Talent-Förderung: Anton Kramer: „Profi-Fußball spielt uns zu“ - anpfiff.info
Artikel veröffentlicht am 03.05.2016 um 18:00 Uhr
Talent-Förderung: Anton Kramer: „Profi-Fußball spielt uns zu“
Steigende Anforderungen in der Schule sind in den letzten Jahrzehnten unbestritten. Neben der obligatorischen Ausbildung fällt daher bei vielen Jugendlichen ein Hobby wie Fußball weg. Dadurch bleibt auch das eine oder andere Ausnahmetalent auf der Strecke. Dem wirkt das Deutschhaus-Gymnasium in Würzburg entgegen. Die „Spezielle Sportförderung“ setzt neue Maßstäbe. Fußball-Lehrer Anton Kramer stellt das Konzept vor.
Von Florian Geiger
„Mens sana in corpore sane“, erkannte schon der römische Dichter Juvenal. Frei übersetzt heißt das, dass geistige und körperliche Fähigkeiten in Einklang stehen müssen. Denn nur wer physisch fit ist, kann auch sein Gehirn zu Höchstleistungen bewegen. Die antike These wird am Würzburger Deutschhaus-Gymnasium (DHG) schon lange nicht mehr nur im Latein-Unterricht in der Theorie gelehrt. Vielmehr setzt die Schule seit 2007 neue Maßstäbe in Sachen „Talentförderung“. Das Landkreis-Gymnasium besetzt seitdem Klassen mit begabten Nachwuchssportlern und begleitet sie auf ihrem Weg zum Abitur. Neben den Sportarten Rudern, Handball, Basketball und Schwimmen kam 2012 auch Fußball dazu.

WFV, Kickers und Club

Anton Kramer
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Dadurch entstand ein vielfältiger Aufgabenkatalog für Schul- und Fußball-Lehrer Anton Kramer. Er berichtet von einem „dualen Ausbildungssystem“, das weit über die regionalen Grenzen seines Gleichen suche: „In Nordbayern gibt es keine vergleichbare Schule mit so einem Konzept. Sportlich besonders begabte Schülerinnen und Schüler erhalten die Chance, Leistungssport und Schule optimal miteinander zu verbinden.“ Mittlerweile blickt das DHG auf jahrelange Erfahrung zurück. Doch die Entwicklung sei nie abgeschlossen. Was haben also der Würzburger FV, die Würzburger Kickers und der 1. FC Nürnberg gemeinsam? Zum einen wissen alle drei noch nicht, in welcher Liga sie nächste Saison mit ihrer ersten Mannschaft spielen werden.

Zum anderen stehen sie dem Deutschhaus-Gymnasium im Fachbereich Fußball als Kooperationspartner zur Seite. Verantwortlich auf der schulischen Seite ist Anton Kramer. Seines Zeichens selbst Fußballtrainer beim Landesligisten TG Höchberg. Neben Anton Kramer arbeiten drei weitere Trainer an der sportliche Ausbildung der Sportklassen-Fußballer: B-Lizenz-Inhaber Stefan Schoeler, der zusätzlich U19-Coach bei der TSV/DJK Wiesentheid ist und dort die erste Mannschaft zur neuen Saison übernimmt, und Stützpunkttrainer Johannes Väth von den Würzburger Kickers kümmern sich um den fußballspezifischen Bereich. Student Lars Schelp schult den Nachwuchs in Sachen Laufkoordination und Athletik.

Kooperationspartner finanzieren

Finanziert werden die Trainer durch die Kooperationspartner. Zuständig innerhalb der Schulleitung für die „Spezielle Sportförderung“ am DHG ist der Stellvertretende Schulleiter Hartmut Braun, der in den 1980er Jahren für die SpVgg Bayreuth in der 2. Bundesliga spielte. Geleitet werden die Sportklassen durch den Koordinator Efram Yaman, der ebenso für den Bereich Basketball zuständig ist. Insbesondere über die Zusammenarbeit mit dem WFV zeigt sich Fußball-Koordinator Anton Kramer über die letzten Jahre sehr erfreut: „Der Verein begleitete uns von den Kinderschuhen bis heute. Das Training fand vom ersten Tag an in der Zellerau statt. Ob Sportgelände, Material, Übungsleiter oder Fahrdienst für die Spieler.“

Die Schüler hören den Ausführungen von Trainer Johannes Väth (re.) aufmerksam zu.
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Talente für die Region

„Der WFV ist ein zuverlässiger Partner“, lobt Kramer. Dennoch müsse das DHG natürlich mehrgleisig fahren. Vom Aufschwung der Würzburger Kickers erhofft sich Kramer in Zukunft noch viel. „Die Idealvorstellung ist, dass ausgebildete Junioren künftig in der Region Fuß fassen mit Ziel, den Sprung in eine Profimannschaft zu schaffen“, wünscht sich Kramer. Deshalb finden aktuell auch Zusammenarbeiten im Bereich Handball mit den Rimparer Wölfen, beim Basketball mit den s.Oliver Baskets und beim Schwimmen mit dem SV 05 Würzburg statt. Beim Fußball steht der 1. FC Nürnberg als Kooperationspartner zur Verfügung. Auf Dauer ist das für begabte Nachwuchssportler allerdings eine zu große Entfernung.

Wie bei Leo Langhans. Eines der größten Würzburger Talente wechselte in der 8. Klasse vom Matthias-Grünewald-Gymnasium ans Deutschhaus-Gymnasium in die Sportklasse und spielte fortan für den 1. FC Nürnberg. Nach drei Jahren am DHG und Tausenden von Kilometern mit dem Zug ging er Anfang dieses Schuljahres an die Bertold-Brecht-Schule nach Nürnberg, da er Schule, Training und Fahrten nicht mehr vereinbaren konnte. Beim 1. FC Nürnberg ist er aktuell fester Bestandteil der U19-Junioren. „Ich hoffe, dass es den Würzburger Vereinen gelingt, im Jugendbereich zusammenzuarbeiten und adäquate Spielklassen anzubieten, dass die größten Talente hier in der Region ausgebildet werden können,“ so Kramer.

Wechsel in Sportklasse

Was sieht das „duale Ausbildungssystem“ im Fachbereich Fußball am DHG genau vor? In der Unterstufe von der fünften bis siebten Klasse gibt es die so genannten „Wettbewerbskurse“ mit einer zusätzlichen Trainingseinheit pro Woche. Es gleicht einer Findungsphase. Ab der 8. Klasse geht es ans Eingemachte. Beurteilen A-Lizenz-Inhaber Kramer und seine Kollegen einen Schüler als „geeignet“, so können diese in die „Sportklasse" wechseln. Sie trainiert dreimal pro Woche im Rahmen des Unterrichts fußballspezifisch. Unter fachlicher Anleitung von Trainern und ständiger physiotherapeutischer Betreuung werden die Talente gefördert und gefordert. Doch die schulische Ausbildung wird keineswegs aus den Augen verloren.

Auch das „Durchsteigen der Leiter“ gehört zum Training am Deutschhaus dazu.
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Abitur erstes Ziel

„Im Leistungssport gibt es keine Garantien. Deshalb liegt das Augenmerk darauf, dass die Schüler ihren schulischen Werdegang mit Abitur abschließen“, verrät Sport- und Deutschlehrer Kramer. Um das sicherzustellen, stellt das Gymnasium mehrere Handwerkszeuge zur Verfügung. Ein enger Kontakt mit den Eltern ist Voraussetzung. Am Nachmittag wird Hausaufgabenbetreuung durch pädagogisches Personal im Rahmen der so genannten Sport-OGS (Offene Ganztagsschule) angeboten. Sunken die Leistungen in der Schule, werde frühzeitig durch individuelle Hilfe auch hier gezielt trainiert. Unangekündigten Leistungsnachweise gibt es dagegen nicht, so dass sich die Schüler auf das Wesentliche konzentrieren können.

Ebenso werden keine Schulaufgaben nach Wettkämpfen angesetzt. „Koordinierte Schulaufgabenpläne sorgen dafür, dass in den Sportklassen in der Regel nur eine Schulaufgabe pro Woche angesetzt wird und diese nicht am Montag stattfindet, da unsere Sportler durch die Wettkämpfe am Wochenende nur wenig Zeit zum Lernen haben. Hier ist die Zusammenarbeit des kompletten Lehrerkollegiums erforderlich. Aber es funktioniert hervorragend“, lobt Kramer seine Kollegen. Aktuell erfüllen 22 Fußballer das Anforderungsprofil für die „Sportklasse “ in der Mittelstufe. Dazu gehört weit mehr als reines Balljonglieren. Zur Aussicht auf Erfolg gehört neben den schulischen und sportlichen Leistungen auch die Persönlichkeit.

Ausbilden für Jogi und Co.

Denn ein hohes Maß an Eigenmotivation und Disziplin wird zugleich vorausgesetzt. Das sind elementare Charaktereigenschaften, um das Pensum von sechs bis sieben Trainingseinheiten pro Woche, zusätzlichen Spielen am Wochenende und den Anforderungen ans Gymnasium gewachsen zu sein. Erst wenn diese Eingangshürden erfüllt werden, steht der individuellen Betreuung und Weiterbildung nichts im Wege. Darunter zählt vor allem Verbesserung der technischen, taktischen und athletischen Fähigkeiten. Aber auch Verletzungsprophylaxe und die Behebung von muskulären Dysbalancen spielen eine Rolle. Vielleicht kommt deshalb bei der übernächsten Weltmeisterschaft ein Spieler vom Deutschhaus-Gymnasium?

Früh muss üben, wer über den Status als Ergänzungsspieler hinauswachsen möchte.
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Vom Deutschhaus nach Rio

Doch auch die Förderung von Einzelsportlern schreibt sich das DHG bei der Weltmeisterschaftin einigen Fällen auf die Fahne. Leonie Ebert zum Beispiel besucht gerade die 11. Klasse und wurde letztes Jahr Kadetten-Weltmeisterin im Fechten. Vor wenigen Tagen erst belegte die junge Sportlerin den achten Platz mit der Damen-Florett-Mannschaft in Rio de Janeiro.

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