Julia Simic ist Nationalspielerin: „So cool wie ich gedacht hab, war ich doch nicht“ - anpfiff.info
Artikel veröffentlicht am 30.11.2016 um 12:00 Uhr
Julia Simic ist Nationalspielerin: „So cool wie ich gedacht hab, war ich doch nicht“
MAGAZIN Gut fünf Jahre musste Julia Simic nach ihrer ersten Nominierung für die deutsche Nationalmannschaft bis zu ihrem Debüt im DFB-Dress warten. Schwerwiegende Verletzungen pflasterten ihren Weg, bis am 22. Oktober 2016 ihr persönlicher sportlicher Traum in Erfüllung ging. Mit anpfiff.info sprach sie über Adrenalinschübe, eine maßgeschneiderte Spielphilosophie und den preisgekrönten Hollywoodstar Will Smith.
Von Bernd Riemke
Frau Simic, Sie haben zwei Kreuzbandrisse überstanden und sind immer wieder zurückgekehrt. Im Frühjahr ereilte Sie prompt der nächste Nackenschlag.
Julia Simic: Ich habe mir einen Syndesmosebandriss im Sprunggelenk zugezogen und die Diagnose war tatsächlich etwas zermürbend. Ich musste operiert werden und war knapp sechs Monate weg vom Fenster. Die Reha war zwar insgesamt weniger aufwändig, aber dennoch gab es eine Phase, in der ich so eine Art Kompensationsschmerz nicht wegbekommen habe. Es dauert eben einfach seine Zeit, bis man seinen Körper wieder voll funktionsfähig bekommt.

In Wolfsburg wurden Sie zunächst über Kurzeinsätze wieder an die Mannschaft herangeführt. Die Nominierung für die Nationalmannschaft Mitte Oktober kam daher zu diesem Zeitpunkt ein wenig überraschend.
Julia Simic: Für mich persönlich auch. Ich wurde zu einer Vorstellungsrunde eingeladen, bei der die neue Trainerin Steffi Jones ihre Spielphilosophie erläuterte. Als im Rahmen dieses Lehrgangs einige Spielerinnen angeschlagen ausfielen, deren Position ich auch bekleiden kann, nahm Steffi Jones Kontakt zu meinem Wolfsburger Trainer Ralf Kellermann auf, der mir gute Trainingsleistungen attestierte und so stand ich im Kader für die Länderspiele in Regensburg.

Ein Debüt mit 27 Jahren in der Nationalmannschaft dürfte einzigartig sein. Hand aufs Herz: Haben Sie damit vor allem nach all den verletzungsbedingten Rückschlägen noch gerechnet?
Julia Simic (lacht): Anna Blässe war bei ihrem Debüt im letzten Jahr schon 28. Als ich mich im April verletzt habe, stand ich noch mit Krücken am Spielfeldrand als Steffi Jones zu mir kam und mir mitteilte, dass sie mich im Blickfeld behalten wird, weil ich gut in ihre Spielphilosophie passen würde. Das hat mich natürlich aufgebaut, so dass ich in der Reha Vollgas gegeben habe, um mein Ziel von der Nationalmannschaft noch zu erreichen. So kam in diesem Moment sogar ein stückweit Euphorie auf, obwohl ich zugleich ziemlich deprimiert war, in den entscheidenden Wochen der Meisterschaft nicht bei der Mannschaft sein zu können.

Am 3. Spieltag der Saison 2016/17 gab Julia Simic (re.) beim Gastspiel ihres VfL Wolfsburg beim FC Bayern München nach fast sechsmonatiger Verletzungspause ihr Comeback.
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Wie sieht denn die Spielphilosophie der Neu-Nationaltrainerin aus?
Julia Simic:  In einem Vierer-Mittelfeld ist sie sehr auf Kurz- und Doppelpässe angelegt und darauf, im Positionsspiel Dreiecke anzulegen. Dadurch kriegt man viele Ballaktionen und ich bin ohnehin besser am Boden als in der Luft. Mir hat es tatsächlich sogar Spaß gemacht auf der Bank zu sitzen und zuzuschauen, weil wir einfach eine hohe Qualität im Kader haben.

Inwieweit kam Ihnen der Trainerwechsel zugute? Unter Silvia Neid kamen Sie nach Ihrem ersten Kreuzbandriss im Herbst 2011 nicht mehr zum Zuge.
Julia Simic: Natürlich spielt der Wechsel eine gewisse Rolle. Insgeheim habe ich auf eine weitere Chance gehofft und hatte auch in Potsdam schon eine gute Zeit. Trotzdem war eine Nominierung irgendwann auch nicht mehr realistisch. Die Nationalmannschaft war zwar nie ganz abgehakt, aber auf meiner Prioritätenliste auch nicht mehr ganz oben. Nach dem Trainerwechsel keimte schon ein stückweit wieder Hoffnung auf. Dass es dann so schnell geklappt hat, damit habe ich auch nicht gerechnet.

Geklappt hat es schließlich am 22. Oktober beim 4:2-Sieg gegen Österreich in Regensburg. Wussten sie vorher, dass Sie zum Einsatz kommen?
Julia Simic: Als ich bei der Mannschaft war ging alles Schlag auf Schlag. Steffi Jones gab mir ein gutes Gefühl und kündigte an, dass ich in beiden angesetzten Spielen zum Einsatz kommen sollte. In Regensburg war es eine megacoole Kulisse  und rundum einfach ein guter Tag, um sein Debüt zu geben. Um die 60. Minute schickte mich die Trainerin gemeinsam mit Tabea Kemme zum Warmmachen und das gab dann schon nochmal einen Adrenalinschub und Herzklopfen, weil ich wusste, dass es nun nicht mehr lange dauern würde, bis ich auf den Platz durfte.

Das durften Sie in der 76. Minute als Sie für Dzsenifer Marozsán eingewechselt wurden. Können Sie diesen Augenblick in Worte fassen?
Julia Simic: Das war schon ein Gänsehautmoment und die ersten Sekunden waren extrem aufregend. Wir tragen beim Spiel einen Pulssender und bei mir konnte man da wahrscheinlich deutlich sehen, was in meinem Körper so alles los war (lacht). Eigentlich lief vorher alles ziemlich entspannt, aber so entspannt war es dann doch nicht. Allerdings war ich schnell im Spiel, habe gleich ein paar Bälle bekommen und dann denkt man nicht mehr viel nach. Dann funktioniert man nur noch.

Dass das Spiel in Regensburg – unweit Ihrer fränkischen Heimat stattfand – dürfte Sie zusätzlich beflügelt haben, da auf den Rängen sicher einige Sici-Fans saßen.
Julia Simic: Natürlich. Meine Eltern waren auch dabei, so dass das schon ein Moment ist der im Kopf bleibt und den ich so schnell nicht vergessen werde.

Werfen wir abschließend einen Blick auf den VfL Wolfsburg. Ihr Vertrag läuft im Sommer 2017 aus. Aus Ihrem Traum in den USA zu spielen haben Sie nie einen Hehl gemacht…
Julia Simic: Damit wäre ich momentan allerdings nicht gut beraten, denn dadurch würde ich auch aus dem Fokus der Nationalmannschaft rücken. Ich werde auf jeden Fall in Europa bleiben. Die Gespräche mit dem VfL werden wir sicher spätestens Anfang des neuen Jahres führen. Die Struktur und die Bedingungen, die der Verein bietet, sind für den deutschen Frauenfußball ohne Zweifel außergewöhnlich. 

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Steckbrief J. Simic

Julia Simic
Spitzname
Sici
Alter
35
Geburtsort
Fürth
Wohnort
Mailand
Nation
Deutschland
Größe
162 cm
Beruf
Fußball-Profi
Hobbies
Hund Coco, Musik, Freunde, Shoppen, Lachen
2006 U18 Länderpokalsieger

2007 U19 Europameisterin

2008 U20 WM Bronzemedaille

2009 Vizemeister FC Bayern München

2011 Supercup Sieger FC Bayern München

2012 DFB Pokalsieger FC Bayern München

2014 DFB-Hallencup Sieger und Champions League Halbfinale mit FFC Turbine Potsdam.

2015, 2016 und 2017 DFB-Pokalsiegerin mit VfL Wolfsburg

2017 Deutsche Meisterin mit VfL Wolfsburg.

140 Bundesligaspiele (39 Tore)
15 Einsätze DFB-Pokal (5 Tore)
19 Champions-League Einsätze (6 Tore).
2 Länderspiele (A-Nationalmannschaft).

16 Einsätze FAWSL für West Ham United (2 Tore)

4 Einsätze Serie A für AC Milan.

Stand: 01.07.2021


Wenn ich...

… einen Tag Bundeskanzlerin wäre, dann würde ich mich gegen Ende des Tages wahrscheinlich freuen, am nächsten Tag wieder ins Training gehen zu dürfen und Fußballerin zu sein.

… noch einmal 18 wäre, dann würde ich nicht viel anders machen. Ich habe damals noch in München gelebt, hatte gerade mein Abi in der Tasche und direkt drei Monate frei. Das war eine entspannte Zeit. Wenn ich nicht Fußball gespielt hätte, wäre ich sicher ins Ausland gegangen und hätte mit meinen Freunden eine Rucksacktour gemacht.

… in einem Kinofilm mitspielen dürfte
, dann würde mich mir einen kitschigen Hollywoodfilm in der Weihnachtszeit im verschneiten New York vor dem Empire State Building raussuchen. Wenn Will Smith gerade Zeit hätte, dürfte er auch gerne mitspielen.

… mit einem Menschen für einen Tag tauschen dürfte
, dann wäre das sogar Justin Bieber. Ich bin wirklich kein Fan von ihm, aber dennoch waren wir mit der Mannschaft letzthin bei einem Konzert von ihm in Hamburg. Wenn er die Bühne betritt sind alle am Durchdrehen und das ganze Szenario ist so surreal, dass ich das für einen Tag wirklich einmal erleben würde.

… ein Angebot aus den USA bekommen würde, dann würde ich mich zum Ende meiner Karriere sehr geehrt fühlen und dieses sportliche Abenteuer auf jeden Fall gerne eingehen. Ob Boston, Washington oder New York wäre dann eher zweitranging, denn das hört sich alles verlockend an. Vorher würde ich mir ein Englischbuch als Vokabeltrainer kaufen.

FC Bayern - Wolfsburg 2014/15


Potsdam - Jena 2013/14


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