100% sind nicht genug: Aus dem Garten in die Regionalliga - anpfiff.info
Artikel veröffentlicht am 31.03.2020 um 06:00 Uhr
100% sind nicht genug: Aus dem Garten in die Regionalliga
MAGAZIN Milena Oppelt als Spätstarterin zu bezeichnen ist noch reichlich untertrieben. Erst mit knapp 13 Jahren trat die im positiven Sinn „Besessene“ ihrem ersten Fußballverein bei. Der SV Wernsdorf sollte schließlich ihr Sprungbrett zu Höherem sein, denn inzwischen blickt die Frau mit ihrem eigenen Youtube-Kanal auf ihren ersten Einsatz in der Regionalliga beim Magdeburger FFC zurück.
Von Bernd Riemke

„Ich hatte es im Gefühl, dass ich Fußball spielen muss“, schildert Milena Oppelt rückblickend ihre Beweggründe im Sommer 2014 – immerhin bereits im Teeniealter – mit dem Bällefangen angefangen zu haben. Rollschuhfahren in frühester Kindheit oder schwimmen und gelegentlich schnorcheln. Die heute 18-Jährige hat viel ausprobiert, aber mehr und mehr wurde der heimische Garten in Litzendorf zu ihrer eigenen Arena. „Wir hatten das kleinste Grundstück im Dorf“ schmunzelt Mimi, für die zum Dribbeln auf dem Rasen zu wenig Platz blieb, weshalb sie kurzerhand die Hauswand als Mitspielerin umfunktionierte, schier endlos Bälle dagegen warf und schoss, um sich schließlich nach dem Abpraller zu hechten.

16 Spiele Anlaufzeit

Als Papa den kleinen Wirbelwind kurzerhand zu einem Training der U15 des SV Wernsdorf einlud, war es um die Nachwuchshüterin endgültig geschehen. Der über die Maßen ehrgeizige Youngster hechtete sich von der U17 zunächst in die 2. Mannschaft und kam nur deswegen auf eine beschauliche Anzahl an Einsätzen, weil sie sich zunächst eine Kapsel im Daumen riss – ausgerechnet für eine Torhüterin eine denkbar ungünstige Verletzung – und später mit akuten Problemen am Oberschenkel zu kämpfen hatte. Nach nur fünf Einsätzen in der Kreisklasse, drei Spielen in der Kreisliga und acht Auftritten in der Bezirksoberliga – von denen aufgrund der beschriebenen Blessuren einige sogar als Feldspielerin stattfanden – suchte Milena Oppelt auf eigene Faust eine neue Herausforderung.

In der U15 des SV Wernsdorf begann Milena Oppelt mit dem Fußballspielen.
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Fußball ist ihr Leben

„Hier kann ich meinen Traum leben und spiele jeden Tag Fußball“, sprudelt es erfrischend offenherzig aus der Senkrechtstarterin heraus, nachdem sie sich per Online-Fragebogen am Fußballinternat des Magdeburger FFC beworben hatte. Sehr kurzfristig wurde sie Anfang Juli 2019 zu einem dreitägigen Probetraining eingeladen, um Anfang August bereits ihre fränkischen Zelte abzubrechen und in die Landeshauptstadt Sachsen-Anhalts zu ziehen. Dass dort die Schule bereits wieder begonnen hatte, Mimi folglich nur ausgesprochen kurze Sommerferien genießen konnte und sie sich auf ihr bevorstehendes Abi nun zwischen zwei Trainingseinheiten pro Tag vorbereiten muss, nötigt der „Auswanderin“ nur ein müdes Lächeln ab. Schließlich tut sie in der Stadt des Hundertwasserhauses und des Jahrtausendturms das, was ihr bei weitem am meisten Spaß macht. „Auf diesem Niveau hier dreht sich alles um Fußball“ schwärmt die 18-Jährige, die sich beim drittklassigen Regionalligisten auf Anhieb pudelwohl fühlte und nach zunächst zwei Einsätzen in der Reserve in der Verbandsliga im Herbst endlich ihr Debüt in der 1. Mannschaft gab.

Der lange Weg nach oben

Auch dieses meisterte sie mit Bravour und feierte mit ihren Damen einen souveränen 3:1-Erfolg gegen Bischofswerda. Ob sie am Gegentor selbstverständlich chancenlos gewesen sei? „Natürlich!“, lacht Oppelt, die anschließend dennoch selbstkritisch analysiert, nicht ganz unschuldig am letztlich bedeutungslosen Ehrentreffer für die Gäste gewesen zu sein. „Ein scharfer Ball wurde halbhoch zu mir zurückgespielt. Ich wollte ihn nicht rausschlagen, bei der schwierigen Annahme ist er mir aber ein Stück zu weit abgetropft, so dass die Stürmerin profitieren konnte“, schildert Oppelt, die aus kleinen Fehlern jedoch gestärkt hervorgeht. Mit schier unnachgiebigem Ehrgeiz und nicht enden wollendem Fleiß arbeitet sie an sich und ist selbstbewusst genug, um zu wissen, dass sie auf der Linie ausgesprochene Stärken hat, das Mitspielen jedoch zweifelsohne noch verbesserungswürdig ist. Und genau deswegen hat sie den Sprung drei Ligen nach oben auch gewagt. „Das Spiel ist viel schneller. Das Training oft anstrengend, aber ich möchte mindestens auf diesem Level hier spielen. Dafür nehme ich einiges in Kauf“, so Oppelt, die mit ihrem Team unlängst in der Halle Nordostdeutscher Futsal-Meister wurde und mittelfristig mit dem Magdeburger FFC die Rückkehr in das Bundesliga-Unterhaus anpeilt.

Gut sechs Jahre später darf sich die Fränkin (unten ganz links) Nordostdeutsche Futsal-Meisterin 2020 nennen.
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Der eigene Youtube-Kanal

Dort würde sie zwangsläufig zunehmend in den Mittelpunkt rücken. Ganz so, wie sie es auf ihrem eigenen Youtube-Kanal mit immerhin gut 2700 Abonnenten ohnehin schon tut. Auf keeperTV nimmt Mimi Oppelt die Zuseher mit zu Tutorials, wie man sich in der spielfreien Zeit als Torwart selbst fit halten kann, kreiert Challenges wie das beliebte Lattenschießen, testet neue Torwarthandschuhe oder gewährt einen intensiven Blick in die Sporttasche einer aufstrebenden Nachwuchsfußballerin. Es fehlt eigentlich nur ein Beleg in bewegten Bildern während des Speedcubings. Diese magischen Zauberwürfel löst Milena Oppelt zwar eher zum angenehmen Zeitvertreib, „doch die Schulung der Auge-Hand-Koordination wirkt sich vielleicht auch positiv auf mein Torwartspiel aus“, sinniert die 18-Jährige, die dann ihrer Traumschlagzeile wieder einen Schritt näher gekommen wäre: „Oppelt hält drei Punkte fest!“, darf dann nach einem wichtigen Spiel die Tageszeitung getrost in großen Lettern titeln. Der unbedingt Wille dies zu Erreichen treibt das 18-jährige Torwarttalent unnachgiebig voran und das ist sicher nicht die schlechteste Eigenschaft, um hoch gesteckte Ziele zu erreichen. Das wusste im 20. Jahrhundert auch schon die US-amerikanische Präsidentengattin Eleanor Roosevelt, die mit folgenden Worten zitiert wird: „Die Zukunft gehört denen, die an die Wahrhaftigkeit ihrer Träume glauben.“ Für Milena Oppelt kann es eine goldene Zukunft werden.

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Steckbrief M. Oppelt

Milena Oppelt
Spitzname
Mimi
Alter
23
Geburtsort
Bamberg
Wohnort
Litzendorf
Nation
Deutschland
Größe
172 cm
Gewicht
58 kg
Beruf
Schüler
Hobbies
Fußball, Speedcubing, Schwimmen, YouTube
Starker Fuß
Rechtsfuß
Lieb.-Position
Torwart


Auf ein Wort...

Wenn ich ein Tier wäre, wäre ich mein Rottweiler Bodo, denn dem könnte es auf der Welt nicht besser gehen. 

Mein Aberglaube: Ich rede mir immer ein, dass ich gar keinen habe. Aber ich muss schon immer linken Handschuh immer zuerst anziehen. In einem Spiel gegen Oberkotzau erhielt ich eine rote Karte. Da trug ich ein grünes Unterziehshirt. Das wollte ich danach nicht mehr anziehen.

Auf Instagram poste ich Bilder vom Fußball, von  meinen Freunden und meinem Hund. Ich versuche schon eine gewisse Regelmäßigkeit reinzubekommen, dieses Vorhaben hält meist aber nicht lange.

In meiner Handtasche habe ich immer ein Ladekabel und meine Kopfhörer dabei. Und ein von mir selbst entworfenes Kissen von mir und meinem ersten Haustier, einem Meerschweinchen. Wenn ich nach Hause nach Litzendorf fahre, habe ich außerdem immer Fußballschuhe dabei, denn es vergeht kein Tag ohne Fußball.

Die Apps, die ich regelmäßig checke sind tatsächlich Instagram und whatsApp. Das nutze ich meist zur Kommunikation mit meinen Eltern Es ist aber insgesamt deutlich weniger geworden, da ich meine Freunde hier täglich in der Schule oder beim Training sehe.

Der SV Wernsdorf

… ist meine zweite Familie gewesen. Wenn ich zu Hause bin komme ich auch zum Training, weil ich den Bezug nicht verlieren möchte. Ich versuche in jedem Fall Kontakt zu halten, weil es mir schon schwer fiel, den SV Wernsdorf zu verlassen. Bedanken möchte ich mich ausdrücklich bei meinem ehemaligen Torwart-Trainer Patric Wiegert, dem ich sicher viele graue Haare gekostet habe. Er hat mich weit gebracht – auf und neben dem Platz.

Das sagen ihre Wegbegleiter

Kristin Payne
(Spielführerin SV Wernsdorf)
Mimi ist sehr ehrgeizig und arbeitet ständig an sich selbst. Ihr Herz schlägt zu 100% für den Fußball und das Torwart-Sein ist ihre Leidenschaft. Sie hat nicht nur im Training immer 100% gegeben, sondern sich auch in ihrer Freizeit ständig mit dem Thema Fußball auseinandergesetzt und versucht ihr Wissen zu erweitern.
Anna-Maria Lamm
(Mitspielerin SV Wernsdorf)
Mimi war anfangs immer sehr schüchtern und hat selbst nie gesehen, wie gut sie eigentlich in ihren jungen Jahren schon war. Oft stand ihr genau diese Unsicherheit im Weg. Umso mehr freut es mich für sie, dass sie den Schritt gewagt und sich getraut hat nach Magdeburg zu wechseln - auch wenn sie uns natürlich zwischen den Pfosten, vor allem aber als Mensch fehlt. Mimi war immer sehr fleißig, hat viel trainiert und wollte sich immer verbessern. Sie hat es sich verdient in einer hohen Liga mitzuspielen.
Patric Wiegert
(ehemaliger Torwarttrainer)
Dass sie jetzt so weit gekommen ist, verdankt sie ihrem extremen Willen und ihrem Ehrgeiz - und ich verdanke ihr viele graue Haare. Wir haben mit den Keepern teilweise fünfmal pro Woche trainiert und sie hat trotzdem zusätzlich etwas gemacht und sich u.a. in den Ferien in Torwartschulen angemeldet, um bloß keine Pause zu haben. Sie hat auch alle Einheiten aufgenommen, was die Arbeit enorm gepusht hat, da wir jede Kleinigkeit analysieren und so auch verbessern konnten. Leider ist ihr Ehrgeiz auch ihre größte Schwäche. Sie kann ihrem Team mit zehn Weltklasseparaden den Allerwertesten retten, aber ein kleiner Fehler nagt eine ganze Woche an ihr. Auch wenn sie manchmal zurückhaltend scheint, würde sie sich für ihr Team Arme und Beine ausreißen. Das Mädel will einfach nur Fußball spielen. Dass sie so weit gekommen ist, davor habe ich größten Respekt und ich wünsche ihr alles erdenklich Gute für die Zukunft. Es macht mich verdammt stolz, sie jetzt in Magdeburg zu sehen.


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