Erfolgsgeschichten im heutigen Fußball sind keine wundersamen Märchen mehr. Im Profigeschäft sowieso nicht, da muss man nicht auch noch auf den Hoffenheimern herumreiten. Im Amateurfußball läuft es nicht anders. Sportlicher Erfolg ist in gewisser Weise planbar, vorausgesetzt die finanziellen Mittel sind vorhanden. Diese Erkenntnis ist keine Weltneuheit. Trotzdem ist Geld nicht die einzige Komponente, die Erfolg bedingt. Auch das hat der Fußball bereits in seiner jüngsten Epoche immer wieder gezeigt. Wer nicht vernünftig wirtschaftet und dabei langfristige Ziele besitzt, fällt schnell wieder auf die Schnauze. Der ZV Thierstein hatte Glück, und das in der dunkelsten Stunde der Vereinsgeschichte. 1994 konnte Rainer Denndörfer es nicht mehr mit ansehen. Der ZV war Tabellenletzter in der damaligen C-Klasse und stand vor dem Aus. Denndörfer, seines Zeichens Firmengründer der Firma BD Sensors, einer mittlerweile weltweit exportierenden Betriebes für elektronische Druckmesstechnik mit Sitz in Thierstein, übernahm das Trainer- und das Sponsorenamt. Bloße lebensrettende Maßnahmen sind einem Unternehmer allerdings nicht genug, es sollte sich wieder etwas bewegen in Thierstein. Denndörfer erkannte das Problem der übrigens bis heute fehlenden Jugendarbeit im Verein, sowie das kontinuierliche Wegfallen der einheimischen Spieler. Ohne Neuzugänge würde man nicht vorankommen. So nutzte man den Standortvorteil und intensivierte die Kontakte über die Grenze nach Tschechien, die beispielsweise durch Freundschaftsspiele oder Privatpersonen zustande kamen. „Das Preis-Leistungs-Verhältnis sei gerade zu dieser Zeit besser gewesen, als bei deutschen Spielern mit dem gleichen Leistungsniveau“, erklärt der heutige Co-Trainer Stefan Denndörfer und Sohn des Hauptsponsors.
Alle drei Jahre kommt der nächste Schritt
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Der Urvater der Thiersteiner Erfolgsgeschichte. Rainer Denndörfer ist mehr als nur ein Sponsor für seinen ZV. |
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Ein Ort spielt eine besondere Rolle. Noch heute kommen sieben Spieler direkt aus Nejdek oder aus der näheren Umgebung (Region Karlsbad, böhmischer Teil des Erzgebirges, ca. 8.500 Einwohner). Daniel Dvorak wurde vergangene Saison Torschützenkönig der Bezirksliga. Sein Onkel war ein Glücksfall für den Zentralverein. Er war in der Saison 96/97 der erste tschechische Spieler, den man nach Thierstein lotsen konnte. Seinen damals 17-jährigen Neffen Daniel nahm er gleich mit und ohne größere Umwege stieg man ihn die damalige B-Klasse auf. Stefan Denndörfer, heute Geschäftsführer der väterlichen Firma, der auch noch in der zweiten Mannschaft spielt, spricht von einem 3-Jahres Rhythmus, in dem es von nun an immer wieder nach oben ging. Immer waren 4-6 Spieler aus Nejdek mit an Bord, auch wenn Vater Denndörfer zwischenzeitlich nur noch im Hintergrund wirkte. 2003 kam es zum Aufstieg in die Bezirksliga unter Trainer Klaus Wolfrum. Es war ein schwarzes Jahr, in dem der sofortige Wiederabstieg folgte und den Thiersteinern ein gnadenloser Niedergang vorausgesagt wurde. Stefan Denndörfer gibt zu, dass man die Situation unterschätzt hatte und die Mannschaft einfach nicht in der Lage gewesen sei, die Klasse zu halten. Eine schwierige Situation auch für die Denndörfer-Familie. Wohin sollte der Weg führen? Doch gerade die Unkenrufe waren ein Ansporn: so wollte man sich nicht geschlagen geben und es kam, dass die Tüchtigen auch das verdiente Glück hatten. Erneut schaffte man aus der Krise den Schritt auf die nächste Stufe. Über Kontakte von Vater Denndörfer gelangte man an Jiri Vosyka, den heutigen Spielertrainer. Er war über Jahre ein erfolgreicher Torhüter bei Bayern Hof, mit Erstliga-Erfahrung in Tschechien ausgestattet, der den Aufwand des höherklassigen Fußballs nicht mehr betreiben wollte. Stefan Denndörfer erzählt, dass Vosyka zu dieser Zeit in einem Spielkasino am Roulettetisch arbeitete und Vater Denndörfer ganz unverfänglich den Kontakt herstellte, ohne dabei allzu große Hoffnungen zu haben. Doch Vosyka war ziemlich schnell begeistert und so verpflichtete der ZV Thierstein seinen nächsten Glücksfall. Vosyka besaß als Trainer (und Torwart) für den Verein nicht nur eine neue Qualität, sondern auch beste Kontakte nach Tschechien.
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Einer der Thiersteiner Glücksfälle. Torwart und Trainer Jiri Vosyka. |
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Nach dem sofortigen Wiederaufstieg in die Bezirksliga kehrte man wieder in den gewöhnlichen 3 Jahresrhythmus zurück. Im dritten Bezirksligajahr wurde frühzeitig absehbar, dass sich die mittlerweile vom Gesamtverein abgekoppelte Fußballabteilung mit dem nächsten Aufstieg auseinandersetzen musste. „Der Aufstieg hat sich so ergeben. Für den Verein war das Ziel eigentlich nur, sich in der Bezirksliga zu etablieren“, schildert Stefan Denndörfer die Geschehnisse. Doch die Mannschaft wollte die Belohnung für ihren sportlichen Erfolg und war auch bereit, eine Klasse höher für die gleichen Bezüge zu spielen. Aufsteigen mussten sie allerdings über die Relegation, weil der TSV Neudrossenfeld den Zentralverein in der Rückrunde noch deutlich überholte. Die erste Chance gegen Wacker Trailsdorf wurde klar vergeben (1:3), doch im zweiten Spiel gegen Lettenreuth machte man doch noch alles klar und gewann 5:1.
Der Schritt in die Bezirksoberliga
An die raue Luft in der neuen Spielklasse haben sich die Thiersteiner recht schnell gewöhnt. Nur am ersten Spieltag kassierte man eine Heimniederlage gegen den ASV Gaustadt, die Co-Trainer Stefan bis heute ärgert. „Wir waren spielbestimmend und haben eine Vielzahl guter Torchancen vergeben. Das hat sich am Schluß gerächt.“ Es folgte ein Unentschieden in Pettstadt und danach drei Siege in Folge. Unter anderem kam es zur beeindruckenden Wiedergutmachung gegen ratlose Trailsdorfer, die mit 6:1 nach Hause geschickt wurden. Am fünften Spieltag kletterte man sogar auf Platz zwei, ehe der TSC Mainleus mit seinem 4:2 Sieg für etwas Ernüchterung sorgte. In Thierstein weiß man, dass die Qualität der Mannschaft an guten Tagen ausreicht, um jedem Gegner in der Klasse in ernsthafte Schwierigkeiten zu bringen. Die Offensivabteilung ist das Prunkstück. Neuzugang Ludek Jon führt die Torschützenliste an und Daniel Dvorak ist wie immer die Zuverlässigkeit in Toren. Insgesamt 18 Tore, das ist Ligaspitze. Die Anzahl der Gegentreffer (12) ist Stefan Denndörfer allerdings ein bisschen hoch, vielleicht der Preis des starken Defensivdrangs der Mannschaft.
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Stefan Denndörfer macht alles. Er ist Co-Trainer, Spieler in der Reserve und teilt sich mit seinem Vater das sportliche Management. |
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Ein größeres Problem sieht der Co-Trainer, für den Fall, das mehrere Spieler ausfallen sollten. „Wir haben nur 14 Spieler für den Bezirksoberliga-Kader. Bisher hatten wir kaum Verletzte. Wenn sich aber mehr als zwei Spieler verletzen sollten, wird es schon eng.“ Die zwei Neuzugänge Ludek Jon und Roman Kalan sind zwar echte Hochkaräter, die jedoch nichts daran ändern, dass der Kader etwas zu klein ist. Sehnsüchtig warten die Thiersteiner auf die Rückkehr von Radek Svehla, ihrem defensiven Mittelfeldspieler. Er wurde an der Leiste operiert und befindet sich seit zwei Wochen im Lauftraining. Im Derby gegen Röslau am kommenden Samstag soll er erstmals eingewechselt werden. „Er ist ein überdurchschnittlicher Spieler in dieser Liga und von immenser Bedeuting für unsere Defensivabteilung“, so der Co-Trainer.
Man spricht deutsch
Denndörfer selbst hat es nicht weit zum Training. Er kommt aus dem Ort und hat mit sechs Jahren das Fußballspielen beim Zentralverein begonnen. Für die meisten anderen ist die Anreise jedoch erheblich länger. Die Spieler aus Nejdek haben deswegen einen Kleinbus vom Verein bekommen. Etwa sechzig Kilometer beträgt die Strecke, die sie zweimal die Woche zurücklegen müssen. Trainer Vosyka kommt aus Cheb und bringt drei Spieler mit. Der dritte Wagen kommt aus Selb. Stefan Heimhalt, sowie die türkisch-stämmigen Sahin Ilkay und Müfit Topcu sind die einzigen Spieler die auf dem Weg zum Training nicht die Grenze überqueren. Aufgrund der langen Anreise findet die Mannschaftssitzung am Donnerstag bereits vor dem Training statt. Übrigens wird in der Sitzung und auf dem Platz deutsch gesprochen. Darauf legt Denndörfer sehr viel Wert. Die meisten können sehr gut deutsch, weil sie vorher schon einmal in Deutschland gespielt haben. Nur bei komplizierteren Sachverhalten erklärt der Trainer den einzelnen Spielern auf tschechisch. Oder vor dem Ausführen eines Freistosses, da ist es schon ein Vorteil, wenn sich die Spieler absprechen können und die gegnerische Mannschaft kein Wort versteht. Das gibt der Co-Trainer gerne zu.