Günther Reitzner: Wenn der Schlusspfiff ertönt... - anpfiff.info
Artikel veröffentlicht am 18.09.2013 um 20:15 Uhr
Günther Reitzner: Wenn der Schlusspfiff ertönt...
MAGAZIN Wenn am kommenden Sonntag, irgendwann kurz vor 17.00 Uhr, der Schlusspfiff des Derbys Heiligenstadt gegen Teuchatz ertönen wird, endet auch offiziell die aktive Schiedsrichter-Karriere von Günther Reitzner. Aus diesem Anlass besuchte anpfiff einen der erfolgreichsten und bekanntesten Pfeifenmänner unserer Region.
Von Markus Schütz
Nach einer derart langen und ereignisreichen Karriere lohnt immer der Blick zurück auf die schönen und weniger schönen Momente. Und was in diesem Fall besonders lohnt, ist der Blick auf den Menschen Günther Reitzner, der durchaus ganz anders ist, als ihn viele Aktive in seiner schwarzen Kluft auf dem Feld wahrgenommen haben. Nur wenige Fußballer hatten aber natürlich die Gelegenheit, Reitzner ohne Pfeife, in zivil und privat kennen zu lernen. Uns gab er diese Gelegenheit und erwies sich als aufmerksamer Gastgeber. Begrüßt wird man auf Reitzners weitläufigem Anwesen im mittelfränkischen Tuchenbach aber erst einmal von zwei Dobermännern, Akira und Maja. Freundlich zwar, aber doch mit deutlich spürbarem Selbstbewusstsein, bei Bedarf das Hausrecht auch mit Biss durchsetzen zu können. Vielleicht unterscheiden sie sich deshalb gar nicht so sehr von ihrem Herrchen auf dem Platz: wer sich an die Regeln hält, bekommt keine Probleme - wer allerdings gegen die Regeln auf dem Feld verstößt, wird mit aller Härte sanktioniert.

Nein, übers Wasser konnte auch Günther Reitzner als Schiedsrichter nicht gehen - aber er wusste meist, wo die Steine sind...
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Reitzner polarisierte 

"Mir ist natürlich klar, dass ich oftmals polarisiert habe! Aber ich bin wie ich bin und ich habe heute wie früher vor niemandem gekuscht.", nimmt der heute 65-jährige Tuchenbacher mit Hallstadter Wurzeln eine Selbsteinschätzung vor. Sein konsequentes Auftreten, der Mut, auch mal unpopuläre Entscheidungen zu treffen und nicht zuletzt sein deutlich sichtbares Selbstbewusstsein, das manchmal eben auch als Arroganz oder Überheblichkeit gedeutet wurde, verschafften ihm zwar gehörigen Respekt - aber brachten ihm hier und da eben auch nicht nur Freunde und Schulterklopfer ein. Vor allem dann, wenn es galt, Sanktionen und Entscheidungen gegen die Heimteams auszusprechen und die Volksseele überkochte, hieß es konsequent zu bleiben. "Aber als Schiedsrichter war mir immer klar: es muss mir sch...egal sein, was die Leute über mich denken. Wichtig war nur, dass ich immer zu der jeweiligen Entscheidung, die ich getroffen habe, stehen konnte. Dass die eine oder andere dabei falsch war, lässt sich leider nicht vermeiden - aber im Moment des Pfiffes habe ich immer das entschieden, was ich wahrgenommen habe!", erklärt er. "Mut ist deshalb für mich die wichtigste Eigenschaft eines Schiedsrichters! Ich habe keine Entscheidung aus Angst vor Konsequenzen getroffen! Für mich gab es in dem Moment auch kein Heim- oder Auswärtsteam - für mich spielte Grün gegen Rot oder Gelb gegen Blau..." Und dass er auch mit Kritik umgehen konnte, zeigt nicht zuletzt seine Sammlung an "Negativ-Berichten" über ihn, die er sich deutlich sichtbar im Flur an die Wand gepinnt hat: "Das sind quasi meine gesammelten Werke...!", lächelt er heute über Schlagzeilen wie: "In der C-Klasse wäre der Schiedsrichter verprügelt worden", "Morddrohung für Reitzner", "Jagdszenen mit Folgen - Reitzners folgenschwere Pfeifentöne" oder "Reizfigur Reitzner".

Von der Bundesliga zurück auf die Kreisebene

Nachdem er seine eigene sportliche Karriere als Torwart bei der SpVgg Stegaurach aufgrund einer Verletzung früh beenden musste, widmete er sich bereits ab 1970 der Schiedsrichterei. Dass Reitzner auf der Karriereleiter als Referee bis in Bayernliga, als Assistent gar bis in die Bundesliga oder auf UEFA-Ebene aufsteigen würde, war da noch nicht abzusehen. Ein Schlüsselerlebnis war in seinem zweiten Jahr als Schiedsrichter, die Bitte seines damaligen Chefs und ehemaligen Präsidenten des 1. FCN, Walter Luther, ein Trainingsspiel zwischen der Nürnberger Meistermannschaft und der Bundeswehrauswahl zu leiten. Auf dem Feld tummelten sich Größen wie Popp, Drexler, Heidenreich oder Nüssing. "Profis gegen Bundeswehrler - keine einfache Klientel. Aber als ich dieses Spiel ohne Assistenten problemlos über die Bühne brachte, habe ich mir gedacht: dann kannst du jedes Spiel pfeifen!" Und es sollten durchaus noch größere Aufgaben auf ihn warten. Nicht nur in der Bayernliga vor teilweise über 10000 Zuschauern, sondern später sogar an der Linie in der Bundesliga! Eine Aufzählung der bedeutendsten, kuriosesten oder interessantesten Spiele seiner Karriere, würde zu viel Raum einnehmen. Unvergessen bleiben ihm jedoch seine Einsätze bei den BuLi-Derbys Köln gegen Gladbach oder Schalke - Dortmund ebenso, wie die zahlreichen internationalen Spiele wie zwischen Florenz und Kiew im Europapokal der Landesmeister. Damals mit auf dem Feld Roberto Baggio und Oleg Blochin. Aber natürlich auch die Partien, in denen es ihm "richtig an den Kragen ging!" Sei es in Heidingsfeld, wo er nach der Partie gegen Landshut Tritte abbekam und - nicht das einzige Mal - von der Polizei vom Gelände gebracht werden musste. Ein Spieler erdreistete sich sogar, ihm vor der Partie beim Einlaufen das Bein zu stellen. "Vor der Partie konnte ich nicht reagieren - aber mir war klar: das bekommt er auf dem Feld zurück. Nach fünf Minuten war er draußen...! Manchmal muss man dann eben auch ein Drecksack sein können..." Insgesamt seien für ihn sowieso die Angaben in den Beurteilungsbögen das Entscheidende gewesen, nicht, was in der Presse stand. Zwar standen in den Bögen auch schon einmal Sätze wie "Mit herrischer Gestik wirkte der Schiedsrichter herausfordernd auf die Spieler!". Aber die Regel waren Beurteilungen wie: "Seine riesige Erfahrung merkte man ihm an!", "Er stand über der Angelenheit", "Man merkte, es machte dem Schiedsrichter viel Freude, dieses Spiel zu leiten!" Das zeigt: wer so weit gekommen ist, muss auf dem Weg dahin vieles richtig gemacht haben. Aber natürlich nicht alles: "Eine meiner Schwächen war, auch bei wichtigen Spielen, oftmals zu knapp angereist bin!" So konnte es schon einmal passieren, "dass ein Reiner Calmund ebenso wie meine beiden Kollegen im Dreieck sprangen, als ich verspätet im Stadion ankam...", gibt er zu.

"Meine gesammelten Werke", so Günther Reitzner über die Ansammlung von Negativ-Berichten über seine Auftritte auf höherklassigem Parkett. Die positiven sammelte er freilich auch, die liegen allerdings abgeheftet in der Schublade...
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Keine Wehmut nach dem letzten Pfiff

"Nein, Wehmut werde ich keine empfinden! Und ich werde sicher mit einem guten Gefühl zum Ende meiner Karriere den Platz verlassen!", blickt er auf seinen letzten Einsatz an der Pfeife voraus, wenn am Sonntag das Derby zwischen Heiligenstadt und Teuchatz vorüber ist. "Warum auch Wehmut empfinden? Ich pfeife ja eigentlich seit der laufenden Saison nicht mehr und zudem konnte ich mich ja länger schon darauf einstellen, dass Schluss sein würde - die Altersgrenze von 65 ist ja bekannt!", sieht er das dann auch offizielle Ende seiner aktiven Zeit als Schiedsrichter nüchtern. "Unterm Strich war das Pfeifen für mich ein Hobby, das nun eben nach ca. 3300 Spielleitungen zu Ende geht!" Zwar könnte er in der A-Klasse weiter pfeifen, "aber ich werde ja auch nicht jünger und schließlich kommt zu den Spielen eben nicht irgendein Schiedsrichter, sondern der Obmann!", gibt er zu bedenken. Mit der gewonnenen Zeit an den Wochenenden weiß der umtriebige und vielseitig interessierte Reitzner sicher etwas anzufangen wissen. Was er jedoch weiterhin selbstverständlich ausführen wird, ist das Amt des Schiedsrichter-Obmannes. Einmal noch will er sich zur Wahl stellen. Dabei stand aufgrund einer komplizierten Augenerkrankung auch der komplette Rückzug aus allen Ämtern im Raum. Ein Eingriff rettete ihm aber die Sehkraft und die Befähigung, einen Kraftwagen zu führen und mobil zu sein. Der Aufwand, den er als aktiver Referee und Funktionär betrieben hat, ist beeindruckend und zeigt nicht nur seine Verbundenheit zur Bamberger Gruppe, sondern auch zur Schiedsrichterei selbst. Nicht nur aufgrund der rund 70 km Asphalt, die zwischen seinem Wohnort Tuchenbach und Bamberg liegen. "Wenn ich Spiele hinter Lichtenfels gepfiffen habe, habe ich definitiv finanziell draufgelegt!", bestätigt er und überschlägt grob: "Zusammenaddiert habe ich bestimmt schon über 100000 km für die SR-Gruppe Bamberg verfahren - aber die Idee, die Gruppe zu wechseln, hatte ich keine Sekunde." Auch folgende Tatsache ist bezeichnend: wahrscheinlich gibt es nur wenige Unparteiische, die in allen Bundesligastadien an der Linie standen, auf Verbandsebene agierten und im Anschluss daran auf Kreisebene so lange weiterpfeifen wie er. Ein Beleg dafür, dass es ihm eben nicht nur um Ruhm oder Bekanntheit, sondern um die Aufgabe und den Fußballsport an sich ging. 

Drei, die zubeißen können, wenn es notwendig wird: die nach dem Ende seiner aktiven Karriere gewonnene Zeit am Wochenende verbringt Günther Reitzner gerne auch mit seinen beiden Dobermann-Damen Akira und Maja.
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Schiri-Funktionär mit Leib und Seele - und Herz...

"Wenn ich etwas mache, dann entweder richtig - oder gar nicht!", erklärt Günther Reitzner seine Maxime, die er im Berufsleben als selbstständiger Verkaufstrainer und als Schiedsrichter, vor allem aber auch als Obmann der Bamberger Gruppe durchzieht. Ob als Herausgeber der SR-Zeitschrift "Dompfiff", die immer wieder deutschlandweit bis in die höchsten Gremien hinein für Beachtung und zum Teil auch Aufregung sorgt, oder als "Pfiffikus", eine von ihm erfundene Figur, in die er schlüpft, um Schiedsrichter in Gedichtform zu ehren. Dies erledigt er mit dem gleichen Herzblut, mit er seine Spiele geleitet hat. "Ich versuche immer, Klartext zu reden. Direkt, ehrlich und offen. Dem Gegenwind halte ich stand und stehe zu meinen Überzeugungen. Dass ich damit einem manchen ein Dorn im Auge bin, ist mir durchaus bewusst!" Eine dieser Überzeugungen aus Schiedsrichter-Sicht ist, dass "für die Basis leider nullkommanull Aufwand betrieben wird. Und fehlen die Mittel, um anständig und kreativ neue Schiedsrichter zu werben, es ist ein stetiger Kampf um Geld, Innovation und neue Ideen!" Diesem Kampf wird er sich im Sinne der Schiedsrichter-Gruppe ganz sicher weiter widmen. Mit seiner manchmal unbequemen, aber ehrlichen und direkten Art. Für Aufsehen sorgte eine Dompfiff-Umschlagseite, auf der der Sensenmann umgeht. Ein Textauszug dazu: "Der SR-Zuwachs ist so gering wie nie. Die Austritte sind gigantisch. (...) Auf unterschiedlichen Feldern ist viel zu tun, so dass es an Herausforderungen nicht mangelt. Entweder anpacken - oder weiter so... und scheitern!" Er widmet sich aber auch direkt und persönlich seinen Kollegen und deren Sorgen und Nöten. So ist es durchaus vorgekommen, dass er eine berufliche Erfolgsprämie im fünfstelligen DM-Bereich direkt an die Schiedsrichter-Gruppe hat durchlaufen lassen. Persönliche Geburtstagswünsche an die Kollegen sind für ihn eine Selbstverständlichkeit und manchen Schiedsrichterkollegen, denen es für den Moment nicht so gut geht oder ging, hinterlässt er am Heiligen Abend schon einmal ein Kuvert mit monetärem Inhalt im Briefkasten. Sie wissen zum Teil bis heute nicht, von wem diese stammten. Darüber hinaus besucht er ältere, kranke oder mittlerweile gebrechliche Schiedsrichter zuhause, im Krankenhaus oder Altenheim, um ihnen zu zeigen, dass sie auch nach ihrer aktiven Karriere nicht vergessen sind. Der aktive Fußballer älteren Semesters, Trainer oder Funktionär, der den Schiedsrichter Reitzner nur am Samstag oder Sonntag zu Gesicht bekam, traut ihm diese Seite vielleicht nicht zu. Da ist sie trotzdem - auf dem Feld allerdings muss man als Schiedsrichter halt dann und wann eben zeigen, wer der Herr im Haus ist - am Sonntag also zum letzten Mal, wenn es die Situation erfordert! Typisch für ihn wäre jedenfalls, wenn es dann entweder eine anständige Nachspielzeit gäbe oder, auch das kam schon vor, der Schlusspfiff erst von außerhalb ertönt, wenn Reitzner das Spielfeld schon verlassen hat und an den Zuschauern vorbei in Richtung Kabinen unterwegs ist...! Ob man ihn mag oder nicht: mit ihm hängt ein Unikat seine Pfeife endgültig an den Nagel.

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Leser-Kommentare

Steckbrief G. Reitzner

Günther Reitzner
Alter
76
Geburtsort
Hallstadt
Wohnort
Tuchenbach
Familie
geschieden, 2 Kinder
Nation
Deutschland
Beruf
Verkaufsleiter/-trainer, gelernter Fliesenleger-Meister
Hobbies
Reisen, Heim und Haus, Hunde
Lieb.-Position
Torwart
Erfolge
-Bundesliga-Linienrichter
-Linienrichter auf UEFA-Ebene
-Bayernliga-Schiedsrichter
-Leitung A-Jugend-Endspiel zur Deutschen Meisterschaft


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aufgezeichnet von Torsten Ernstberger/infranken.de

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