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Artikel veröffentlicht am 25.05.2016 um 12:00 Uhr
24.000 Mal Anpfiff im Mittelkreis:
Schiedsrichter plaudern aus dem Nähkästchen
MAGAZIN
Gemeinsam bringen es sieben langjährige Schiedsrichter des Spielkreises Erlangen/Pegnitzgrund auf mehr als 24.000 Partien – einige pfeifen noch immer. Dem Fränkischen Tag, in Person von Mitarbeiter Leo Hühnlein, berichteten sie von Katzenjagden auf dem Rasen, Araber-Angst vor Blitzen oder von einer Wiederbelebung im Mittelkreis.
Von
Leo Hühnlein, Fränkischer Tag
Der Fußballkreis Erlangen-Pegnitzgrund, dessen Spiele meist von den Schiedsrichtergruppen (SRG) Pegnitzgrund, Fränkische Schweiz, Forchheim sowie Erlangen geleitet werden, hat verdiente Referees in seinen Reihen. Einige der „Männer in Schwarz“ pfeifen bereits seit Jahrzehnten. Manfred Kettler, Obmann der SRG Erlangen, dankte diesen Unparteiischen an einem Ehrungsabend für teilweise mehrere tausend Einsätze und hofft, dass sie trotz ihres hohen Alters weitermachen, da es an Nachwuchs fehle. Sieben „Pfeifenmänner“ plaudern aus dem Nähkästchen, Thiel lässt sogar einen Blick in sein „Sünderbuch“ zu.
Albrecht: der „Bubi“
Alois „Bubi“ Albrecht aus Zeckern, der knapp 20 Jahre zur Forchheimer SRG gehörte, pfeift seit mehr als 30 Jahren. Der bald 70-Jährige steht immer noch wöchentlich auf dem Rasen. „Früher waren vier bis sechs Partien am Wochenende keine Seltenheit“, sagt Albrecht. Bei der SpVgg, die ihm im März die Ehrenmitgliedschaft verlieh, begann er mit 18 Jahren im Kasten und kickte 20 Jahre. Besonders stolz ist der „Bubi“ darauf, dass es in seinen 3400 Leitungen keinen Abbruch gab: „Ich versuche immer, die Partien zu Ende zu bringen und kommuniziere dafür auch mit den beiden Lagern.“ An der Linie assistierte der Kreisliga-Referee einst Benno Dorn, früherer Obmann der Forchheimer Gruppe, als dieser ein Spiel der 2. Liga in Vestenbergsgreuth pfiff. 2015 stand er für Kettler in Neunhof an der Seitenlinie, als sich Kollegin Carmen Herzig auf die Flucht begeben musste. „Ihr jagte vom benachbarten Bauernhof ein Enterich nach. Manfred musste vier bis fünf Minuten unterbrechen, bis sich der erregte Erpel wieder beruhigt hatte“, erzählt Albrecht.
Leipold: der Spätberufene
Georg Leipold pfeift seit 40 Jahren und tut es trotz gesundheitlicher Einschränkung immer noch. Der 72-jährige Heßdorfer kam relativ spät zur Pfeiferei, sagt Kollege Norbert Göbel: „Weil Georg erst nach der Fußballerzeit richtig anfing, kam er nicht über die Bezirksliga hinaus. Er hätte es aber drauf gehabt.“ An der Linie kam er zu Landesliga-Einsätzen, war lange der dienstälteste Bezirksliga-Referee und gehörte immer zu den besten fünf Schiris. Nebenbei half Leipold als Verteidiger bei den Alten Herren der SpVgg Heßdorf aus. Kettler lobt die Treue und Ergebenheit des 2015 zum Ehrenmitglied ernannten Schiedsrichters: „Man konnte Georg für jedes Spiel einteilen, er gab nie eines zurück und brachte sie alle sicher zu Ende. Bescheiden, aber mit Überzeugungskraft und Durchsetzungswillen war er eine Bank. Seit er im Dezember 1975 Schiedsrichter wurde, leitete er 3600 Fußballspiele.“
Hanke: der Katzenjäger
Im August feiert Hans-Werner Hanke seinen 83. Geburtstag. Der Weisendorfer wurde im heimischen ASV zum Ehrenmitglied und -vorsitzenden ernannt. Kettler machte den einstigen Bezirksliga-Referee auch zum Ehrenmitglied der SRG Erlangen. In 46 Jahren kam Hanke auf etwa 4500 Partien als Schiri – darunter ein DFB-Pokalspiel zwischen der SpVgg Büchenbach und den Offenbacher Kickers – und pfeift noch immer drei bis vier Mal pro Woche. „Mittlerweile nur noch unterklassige oder Jugendspiele“, sagt er bescheiden. „Mir wurde nachgesagt, ich pfeife menschlich. Nur wenn es nicht mehr anders ging, sprach ich Hinausstellungen aus“, erzählt der damals einzige Bayernliga-Schiri in Erlangen. Vor über 30 Jahren leitete er eine Jugendpartie im Forchheimer Raum. „Auf dem Platz tollten sich trotz der für sie nicht ungefährlichen Situation zwei Katzen. Weil die jungen Kicker immer irritiert wurden, wenn der Ball in die Nähe der Katzen kam und diese dann aufgeschreckt umher sprangen, musste ich das Spiel unterbrechen, bis wir sie verjagt hatten. Das war eine Gaudi“, erinnert sich Hanke.
Das Sünderbuch von Schiedsrichter Willy Thiel. Ab 1957 sind alle 4000 Spiele aufgeführt, die er geleitet hat. Auch die Hinausstellungen sind jeweils aufgeführt.
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Thiel: und das Notizbuch
Ein ganz besonderes Zeitzeugnis seiner 62-jährigen Schiedsrichterzeit hütet Willy Thiel als Schatz. In einem Notizbuch sind ab 1957 alle 4000 Spiele aufgeführt, die er leitete. „Nach meiner Prüfung durfte ich gleich anfangen“, erinnert er sich an seine ersten Einsätze. „In den 70er Jahren hat der damalige Obmann Porster gesagt, dem Thiel kann ich geben, was ich will, der pfeift alles“, sagt der 88-Jährige. Damals leitete er nahezu täglich und am Wochenende mehrfach Partien, die Erlanger Stadtmeisterschaften waren ein Highlight. „Wenn die Studenten aus Erlangen und Forchheim aufeinandertrafen, ging es oft zur Sache. Aber ich hatte nur einen richtigen Abbruch“, erklärt Thiel. Nach einem Kinnhaken des Torwarts von Olympiada Erlangen gegen einen Dormitzer gab es eine Rudelbildung, so dass er das Duell beendete. Auch die Spiele im Landkreis Forchheim bis hinauf in die Fränkische Schweiz seien manchmal heikel gewesen. „Wenn die Heimmannschaft verloren hatte, musste man sich erst den Weg durch die Besoffenen mit der Bierflasche in der Hand bahnen. Das ist heute gesitteter“, findet Thiel.
Hartung: der ewig Junge
Hans-Jürgen Hartung stand den Erlanger Schiedsrichtern 21 Jahre als Obmann vor und wurde von Kettler zum Ehrenobmann ernannt. Der Über-60-Jährige, das genaue Alter ließ er sich nicht entlocken, beendete die Fußballerkarriere beim BSC Saas Bayreuth nach einer Verletzung als 20-Jähriger. Als einstiger Bayernliga-Referee, der heute noch gelegentlich Einlagespiele leitet, kam er auf über 3000 Spiele für den FC Dechsendorf. Seine Erinnerungen sind schier unerschöpflich: „In Schweinfurt traf der FC unter Trainer Werner Lorant auf Bayern Hof. Die beiden Vereine führten die Bayernliga an und das Stadion war rappelvoll. Wenn die Fans ,Schiri, wir wissen wo dein Auto steht’ singen, geht einem schon ein Kribbeln durch den Bauch.“ Als Erich Riedl Präsident bei 1860 München war, lernte Hartung die Besonderheiten des Grünwalder Stadions kennen. Ein Polizeikommandant riet ihm aufgrund der gefürchteten Löwen-Fans, wenn es brenzlig würde, in die Katakomben zu flüchten. Den Tipp fand Hartung kurios: „Angst hatte ich eigentlich nie.“ Das schönste Erlebnis empfand er als Leiter eines E-Jugendspiels nach Abpfiff: „Ein Knirps gab mir die Hand und sagte: ,Gut gepfiffen, Schiri’.“
Göbel: der Blitzableiter
Als erster BFV-Ehrenamtsreferent im Kreis ER/PEG, nach Einführung dieser Funktion vor knapp 20 Jahren, war klar: Norbert Göbel beschränkte seine Ehrenämter nicht auf die Schiedsrichterei. Die Liste der Funktionärstätigkeiten des 57-Jährigen füllt zwei Blatt Papier. Im Gespräch sprudeln die Erinnerungen aus dem seit 1975 für den TV 48 Erlangen pfeifenden Schiri-Einteiler heraus. Sein Stammverein verlieh ihm die Ehrennadel in Gold für besondere Verdienste, Fußball spielte er selbst aber nie. Zu Zeiten der DDR leitete Göbel in Jena als erster BFV-Referee unter abenteuerlichen Bedingungen ein Punktspiel und kommt bislang auf 3600 Einsätze, die nicht alle wie geplant verliefen. Bei einem Testspiel zwischen Dechsendorf und der Junioren-Nationalelf der Vereinigten Arabischen Emirate in Herzogenaurach zog ein schweres Gewitter auf. „Es war schon dunkel, die ersten Blitze zuckten, aber es waren nur noch fünf Minuten zu spielen. Allerdings erschraken die jungen Araber bei jedem Donner, weil sie derartige Unwetter nicht kannten. Der Ball wurde Nebensache, sie guckten nur noch zum Himmel, also brach ich ab“, erzählt er. Seinen Spitznamen „Bratwurst-Göbel„ bekam er für die Vorliebe zum fränkischen Grillgut, welches er nach getaner Pfeiferei genoss. Doch nicht überall kam er dazu. „In einer hektischen Partie bei Eintracht Bamberg hab’ ich einen Zuschauer, der ständig beleidigte, vom Platz verbannt. Auf dem Weg in die Kabine schlich er sich unbemerkt von hinten an und gab mir einen heftigen Arschtritt. Für die Geldstrafe hätte man einige Bratwürste bekommen“, berichtet der 57-Jährige schmunzelnd.
Schiedsrichter Norbert Göbel in Aktion. Er kommt auf bislang 3600 Einsätze als Referee.
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Penning: der Gerettete
Für viele Schirikollegen gilt Werner Penning als Mentor und Vorbild. Seit 55 Jahren ist der einstige Kripo-Beamte Schiri und bekleidete 15 Jahre das Amt des Lehrwarts. Das Ehrenmitglied der SRG Erlangen galt als bayerischer Spitzenschiedsrichter, eine Bezeichnung für langjährige und auf hohem Niveau stehende Spielleitungen. Der 77-jährige gebürtige Weißenoher spielte dort früher als Außenläufer und sagt: „Ich verfolge bis heute alle Spiele der SpVgg.“ An viele seiner über 2000 Einsätze als Referee erinnert er sich, weil in Herzogenaurach zu Testzwecken hochkarätige Gegner auftauchten. So leitete er das Studenten-Länderspiel zwischen Deutschland und England und die Freundschaftspartie zwischen dem FC Herzogenaurach und der einstigen UdSSR vor 6000 Zuschauern. Dazu kamen Einsätze mit Beteiligung von Kamerun, Sparta Prag und Haifa (Israel). „Nach einem Spiel mit Manchester City bekam ich von den Engländern einen Pullover geschenkt, den trug ich fast zehn Jahre lang“, sagt Penning. Ein beinah tragisches Ende nahm 1979 die DFB-Pokalpartie zwischen Vestenbergsgreuth und Langenzenn. Ein drückend heißer Sommertag am Schwalbenberg. Nach 80 Minuten musste die Partie abgebrochen werden, Schiri Penning fiel nach einem Herzstillstand um. „Ein zufällig anwesender Tierarzt brachte mein Herz mit einer Art Defibrillator wieder zum schlagen“, erzählt der 77-Jährige, der mit dem Hubschrauber ins Krankenhaus kam und gerettet wurde.
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