Dustin Schürkamp im Fokus: Wie ein herzkrankes Kind die Herzen erobert - anpfiff.info
Artikel veröffentlicht am 22.07.2015 um 06:00 Uhr
Dustin Schürkamp im Fokus: Wie ein herzkrankes Kind die Herzen erobert
MAGAZIN Bis vor wenigen Monaten war er ein Außenseiter. Er ist herzkrank. Und kann damit nicht immer so, wie ein zehnjähriges Kind halt gerne würde. Doch das ist Vergangenheit: Dustin Schürkamp stellt sich den Tatsachen. Und erobert die Herzen Bayreuths gerade im Sturm. Nicht ganz schuldlos dabei sind die SpVgg Oberfranken Bayreuth und deren Geschäftsführer Christian Höreth.
Von Andi Bär
Im April nahm das Leben den quietschfidelen Jungspundes eine von zahllosen unerwarteten Wendungen. Vier Jahre nach dem Umzug nach Bayreuth war er da. Der große Moment. Dabei tat er nur etwas, was Kinder beim Fußballspielen eben so tun. Er zog sein T-Shirt aus. "Da standen alle da und haben gestaunt" erzählt er heute. Gestaunt haben sie ob des Körpers ihres Freundes. Der kam mit einem Herzfehler auf die Welt - dazu später - und ist aus diesem Grund nur selten so belastbar, wie es seine Freunde sind. Was bei Kindern schwierig sein kann. Schließlich wird man leicht zum Außenseiter abgestempelt, wenn man dem Tempo nicht gewachsen ist. Nicht anders ist das beim Fußballspielen. "In meinem ersten Verein hat man mich rausgemobbt" sagt der zehnjährige. Ohne den Frust richtig zu zeigen. "Danach haben sie dauernd verloren, bis ein neuer Spieler kam" erinnert er sich. Vor der Haustüre in Bayreuth fand er neue Spielgefährten. Als Zugereister, er wurde in der Heimat seiner Mutter Karola geboren, wohin Papa Jörg einst auszog und zehn Jahre dort verbrachte, hatte er es nicht einfach. Bis zu dem Moment, als er das T-Shirt auszog. Er erklärte seinen neuen Kumpels, was es mit den ganzen Narben am Körper (die der erste Ursprung waren, weshalb alle starrten und staunten) auf sich hat.

"Die sind alle ganz cool!"


"Seitdem sind die alle ganz cool" strahlt er. Sie wissen um die Pausen, die Dustin benötigt. Schließlich führt der Herzfehler dazu, dass die Sauerstoffsättigung im Blut weit niedriger als normal ist - und damit auch die Belastbarkeit. Die Aufnahme in den Freundeskreis war aber erst der Anfang von Dustins Geschichte 2.0. Schließlich war am 5. Mai der "Tag des herzkranken Kindes". Grund genug für Christian Höreth, Moderator beim Bayreuther Lokalsender Radio Mainwelle und Geschäftsführer der Spielbetriebs-GmbH der SpVgg Oberfranken Bayreuth, Dustin zu sich ins Studio einzuladen. Höreth und Dustins Vater Jörg kannten sich aus alten Bayreuther Zeiten. Nach der Rückkehr aus Ahlen in die Wagnerstadt flammte der Kontakt wieder auf. Und so kam es, dass Höreth den damals neunjährigen ins Studio einlud. "Erst war das für mich ein Schock" gibt der Blondschopf zu "dann hab ich so erzählt, wie das alles ist. Und irgendwann war das ganz cool!" Und das "ganz cool" sollte noch viel cooler werden. Schließlich hatte Höreth für den kleinen Dustin noch ein ganz besonderes Geschenk: Eine Karte für ein Heimspiel der SpVgg Oberfranken Bayreuth und ein Trikot. Anfangs war der glühende Schalke 04-Anhänger davon noch nicht ganz so begeistert. Das sollte sich schlagartig ändern.

Dustin Schürkamp (links) mit Bruder Marlon in der "Chilllecke" seines Kinderzimmers.
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Höreth und die Altstädter schlossen das pfiffige Kerlchen mit dem angeborenen Herzfehler (auch als Fallot-Tetralogie bekannt) auf Anhieb in ihre Herzen. Und schneller als der Kleine schauen konnte, war er inmitten des Mannschaftskreises. Ob bei der Teambesprechung, der nach dem Sieg über den SV Schalding-Heining folgenden Jubelläufe (geschnappt von Kapitän Florian Ascherl, gelandet auf den Armen von Keeper Andreas Sponsel) - Dustin Schürkamp war mittendrin statt nur dabei. Und fortan infiziert vom "Oldschdod"-Virus. Auch Vater Jörg, eigentlich passionierter Club-Anhänger und früher auch international mit dem "Ruhmreichen" unterwegs ("Ich will, dass Dustin ganz normaler Fußballfan wird") kann sich dem inzwischen ebenfalls nicht mehr entziehen. Welch Wunder. Dreht sich im Hause Schürkamp doch inzwischen recht viel um das Thema Altstadt - bestens zu beobachten im Zimmer des Filius. Dort prangen inzwischen neben dem "Senor"-Trikot von Schalkes Raul, welches ihm Kultpfarrer Willi Strohband, der auch die Nottaufe des Kleinen durchführte, schenkte einige Utensilien mehr.

Mustertrikot mit Signaturen

Zum (vom Geburtstagsgeld selbst gekauften) Sponsel-Trikot sind längst zwei weitere dazugekommen. Wobei eines aktuell noch bei Hauptsponsor Maxit verweilt Schließlich haben die Altstädter Macher beim Auftakttraining (bei dem Dustin nicht fehlen durfte) fast etwas zu fannah reagiert. Das Mustertrikot landete bei dem kleinen Neu-Anhänger. Und war schnell mit den Unterschriften der Mannschaft vollgekritzelt. Das Problem: Der Hauptsponsor hatte das neue Trikot noch nicht einmal gesehen. Und so ging es noch einmal zurück an den Club. "Kein Problem" lacht Dustin. Schließlich sind da ja noch einige andere Jerseys zuhause. Und Torwarthandschuhe von Keeper Andreas Sponsel. "Sponz", wie er ihn liebevoll nennt, und er haben sich ins Herz geschlossen. Nach der roten Karte und der Niederlage gegen Schalding-Heining am Freitag flossen dicke Tränen bei Dustin. "Der Schiri hat uns das Spiel gekostet" verteidigt er die Mannschaft aufs Blut. Kein Wort von der schlechten Halbzeit. Nach Spielende wurde die Partie mit Sponsel analysiert. Und der wurde später selber Zeuge eines Satzes, der aus dem Mund eines zehnjährigen bemerkenswert ist. "Fußball ist eigentlich wie krank sein. Wer nicht kämpft, der hat schon verloren" grinste er schon am nächsten Morgen den Papa spitzbübisch an "und die Jungs haben gekämpft."

Dustin (oben, 2. v. rechts) mit seinem Jungs beim Kicken vor der Haustüre.
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Kämpfen ist für den kleinen Dustin nichts neues. Mit dem Tag der Geburt fing dieser Kampf an. Mehr als nur einmal gaben der federführende Chefarzt und sein Team in der Uniklinik Münster den frischgeborenen fast schon auf. Papa Jörg und Mama Karola, die (im übrigen zufällig) die gleiche Krankheit wie Dustin hat und seit einer Operation im Alter von acht Jahren fast beschwerdefrei ist, mussten bange Stunden erleben. Am Tag nach der Geburt wurde Dustin der erste Ballonkatheder gelegt, drei Monate später wurde die rechte Herzklappe entfernt und erste Löcher in der Scheidewand geschlossen. Mehr als ein Jahr später hing das junge Leben von Dustin an einem hauchdünnen Faden. Eine Katheder-Operation hätte er um ein Haar nicht überlegt. Doch Dustin meisterte auch diese Phase. Auch wenn es Tage dauerte, bis er über den Berg war und fast zwei Wochen, ehe er aus dem künstlichen Koma geholt wurde. Kuriosum am Rande: Er weigerte sich strikt Medikamente einzunehmen. Alles verlief gut. Im Oktober steht jetzt noch eine Operation an. "Eigentlich habe ich davor keine Angst" sagt er tough "schließlich machen das die Ärzte in Erlangen richtig gut." Seit die Familie inzwischen um den dreijährigen (und nicht minder aufgeweckten) Marlon gewachsen ist und ein Jahr vor dessen Geburt aus Ahlen wieder nach Bayreuth zog, ist Dustin dort in Behandlung.

Die nächste Operation wartet

In drei Monaten wird es noch einmal ernst für den Schüler. Seine größte Sorge: "Ich kann danach drei Monate kein Fußball spielen." Der Gedanke, dass diese Zeit in die Wintermonate fällt, zaubert ihm aber schon wieder ein Grinsen ins Gesicht. Eines, wie er es auch aufsetzt, wenn es um die Altstadt oder sein Schalke 04 geht. Vor seiner Operation hat er noch einen kleinen Wunsch. Seine vor wenigen Tagen initiierte Facebookseite "Dustin und seine SpVgg" - betreut von ihm und seinem Vater ("Der ist da altmodisch. Ich darf nicht alleine in Facebook") hat mittlerweile 291 Follower. Mehr als 20000 Menschen haben den letzten Beitrag gesehen. Und Dustin zu einer Wette verleitet. Mit dem Papa. Wenn nur 5% dieser erreichten zusätzlich im Stadion sind, wird Jörg Schürkamp auf dem Zaun ein Lied anstimmen. Gut möglich, dass er wieder Glück hat. Schließlich kann der Vater nur ins Stadion, da er sich bei seinem Einsatz am Sonntag für den SV Heinersreuth am Knie verletzt hat. Und selbst wenn die 1500 kommen. Am Ende werden die wohl eher für ihn singen. Schließlich hat Jörg Schürkamp am Freitag Geburtstag.

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Leser-Kommentare

Steckbrief D. Schürkamp

Dustin Schürkamp
Wohnort
Bayreuth
Familie
ledig
Nation
Deutschland
Beruf
Schüler
Hobbies
Fußball spielen


Steckbrief J. Schürkamp

Jörg Schürkamp
Alter
45
Geburtsort
Bayreuth
Wohnort
Bayreuth
Familie
verheiratet, 2 Kinder
Nation
Deutschland
Beruf
Bürokaufmann
Hobbies
Fußball, Familie,

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Die Fallot-Tetralogie

Die Fallot-Tetralogie (auch Fallot'sche Tetralogie) ist eine angeborene Herzfehlbildung, die etwa 10 % der angeborenen Herzfehler ausmacht. Sie besteht aus vier Komponenten (daher Tetralogie): einer Pulmonalstenose, einem Ventrikelseptumdefekt, einer über der Herzscheidewand reitenden Aorta sowie einer nachfolgenden Rechtsherzhypertrophie.Die Bezeichnung dieses Herzfehlers geht auf den französischen Pathologen Étienne-Louis Arthur Fallot als Erstbeschreiber (1888) zurück. Die auch im Deutschen bei Medizinern gebräuchliche Abkürzung ToF leitet sich aus dem Englischen Tetralogy of Fallot ab.

Mehr zu der Krankheit gibt es auf wikipedia.de hier zu lesen.


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