Hammer-gute Saison: Julia Simic stürmt die Super League - anpfiff.info
Artikel veröffentlicht am 14.01.2019 um 10:00 Uhr
Hammer-gute Saison: Julia Simic stürmt die Super League
MAGAZIN FC Bayern, Turbine Potsdam, VfL Wolfsburg, SC Freiburg. Julia Simic spielte für zahlreiche Topvereine in der Bundesliga. Seit einem halben Jahr kickt sie auf der grünen Insel für West Ham United und hat sich auf Anhieb bestens akklimatisiert. Wie stolz sie auf eine Auswechslung war, welcher Sucht sie erlegen ist und welcher Umstand einer Modelkarriere im Weg stand, erzählt sie im anpfiff-Porträt der Woche.
Von Bernd Riemke

Frau Simic, Sie haben im Sommer mit dem Wechsel nach England auch ein stückweit einen Schritt in eine ungewisse Zukunft getan. Einen, den Sie offensichtlich nicht bereut haben, denn Sie wirken ausgesprochen gelöst und zufrieden.
Julia Simic: Das ist auch tatsächlich so. Ich bin sportlich und persönlich richtig angekommen in London. Ich spiele in einer tollen Mannschaft mit starken Charakteren und habe zudem selten so viel Vertrauen von einem Trainer erfahren, wie hier von Matt Beard bei West Ham. Wohin auch immer meine Reise noch geht, das Abenteuer England ist ein schöner Abschluss meiner Karriere.

Ihr Vertrag läuft noch bis Sommer 2020. Dann werden Sie 31 Jahre jung sein und beinahe die Hälfte Ihres Lebens professionell Fußball gespielt haben…

Julia Simic: Es ist vor allem ein Alter, in dem viele Frauen schon aufgehört haben. Es kommt irgendwann auch die Entscheidung, sich beruflich ein Standbein für die Zukunft aufzubauen und womöglich eine Familie zu gründen. Das ist schwierig, wenn man noch auf diesem hohen Niveau Fußball spielt. Daher ist mein grober Plan schon, dass das hier meine letzte Station sein wird, aber ich mag den Fußball auch zu sehr, um konkret sagen zu können, dass ich definitiv im nächsten Jahr Schluss mache.

Da spielt sicher auch der Faktor Gesundheit eine Rolle. Sie spielen derzeit endlich wieder eine bislang völlig verletzungsfreie Saison
.
Julia Simic: Mir geht‘s auch gut. Das war in der Tat schon anders, aber es ist auch nicht so, dass ich plötzlich keine Schmerzen mehr habe. Ich muss schon einiges dafür tun, um immer wieder einsatzfähig zu sein. An den trainingsfreien Tagen mach ich selber viel hinsichtlich Muskelaufbau und Stabilisierung rund ums linke Knie.

Enge Ballführung, schnelle Finten! So begeistert Julia Simic die Fans von West Ham United.
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Das scheint sich bezahlt zu machen. Sie standen in allen elf Pflichtspielen von Beginn an auf dem Rasen und haben sieben Scorerpunkte für sich verbuchen können.
Julia Simic: Der Trainer denkt sehr offensiv. Das ist sicher auch ein Pluspunkt für mich, weil ich viele Freiheiten genieße und nicht jeden Weg in die Defensive mitgehen muss – obwohl ich in den ersten Spielen sogar als holding midfielder (defensiver Sechser) aufgeboten war. Ausgewechselt wurde ich in der Tat nur, wenn ich leicht angeschlagen oder gelb/rot gefährdet war.

Gelb/Rot gefährdet?

Julia Simic (lacht): … und darauf bin ich sogar stolz. Ich habe für ein richtig gutes englisches Foul die gelbe Karte bekommen und nach zwei bis drei weiteren Regelwidrigkeiten musste mein Trainer mich dann in der 60. Minute runternehmen.

Definieren Sie bitte ein „richtig gutes englisches Foul“…

Julia Simic: England ist härter. Hier passieren zum Teil echt Fouls, da kann ich gar nicht hinschauen. So ist mein Spiel aber auch automatisch physischer geworden. Ich war früher nie eine Spielerin, die viel gegrätscht hat. Jetzt tue ich das ab und zu auch mal. Auch mein Trainer sagt, er habe das Gefühl, dass ich hinsichtlich der Physis inzwischen im englischen Fußball angekommen sei.

Sind Ihnen dafür Ihre eigenen Tore wichtig? Zuletzt gelang Ihnen sogar ein Doppelpack…
Julia Simic: Ich war schon immer eher Vorlagengeber als Vollstrecker – und bin damit auch sehr zufrieden. Ich habe aber auch nichts dagegen, wenn ich selbst mal das Tor treffe (schmunzelt). Ich bin auch oft diejenige, die den dritten Pass vor dem Tor spielt und somit schon an Aktionen beteiligt, die Treffer einleiten. Trotzdem ist man natürlich zufriedener, wenn als Offensivkraft am Ende etwas Zählbares in der eigenen Statistik steht, denn beim Fußball zählen nun einmal Tore und keine Passquoten.

Worin sehen Sie denn die größten Unterschiede zwischen der FA Women Super League und der Deutschen Bundesliga?

Julia Simic: Auf jeden Fall in der Physis. Außerdem geht das Spiel direkter auf das gegnerische Tor zu. Wenn sich die Möglichkeit bietet nach vorne zu spielen, dann spielt man auch nach vorne. Dass sich Mannschaften nur hinten reinstellen, gibt es eigentlich nicht. Es geht hin und her, das Spiel ist insgesamt mutiger und risikoreicher. Das führt zwar auch dazu, dass man teilweise in heftige Konter läuft, aber für mich als attacking midfielder (offensive Mittelfeldspielerin) ist die Spielweise positiv, weil ich mehr Ballbesitz und mehr Zeit am Ball habe.

Da geht's lang! Julia Simic ist als offensive Mittelfeldspielerin eine, die den Ton angibt.
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Und wie ist es um die öffentliche Wahrnehmung bestellt? Auffällig ist, dass die großen Clubs auch bemüht sind, eine Frauenmannschaft in der FA WSL zu etablieren.
Julia Simic: Das ist vergleichbar mit der Bundesliga. Mehr als 1000 Zuschauer kommen auch hier nicht ins Stadion – ausgenommen sind Topspiele wie gegen Chelsea als wir vor 2000 Fans gespielt haben. Allerdings wird von medialer Seite her der Frauenfußball viel mehr ins Rampenlicht gerückt. Während deutsche Frauenmannschaften vom Standing her oft noch hinter den Jugendmannschaften rangieren, stehen wir in England viel mehr im Fokus.

Das drückt sich vor allem durch mehr TV-Präsenz aus?

Julia Simic: Zum Teil. Vor allem ist es hier aber so, dass wir Frauen viel mehr in den Verein integriert sind und auch die vorhandenen Strukturen nutzen. Während wir in Freiburg bei gefrorenem Trainingsplatz durch die halbe Stadt fahren mussten, um auf einem Kunstrasen spielen zu können, nutzen wir hier wie selbstverständlich gemeinsam das Gym oder besuchen zusammen mit den Männern Marketing- und Charity-Veranstaltungen.

Sie haben in München und Berlin gelebt. Zuletzt ging es vom Breisgau in die Millionenmetropole an der Themse. Haben Sie Ihren persönlichen „place to be“ schon gefunden?
Julia Simic: Ich mache zweimal in der Woche eine Art Praktikum in einem modernen Rehazentrum in der Oxford Street. Das ist zentral gelegen, direkt in der City. Morgens um 6.30Uhr mit der Underground in der Rush-Hour zu fahren, ist schon geil.

Sie sind studierte Sportwissenschaftlerin. Ist so ein Praktikum dann schon der erste Schritt in das Leben nach der Karriere, wie Sie es eingangs haben anklingen lassen?

Julia Simic: Ich möchte dem Fußball nach der eigenen Karriere gerne verbunden bleiben. Natürlich nutze ich die Möglichkeit, Kontakte zu knüpfen. Ich kann mir auch gut vorstellen, in der Trainingstherapie zu bleiben und Sportler auf ihren letzten Schritten der Reha zu begleiten.

Nicht nur ihre fränkischen Fans werden hoffen, dass die eigenen letzten Schritte der aktiven Karriere von Julia Simic noch länger als eine weitere Spielzeit auf sich warten lassen. In der aufstrebenden FA Women Super League rangiert West Ham United nach elf Spieltagen in einer Liga mit elf Mannschaften auf einem guten sechsten Rang und kann sich bei 16 Punkten und einem Torverhältnis von 16:19 vor allem auf eines verlassen: die Scorerpunkte ihrer German Lady, die an beinahe der Hälfte aller Treffer direkt beteiligt war.

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Steckbrief J. Simic

Julia Simic
Spitzname
Sici
Alter
35
Geburtsort
Fürth
Wohnort
Mailand
Nation
Deutschland
Größe
162 cm
Beruf
Fußball-Profi
Hobbies
Hund Coco, Musik, Freunde, Shoppen, Lachen
2006 U18 Länderpokalsieger

2007 U19 Europameisterin

2008 U20 WM Bronzemedaille

2009 Vizemeister FC Bayern München

2011 Supercup Sieger FC Bayern München

2012 DFB Pokalsieger FC Bayern München

2014 DFB-Hallencup Sieger und Champions League Halbfinale mit FFC Turbine Potsdam.

2015, 2016 und 2017 DFB-Pokalsiegerin mit VfL Wolfsburg

2017 Deutsche Meisterin mit VfL Wolfsburg.

140 Bundesligaspiele (39 Tore)
15 Einsätze DFB-Pokal (5 Tore)
19 Champions-League Einsätze (6 Tore).
2 Länderspiele (A-Nationalmannschaft).

16 Einsätze FAWSL für West Ham United (2 Tore)

4 Einsätze Serie A für AC Milan.

Stand: 01.07.2021


Mein erstes Mal

Die erste App, die ich morgens öffne ist whatsapp, um meine Nachrichten zu checken. Da wir in London eine Stunde Zeitverschiebung haben, habe ich aus Deutschland meist schon die ersten Nachrichten, wenn ich früh aufwache.

Mein erstes selbst verdientes Geld bekam ich tatsächlich nachdem ich im Alter von 16 Jahren meinen Vertrag beim FC Bayern unterschrieben habe. Allerdings war ich mit elf schon einmal für einen befreundeten Fotografen Model gestanden. Ich kam auf die Verpackung eines Tischkickers und in den ALDI-Katalog für Klamotten. Das hatte richtig Mobbing-Potenzial (lacht).

Mein erstes Fußballposter an der Wand war David Beckham. Ich habe einen ganzen Kalender mit Bildern von ihm von einer Klassenkameradin geschenkt bekommen.

Mein erster Klingelton (überlegt lange) war die Titelmelodie von Bonanza auf meinem Nokia-Handy.

Bei meinem ersten Mal in der West Ham-Kabine
war ich richtig nervös, fast schon schüchtern. Natürlich haben alle englisch gesprochen, aber teilweise viel zu schnell. Ich saß nur da und habe meine Mitspielerinnen angestarrt, um zu verstehen, was sie sagen.

Mein erstes Interview auf englisch
habe ich The Guardian gegeben. Ich musste nur einmal nachfragen, ob er die Frage wiederholen kann. Ansonsten kann ich mich im Fußball-Terminus schon ganz gut ausdrücken.

Meine erste englische Floskel ist wohl gym oder lunch. Wenn ich eine Woche nur mit meinen Mädels verbracht und englisch gesprochen habe, muss ich manchmal schon über den Satzbau im Deutschen nachdenken. Mein englisch ist wohl auch am Freitag besser als am Montag, wenn ich das Wochenenden mit Freunden aus der Heimat verbracht habe. Ich warte eigentlich nur noch darauf, dass ich mal auf englisch träume...

Entweder...oder

Kraft oder Ausdauer
Ausdauer! Ich war nie die, die im Gym die meisten Gewichte gestemmt hat. Dafür war es immer meine Stärke, im Spiel viel zu laufen. Meine Trainer würden sich sogar freuen, wenn ich einfach mal stehen bleiben würde (schmunzelt), aber ich versuche immer eine Lücke zu finden und brauche daher für meine Position eine gute Ausdauer.
Bundesliga oder FAWSL
Im Moment die Super League, weil sie professionell ist. Alle Spielerinnen können dort vom Fußballspielen leben und sind finanziell abgesichert. Dazu stimmen die Rahmenbedingungen von den Spielfeldern bis zu den Umkleiden oder der Spielanalyse.
Ada Hegerberg oder Martin Solveig
Natürlich Ada Hegerberg. Als der Journalist sie bei ihrer Wahl zur Fußballerin des Jahres zum twerken bitten wollte, war das vielleicht sogar lustig gemeint. Am Ende wurden ihre Leistung und die Anerkennung derselben aber wieder zunichte gemacht, weil jeder nur noch über den respektlosen Kommentar gesprochen hat. Ich fand das auch herablassend und denke, dass Martin Solveig zurecht dafür kritisiert wurde. Hier geht es auch um den Respekt, den man Frauen gegenüber und Ada Hegerberg im Besonderen in diesem Fall für ihre herausragenden Leistungen zollen sollte.
Instagram oder Facebook
Instagram, weil das inzwischen die neue Social Media Plattform für den alltäglichen Bedarf für jedermann ist. Es ist einfacher zu bedienen als Facebook und spricht die Sprache der Bilder und Fotos. Instagram zu checken und aktualisieren hat Suchtcharakter ? und da schließe ich mich mit ein. Wenn ich ehrlich bin, checke ich bestimmt bis zu zwanzig Mal am Tag mein Instagram. Das ist mittlerweile einfach so eine (schlechte) Gewohnheit in jeder freien Minute, in der ich das Handy in der Hand habe, auf Instagram zu schauen.

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