Aron Schmidhuber referierte: Ein ehemaliger Weltschiedsrichter zu Gast - anpfiff.info
Artikel veröffentlicht am 04.09.2013 um 12:00 Uhr
Aron Schmidhuber referierte: Ein ehemaliger Weltschiedsrichter zu Gast
MAGAZIN Die Vita Aron Schmidhubers kann sich sehen lassen: Leitung des UEFA-Super-Cup Endspieles 1987, WM-Teilnahme 1990, Leitung des UEFA-Cup Endspieles 1990, EM-Teilnahme 1992, Leitung des Endspieles im Europapokal der Landesmeister 1991/92 und des Finales der U-20 WM, Weltschiedsrichter 1992. Dazu erhielt er mehrfach die Auszeichnung als Schiedsrichter des Jahres in der Bundesliga. Am Montag war er in Bamberg zu Gast.
Von Ralf Riemke
Aron Schmidhuber gab wertvolle Tips und erzählte die eine oder andere launige Anekdote aus seiner aktiven Zeit als Schiedsrichter auf höchster nationaler und internationaler Ebene.
anpfiff.info

In einem launigen Vortrag, der die anwesenden Schiedsrichter immer wieder zum Schmunzeln und Lachen brachte, referierte der Oberbayer Aron Schmidhuber, auf Einladung von Obmann Günther Reitzner, vor den Bamberger Kollegen über Erkenntnisse aus dem Spielbetrieb. Dabei ließ er immer wieder eigene Erfahrungen einfließen und nahm die Zuhörer mit in alte Zeiten. Zunächst gab Schmidhuber aber einen kurzen Überblick über seine eindrucksvolle Karriere, die im Alter von 26 Jahren in seiner Heimat Bad Tölz begann. Weil er aufgrund einer Verletzung selbst nicht mehr aktiv Fußball spielen konnte, widmete er sich fortan ganz der SR-Karriere. Der Aufstieg ging nicht nur schnell, sondern fast schon rasant und erstaunlich reibungslos. Bereits in seinem zweiten Jahr in der Bundesliga wurde er auf die FIFA-Liste gesetzt. Bis zum Ende seiner Karriere sollte er insgesamt 26 A-Länderspiele und 143 Bundesligaspiele geleitet haben.

"Das nächste Spiel ist immer das wichtigste"

Seine eigenen Erkenntnisse, die er immer wieder auch als Ratschläge an die Zuhörer weitergab, schilderte Schmidhuber bildlich und wortgewandt. "Selbstkritik ist der erste Schritt, um besser zu werden!", erklärte der hochgewachsene und selbstbewusste Sohn eines Israelis und einer Münchnerin, der sicher zu seiner aktiven Zeit oftmals schon alleine durch sein Auftreten und sein Äußeres Respekt einflößte! Wichtig sei, so gab er insbesondere den jungen Referees mit auf den Weg, sich als Schiedsrichter Ziele zu setzen. Die dürften allerdings nicht unrealistisch sein, angesichts der Verhältnisse in der Realität: Denn von heute insgesamt gut 80.000 Referees, schafften es eben gerade einmal 22 in die Bundesliga. Auch die mittleren Klassen seien eine Anerkennung und speziell die unteren eine Herausforderung. "Wir müssen jedes einzelne Spiel ernst nehmen. Auch Reserve- oder Jugendmannschaften haben ein Anrecht darauf, eine anständige Spielleitung zu bekommen!", mahnte er. Als Unparteiischer sei es die Pflicht eines jeden, auch diese Partien mit dem nötigen Engagement anzugehen und ernst zu nehmen. Ein korrektes Auftreten sei in jeder einzelnen Begegnung unabdingbar und zwar von der ersten bis zur letzten Minute. Dabei sollte man sich immer seine Neutralität bewahren und das Spiel, das man gerade leitet, als das wichtigste ansehen. Spiele, die noch anstehen und die man selbst vielleicht als wichtiger erachtet, werden erst dann wichtig, wenn man sie tatsächlich pfeift. Eine konsequente Linie hätte Schmidhuber selbst weit gebracht. Demnach wären eine entsprechende Ansprache an die Spieler und das Durchsetzen der eigenen Linie vom An- bis zum Schlusspfiff entscheidend. Schmidhuber gab zum Besten, dass ein energisches "Schleich di!", auch bei protestierenden italienischen Profis wirke! Höchste Aufmerksamkeit sei in bestimmten Situationen wichtig. Denn der Charakter eines Spieles könne sich innerhalb von Sekunden entscheidend verändern. Ein umstrittener Strafstoß, eine durch ein Foul bedingte Verletzung, ein Tor, eine persönliche Strafe oder eine Fehlentscheidung könnten aus bis dato friedlichen Spielern auf einmal aggressive und wütende Akteure werden lassen. Deshalb müsse man solche Situationen erkennen und hochsensibel reagieren können. Gerade auch in einem Spiel, das sich auf irgendeine Art und Weise hochgeschaukelt habe, dürfe man sich nicht alles gefallen lassen, müsse dem Druck standhalten "und aus tiefster Überzeugung nur so pfeifen, wie man eine Situation sieht und einschätzt!" Als absolutes No-Go bezeichnete er beispielsweise die Schiedsrichterbeleidigung, die immer mit einem Feldverweis zu ahnden sei, egal welchen Charakter das Spiel hätte. "Bei aller Emotion, persönlich beleidigen lassen müssen wir uns nicht!"

Vollbesetzte Reihen im Sportheim des SV Dörfleins beim Vortrag von Ex-Weltschiedsrichter Aron Schmidhuber.
anpfiff.info

Anekdoten aus vielen Jahren, Ländern, Wettbewerben

Gerade die persönlichen Erfahrungen bei internationalen Spielen waren für das Publikum höchst interessant. Schmidhuber blickte für und mit den Anwesenden auf zahlreiche Spiele europa- und weltweit zurück. Beispielsweise schickte er in einem entscheidenden EM-Qualifikationsspiel einen Akteur in extrem hitziger Atmosphäre bei ausverkauftem Stadion mit Gelb/Rot vom Feld, als dieser den Ball aus Wut über eine Entscheidung weit in die Zuschauerränge drosch. Zudem fertigte er eine Meldung. Eine Woche später lief ihm der gleiche Spieler beim Endspiel der Landesmeister, dem Vorläufer der heutigen Champions League, erneut über den Weg. Nachdem er mittlerweile wohl schon von seiner Strafe durch das Sportgericht erfahren hatte, war er bei dieser Partie handzahm. Als das schwerste Spiel seiner Karriere bezeichnete er das Rückspiel im UEFA-Cup zwischen Sampdoria Genua und Real Oviedo. Die Spanier hatten vor heimischem Publikum mit 1:0 gewonnen und lagen in Italien mit 1:2 zurück, was zum Weiterkommen ausgereicht hätte. Sie spielten deshalb schon lange vor dem Abpfiff auf Zeit, kassierten dann in der letzten Minute aber noch das zum Ausscheiden führende 1:3. Schmidhuber pfiff aufgrund des Zeitspieles danach sofort ab und sah keinen Grund, die Gäste für ihre vorangegangene Unsportlichkeit auch noch mit einer Nachspielzeit zu belohnen. "Das hätte meinem ganz normalen Rechtsempfinden widersprochen!" Was folgte, war ein einziges Chaos. Er wurde angegangen und beleidigt. Noch Monate später hatte er immer wieder telefonische Belästigungen auf Spanisch auf seinem heimatlichen Apparat zu erdulden. "Aber mit diesen Dingen muss man als Schiedsrichter halt auch mal umgehen können!", zeigte er sich locker. 

Günther Reitzner übergibt im Namen der SRG Bamberg den "Pfiffikus" an Aron Schmidhuber (li.).
anpfiff.info

Viel Lebenserfahrung durch Schiedsrichterei

Als wichtigen Punkt nannte Aron Schmidhuber den Fußball als Lebenserfahrung. Denn Reisen in andere Länder brachten stets auch den Einblick in fremde Kulturen mit sich. Beispielsweise Reisen nach Island, wo der Fußballplatz direkt am Meer lag und der Ball auch schon einmal dort drin verschwand. Oder nach China, wo die Zuschauer bei jedem Feldverweis dem Schiedsrichter Applaus spendeten. Oder nach Katar zu einem WM-Qualifikationsturnier, bei dem zu Kriegszeiten die verfeindeten Länder aus Irak, Iran, China, Südkorea und Saudi-Arabien eine mehr als gespannte Atmosphäre auf den Platz übertrugen. Oder die Weltmeisterschaft 1990 in Italien, wo er vier Wochen lang unter Kontrolle der FIFA war und nach dem Achtelfinale abreisen musste, weil die deutsche Nationalmannschaft kontinuierlich von Runde zu Runde weiterkam. "Freilich hätte ich im Turnier gerne weiter gepfiffen, aber das hätte ja bedeutet, dass die Deutschen früh ausgeschieden wären!", hoffte er natürlich trotzdem immer auf ein Weiterkommen der Deutschen Nationalmannschaft. Aufgrund einer abschließenden Frage aus den Reihen der anwesenden Schiedsrichter gab Aron Schmidhuber auch einen kurzen Einblick in sein Privatleben. Zu seiner Zeit war es noch so, dass die Schiedsrichter ihrem Hauptberuf komplett nachgingen. Er musste also seinen Jahresurlaub stets für seine Einsätze hernehmen und im Prinzip kurz vor knapp zu jedem Spiel anreisen und so bald wie möglich wieder abreisen, um schnellstmöglich wieder am Arbeitsplatz sein zu können. Diesen Umstand bezeichnet er noch heute als damals harten Job. Logischerweise litt auch das Privatleben unter diesem Stress. "Aber Schiedsrichter zur damaligen Zeit zu sein, dass konnte man nur mit einem hohen Maß an Liebe zu diesem Hobby und einer gehörigen Portion Idealismus bewerkstelligen!" Und dass diese Liebe und der Enthusiasmus noch immer vorhanden sind, merkte man dem ehemaligen Weltschiedsrichter in jedem Satz an. Und dass er trotz seiner Erfolge auf dem Boden geblieben ist, sowieso.

Mit einigen Geschenken, unter anderem einem in handwerklicher Arbeit angefertigten Unikat, dem „Pfiffikus“, und unter dem Applaus der Bamberger Schiedsrichter, verabschiedete Günther Reitzner den Gast.

Kommentar abgeben

Kommentare werden unter Deinem Nicknamen und erst nach Prüfung durch die Redaktion veröffentlicht.

Leser-Kommentare


Steckbrief A. Schmidhuber

Aron Schmidhuber
Alter
77
Geburtsort
Ottobrunn
Wohnort
Eibelstadt
Familie
verheiratet
Beruf
Klinikreferent
Erfolge
-143 Bundesliga-Spiele
- 26 A-Länderspiele
- WM-Teilnahme 90
- EM-Teilnahme 92
- Endspiel Landesmeister 91/92
- Dt. Schiedsrichter des Jahres 87, 91, 92
- Weltschiedsrichter 1992


Bilder-Galerie


Meist gelesene Artikel



Diesen Artikel...