Einwurf - die WM-Glosse (3): Was wir von der WM übernehmen können - anpfiff.info
Artikel veröffentlicht am 12.07.2018 um 13:30 Uhr
Einwurf - die WM-Glosse (3): Was wir von der WM übernehmen können
MAGAZIN Meist setzt ein Großereignis wie die Fußball-WM auch klare Trends. So auch diejenige in Russland. Diese Trends gilt es zu erkennen und sie - wenn möglich - auch auf andere Bereiche zu übertragen. In diesem Fall geht es darum, was der Amateurfußball an Entwicklungen für sich übernehmen kann - und was eben nicht. Hier der Überblick über das Machbare und Sinnvolle auf Kreisebene!
Von Markus Schütz
Bedeutung der Standards nicht übertragbar 

Auffallend an dieser WM ist in sportlicher Hinsicht, dass viele Tore auf Standards fallen - von den ersten 51 Treffern waren das 24. Der Grund ist, dass die meisten Mannschaften aus dem Spiel heraus wenig zulassen - und dass Standards relativ einfach einzuüben sind. Eigentlich...! Auf Kreisebene sieht das schon anders aus, denn meist haben die potenziellen Ecken- oder Freistoßschützen, die Abnehmer und/oder der Torwart - wie es der Teufel will - komplett verschiedene Schichtmodelle oder sind anderweitig (ein kleines Wort, das sehr viel abdecken muss...) verhindert. Und sind so kaum gleichzeitig beim Training. Zudem ist es im Amateurfußball leider oft so, dass gerade die längsten Spieler nicht richtig köpfen können...

Verkabelte Trainer auf der Tribüne

Zum ersten Mal bei dieser WM zulässig: Die Chef-Trainer am Spielfeldrand und Mitglieder des Trainerteams auf der Tribüne sind miteinander verkabelt. Hier ein eindrucksvolles Beispiel, wie das ablaufen kann: Auf der Tribüne erkennt irgendeiner aus dem Trainer-Team, nennen wir ihn einfach mal Urs, dass Mexiko anders spielt, als erwartet. Er sendet das nach unten auf die Trainerbank, die Info wird an Jogi Löw weitergereicht - und der lässt einfach alles so, wie es ist... 
Aber ganz unabhängig vom Nutzen dieser Entwicklung, scheitert die Umsetzung im Amateurbereich schon an den Möglichkeiten. Nicht, weil die Headsets oder Tablets zu teuer wären, sondern es gibt auf Kreisebene kaum Tribünen, von denen man einen höheren und damit besseren Überblick hätte. Und wenn es sie gäbe, wäre das einzige, was den meisten Trainern auffallen würde: "Die Spieler wirken auf den ersten Blick irgendwie kleiner von hier oben..." Vielleicht hat der Urs gegen Mexiko ja aber auch nur genau diesen einen Satz geschickt. Wer weiß das schon. 

Überwachung der Vorbereitung der Spieler

Im Ansatz absolut empfehlenswert auch und gerade für die Kreisebene, ist das, was die deutschen Verantwortlichen im WM-Quartier in Watutinki machten: Sie sperrten den Spielern das WLAN, damit diese nicht bis spät in die Nacht an der Konsole saßen. Denn bekannter Maßen ist ausreichend Schlaf vor einem Spiel wichtig, wohlgemerkt vor, nicht während eines Spiels! Aber solche erzieherischen Eingriffe haben schließlich eine lange Tradition bei deutschen Nationalmannschaften, wie der von Sepp Herberger überlieferte Ausspruch bestätigt: "Hans, trinken sie nicht so viel, in acht Wochen haben wir ein schweres Spiel in Brüssel gegen Belgien!" Wie sich die Zeiten (oder besser die Zeitangaben) doch geändert haben... Heute muss der Trainer in der Bar auf der Kerwa des Nachbarortes zum Spieler sagen: "Kevin, trink nicht so viel, wir haben in acht Stunden ein schweres Spiel..."

Weiterkommen über die Fairplay-Wertung

Die Japaner sind bei der WM über die Fairplay-Wertung weitergekommen. Was für die stets höflichen Asiaten nicht ungewöhnlich und eine freudige Tatsache gewesen ist, würde bei der Anwendung im Amateursport manch altgedientem Knochenpolierer höchstens folgenden Spruch entlocken: "Was, wir sind über die Fairplay-Wertung weiter? Da schämst dich ja zu Tod'..."

Geldstrafen liegen im Trend

Wer nicht hören will, muss fühlen! Die FIFA setzte diesen Leitspruch bisher konsequent um - und verhängte Geldstrafen. Dass dies auch bei kleineren Vereinen oft Wirkung zeigt, ist mit den bekannten Strafenkatalogen, die in den Kabinen aushängen, ja bekannt. Achten Sie dabei aber auf das richtige Maß und eine gewisse Verhältnismäßigkeit. Eben so, wie es die FIFA... naja, zumindest versuchte. Ein provozierender Jubel vor der gegnerischen Bank kostete da schon mal mit etwa 5000 Franken genauso viel, wie wenn ein Trainer bei einer offiziellen Pressekonferenz einen Schiedsrichter vor das Kriegsverbrecher-Tribunal nach Den Haag wünscht. 14 Mal so teuer wird es dann schon, wenn Sie, wie die Kroaten während des Spiels "nicht autorisierte Getränke" zu sich nehmen. Und dabei handelte es sich nicht etwa um Slibowitz. Ebenfalls 70000 Franken mussten die Schweden zahlen, weil sie die falschen Leggins anhatten. Und dabei handelte es sich nicht etwa um zwei verschiedenfarbige Strümpfe, wie bei ihrer berühmten Landsfrau Pipi Langstrumpf. Dieses Verhältnis wäre in etwa so, als würde ein Kreisklassen-Verein für das Furzen in der Kabine 100 Euro von seinem Spieler verlangen - und bei einer roten Karte für eine Tätlichkeit mit sechs Spielen Sperre eine vereinsinterne Strafe von nur fünf Euro festsetzen... 

Audio- statt Video-Beweis...!

Eine zwar nicht rundum, aber insgesamt doch gelungene Neuerung bei einer Weltmeisterschaft ist der hierzulande bereits bekannte Video-Beweis. Hier sind aufgrund der extrem hohen Kosten aber für den Amateurbereich ganz klare Grenzen gesetzt. Deshalb schlagen wir den sogenannten Audio-Beweis vor! Er wäre eine enorme Erleichterung für die Schiedsrichter und vor allem sind die Kosten überschaubar. Deshalb sind wir sicher, der Audio-Beweis wird sich auf kurz oder lang im Amateurbereich durchsetzen, weil dadurch bislang ungenutztes und brachliegendes, geballtes Wissen gewinnbringend eingesetzt werden kann.

Wie könnte er aussehen? Ganz einfach: Bei jedem Verein gibt es (mindestens) den einen, der immer sofort alles sieht und weiß. Den, der sowieso keine Zeitlupe braucht, sondern unmittelbar erkennt, was los ist, was los war und sogar, was los sein wird. Für die Vereine gilt es nun, diesen einen geeigneten Zuschauer zu finden. Das dürfte nicht allzu schwer sein. Zu erkennen ist er an einem meist vor Aufregung leicht geröteten Kopf und einer durchdringenden Stimme. Er ist häufig im fortgeschrittenen Alter und hat selbst mehr in der Zweiten Mannschaft des Vereins und dort eher ohne großen Erfolg gespielt. Dennoch und ungeachtet dessen, tritt er mit einem hohen Selbstbewusstsein auf, in der sicheren Gewissheit, dass ihn die heutige, von ihm gerne kritisierte Spielergeneration nicht mehr selbst hat spielen sehen. Deshalb kann er leicht erzählen von seiner Zeit und beginnt dabei immer, wie Horst Hrubesch sagen würde, mit einem einzigen Wort: "Also wir früher..." In der Regel hat er seinen festen Platz am Spielfeldrand und ist umringt von Gleichgesinnten, die seine Wahrheiten im Idealfall mit leichter zeitlicher Verzögerung ebenfalls lautstark wiederholen und ihnen damit noch mehr Tragweite und Bedeutung geben. Es gibt aber auch die Ausprägung desjenigen, der rastlos um das Feld herumtigert. Schließlich sollen seine Ansichten allen Zuschauern zugute kommen. Viele Vereinsverantwortliche wissen jetzt sicher, wen ich meine! Und jetzt: Verkabeln sie den einfach! 

Über Sprechfunk dann mit dem Schiedsrichter verbunden, bekommt der Referee sofort und in Echtzeit die unfehlbaren Einschätzungen mit und kann sie unmittelbar umsetzen und auf dem Feld anwenden. Gibt es in ganz seltenen Fällen doch einmal gewisse Zweifel oder Verständigungsprobleme, dann unterbricht der Schiri einfach das Spiel und deutet mit den Zeigefingern der linken und rechten Hand gleichzeitig auf seine Ohren (das Zeichen für Spieler und Zuschauer, dass jetzt gerade der Audio-Beweis läuft) - und hört sich das alles nochmal an. Denn schließlich wiederholt der "Experte" sich gerne bzw. redet einfach weiter - und der Schiedsrichter kann vom umfangreichen Wissen profitieren, das er frei Ohr geliefert bekommt. 

Umso harmonischer verläuft diese Zusammenarbeit natürlich dann, wenn der "vereinseigene Experte" den Schiedsrichter auch einmal lobt - das fällt ihm zwar schwer und er verpackt es gut.... Aber er tut es regelmäßig und sogar dann, wenn die eigene Mannschaft verloren hat. Dann wird der Schiri beim Schlusspfiff nicht selten aus seinem Headset den Spruch hören: "Des wor heut dei bester Pfiff!"

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