFV, speziell die Einbeziehung der Gegner einer Saisonfortsetzung?
Schaefer:
Ein solches findet meiner Meinung nach nicht statt. Der BFV hat zwar in einem Bericht, in dem es um die Entscheidung die Saison 2020/21 ausfallen zu lassen geht, angegeben, dass man die Petition zur Kenntnis genommen hat und auch ernst nimmt, aber so wie weiter behauptet wird, dass man mit den Initiatoren im Austausch steht, davon kann keine Rede sein. Mit mir hat zumindest nach dem Einreichen der Petition kein Gespräch mehr stattgefunden. Aber eigentlich hätte, unabhängig von der Petition, dieser Austausch mit den Vereinen ohnehin schon vor den Webinaren im April erfolgen müssen.
Über 7.500 Unterstützer haben sich innerhalb einer Woche ihrer Petition angeschlossen. War die Reaktion bayernweit so zu erwarten?
Schaefer:
Nein, so eine große Resonanz hatte ich nicht erwartet! Mir war zwar bekannt, dass innerhalb Mittelfrankens viele Vereine unzufrieden sind, aber dass die Petition bayernweit so ein großes Interesse und eine solche Unterstützung erfährt, habe ich nicht gedacht. Dieser großen Anzahl der Unterstützer möchte ich auch an dieser Stelle herzlich danken.
Gab es schon eine Reaktion des BFV hinsichtlich der Petition?
Schaefer:
Am Tag, an dem in der Presse die Petition angekündigt wurde, hat der Bezirksvorsitzende Herr Habermann bei mir angerufen und hat mir versucht, den Standpunkt des BFV darzulegen und mich auch versucht zu überzeugen, dass dies der einzig richtige Weg sei. Ich habe ihm erklärt, dass ich, aber vor allem auch viele andere Funktionäre in anderen Vereinen das anders sehen und wir deshalb auch diese Petition starten. Seitdem gab es keinen Kontakt mehr zwischen mir und dem BFV.
Bei den Junioren wurde der Saisonabbruch zu Wochenbeginn bekannt gegeben. Wie bewerten Sie diese Lösung?
Schaefer:
Die Lösung, die für die Jugend getroffen wurde, ist eine sehr gute! Meiner Meinung nach wäre dieses Modell auch für den Herrenbereich praktikabel. Abbruch der Saison 19/20, eine großzügige Aufstiegsregelung nach dem Quotienten-Verfahren und dann Start in die Saison 20/21 mit veränderten Mannschaftsstärken in die einzelnen Ligen. Die Ligenanzahl müsste man dann eben einmalig für eine Saison erhöhen. Dadurch könnte man den Rahmenterminkalender entzerren und flexibel, je nachdem wann man die Saison wieder starten kann, diese auch zu Ende führen. Auf jeden Fall hätte man dann eine Saison, die zeitlich zusammenhängt und nicht über zwei Jahre gezogen ist.
Für die Regionalliga und Bayernligen hat der BFV mittlerweile aber auch eine Lösung der Fortsetzung gefunden, die auf breite Zustimmung der Vereine in der Liga gestoßen ist!
Schaefer:
Ja, das ist richtig! Bei der Regionalliga ging es da meiner Meinung nach nicht nur um sportliche Aspekte. Ich möchte aber über die weiteren Gründe hier nicht spekulieren. Den Bayernligisten wird mit einem „Zuckerl“ eine weitere Aufstiegsmöglichkeit über den Ligapokal angeboten. Die Frage ist, was macht man mit den weiter unter liegenden Ligen: auch zusätzliche Aufstiegsmöglichkeiten anbieten? Hat man dann für die Saison 2021/22 nicht auch völlig überfüllte Ligen? Das war doch einer der Gründe, warum der Verband die Saison 2019/20 nicht mit Aufstiegsregelung abbrechen will. Oder bietet man da völlig uninteressante Ligapokalwettbewerbe an, die zur Beteiligung am Pokalwettbewerb in der Saison 21/22 berechtigen? Was ist mit den vielen 2. Mannschaften? Alles das sind meiner Meinung nach Lösungen, die für die kleinen Vereine nicht attraktiv sind und die dazu führen werden, dass die Motivation bei den Spielern dieser Vereine sinkt, was letztendlich dazu führt, dass diese Spieler dem Fußball den Rücken kehren werden. Die Motivation ist bei vielen Spielern schon dadurch gesunken, dass sie eine „tote“ Saison, die schon jetzt seit über einem halben Jahr unterbrochen ist, fertig spielen sollen. Manche Mannschaften haben noch sieben oder acht Spiele. Die sollen nun von September bis April fertig gespielt werden? Und dazwischen Pokalwettbewerbe? Das sorgt nicht nur für Unlust beim Akteur, sondern lockt zudem keine Zuschauer hinter dem Ofen vor. Was dann über kurz oder lang dazu führt, dass manche Vereine abmelden müssen.
Die Kritik an Kritikern ist nicht nur etwas zu fordern, sondern auch etwas zu liefern. Wie würde Ihr Vorschlag lauten, um durch die Corona-Krise wieder auf einen gemeinsamen Nenner in eine hoffentlich dann reguläre Saison 2021/22 zu gelangen?
Schaefer:
Wie bereits erwähnt halte ich die Regelung, welche für die Jugend getroffen wurde, durchaus für ein umsetzbares Modell – auch im Herrenbereich. Notfalls muss sie eben in einigen Punkten verändert werden. Sicher besteht auch die Möglichkeit sich bei den anderen Verbänden, welche die Saison abbrechen, mal umzuhören. Da gibt es sicher auch einige gute Vorschläge. Auf jeden Fall würde man sich bei einem Abbruch das ganze Theater um ein drittes Wechselfenster sparen. Zudem könnten die Vereine ihre teilweise schon getroffenen Vereinbarungen mit Spielern und auch bereits geschlossenen Verträge mit Trainern problemlos einhalten.
Wann soll die Petition eingereicht werden?
Schaefer:
Nach Ablauf der Petition am 01.07.2020 soll diese an den BFV eingereicht werden. Ich hoffe, dass sich bis dahin noch einige Unterstützer einfinden werden – und dass der BFV vielleicht doch noch daran denkt, dass er auch für die kleinen Vereine da ist - und einlenkt.
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