Peter Plagemann über den 34. Berlin-Marathon: Weltrekord in Berlin und ich war dabei! - anpfiff.info
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Artikel veröffentlicht am 07.10.2007 um 10:46 Uhr
Peter Plagemann über den 34. Berlin-Marathon:
Weltrekord in Berlin und ich war dabei!
Wenn man sich dazu entscheidet, einen Marathon zu laufen, egal wo und wann, sind doch schon einige Mühen und Strapazen im Vorfeld zu überwinden, um endlich am Ziel zu sein. Viele Trainingskilometer, bergauf, bergab, viele Einheiten, die manchmal richtig weh tun, aber am Ende, wenn man durch das Ziel läuft, ist aller Schmerz vergessen. Ganz besonders aber in Berlin, der Marathon-Stadt in Deutschland schlechthin.
Von
Peter Plagemann
Hier hab´ ich mich wieder geschunden, hier hab´ ich wieder versucht, mir einen Traum zu erfüllen, die Vier-Stunden-Marke zu knacken, und hier hab´ ich wieder erfahren müssen, dass man noch so vorbereitet sein kann, der Mann mit dem Hammer trifft dich doch immer wieder.
Vor dem Lauf sieht alles noch locker aus! Peter Plagemann, Ex-Trainer des SC 08 Bamberg (links im Bild), vor dem Start des diesjährigen Berlin-Marathon am 30. September.
Privat
Nervosität vor dem Start
Aber alles der Reihe nach: Freitag machte sich unsere Laufgruppe “Freaky Friday Runners Bamberg“ auf den Weg nach Berlin. Der Samstag wird immer genutzt, um ein bisschen die Stadt anzuschauen und am Abend den Inlinermarathon zu verfolgen. Dann der Sonntag, der Tag, an dem ganz Berlin Kopf steht. Morgens wie immer leichte Nervosität, die sich breit macht, da kann es schon mal passieren, dass man Cola mit Kaffee verwechselt, wie es einem meiner Mitstreiter passiert ist. Alles nochmal durchchecken, Schuhe, Hose, und ganz wichtig: Startnummer anbringen und Kleiderbeutel fertig machen. Langsam machen wir uns auf den Weg zum Start, mit S- und U-Bahn. Am Startbereich schon ein irres Gewusel von Läufern, manche schon fertig, wieder andere liegen am Boden uns schlafen, und der Rest steht vor den unzähligen Dixi-Toiletten bereit, um noch einmal die letzten Notwendigkeiten zu verrichten. Jetzt wird die Aufregung immer größer, denn wir haben uns in den Startblock eingereiht. Die Musik dröhnt über die Menschenmenge hinweg, und man sieht jedem einzelnen Läufer an, dass es ihm eigentlich genauso geht wie einem selbst. Dann der Startschuss, und die riesige Schlagen von Läufern setzt sich in Bewegung.
Riesenstimmung an der Strecke
Finger an der Uhr überschreite ich die Zeitnahmen, und dann heißt es nur noch laufen, laufen und noch mal laufen. Die ersten Kilometer gehen locker, und man hat sogar noch Zeit, die Mengenmenge am Rand zu untersuchen, ob nicht doch irgendein Bekannter an der Strecke steht. Immer wieder die Uhrenvergleiche mit den Mitstreitern, alles läuft nach Plan. An der Fünf-Kilometer-Marke bin ich genau im Soll, sogar noch etwas schneller als eingeplant. Aber meine Kumpels sagen mir immer, wenn du was gut hast, dann hast hinter raus immer einen kleinen Zeit-Puffer, den man aufbrauchen kann. Jede Getränkestation wird ausgenützt, mit Wasser oder Isostar. Die Zehn-Kilometer-Marke habe ich schon passiert, da kommt das erste große Highlight, was die Zuschauer anbetrifft. Am Alexanderplatz stehen, ich schätze mal, ca. 500 Leute und brüllen, was das Zeug hergibt. Eigentlich ist überall was los, aber an manchen Stellen eben ganz besonders. Mein persönlicher Höhepunkt kommt aber, wenn ich die U-Bahnstation Kottbussertor passiere, denn das ist meine Heimat, hier bin ich aufgewachsen. Aber für solche Sachen hat man nicht viel Zeit, denn die Menschenmasse treibt dich weiter durch die Strassen von Berlin. Im Bezirk Schöneberg ist die Stelle für den Halbmarathon. 21,0975 Kilometer habe ich hier schon hinter mir und die Uhr sagt mir, dass ich mit knapp 1 Stunde und 50 Minuten sehr gut unterwegs bin. Der Gedanke, schon mal die Hälfte geschafft zu haben, beflügelt einen und lässt dich mit neuer Frische an den Rest rangehen. Jeder, der schon mal in Berlin gelaufen ist, weiß, dass jetzt die wohl beste Stelle des Marathons kommt, was die Stimmung und Unterstützung an der Strecke angeht. Der Wilde Eber in Zehlendorf. Hier versteht man sein Wort nicht mehr. Samba-Bands, Cheerleeder,Trommler, Trompeter, einfach alles, was Lärm macht, ist hier irgendwie vertreten. Gar nicht zu sprechen von den verrückten Aktionen, die hier stattfinden, in diesem Jahr lief einer den Original-Marathon auf dem Laufband mitten auf der Strasse.
Bei Kilometer 35 kam der Mann mit dem Hammer
Als ich auf meiner Uhr 2 Stunden und 20 Minuten stehen hatte, fiel mir ein, dass doch der Haile schon längst im Ziel sein müsste. Irgendwann mal hörte ich vom Streckensprecher, dass er doch tatsächlich neuen Weltrekord gelaufen ist. Das beflügelte mich noch mehr, denn wer kann schon behaupten, dass er bei einem Weltrekordlauf dabei war. Immer noch war ich im Zeitplan, als ich so Richtung 30 Kilometer unterwegs war, merkte ich so langsam, dass mit die Beine doch etwas müde wurden... Und dann kam das, wovor sich jeder Marathonläufer eigentlich fürchtet, der Mann mit dem Hammer war da. So ab Kilometer 35 wurden mir meine Beine so schwer, der Kreislauf spielte verrückt, der Magen tat ein übrigens und so musste ich Minute für Minute miterleben, wie mir die Zeit davon rannte. Der Geist war immer noch willig, aber das Fleisch wurde immer schwächer. Und so schleppte ich mich über die Strecke, und versuchte wenigstens noch eine für mich passable Zeit zu erzielen. Endlich war das Brandenburger Tor in Sicht. Erlösung machte sich breit, als ich durch die Tormitte ging, und jetzt holte ich mir meinen verdienten Lohn, den Applaus der ca. 10 000 Zuschauer entlang der letzten 200 Meter. Als ich an unserer Fangruppe vorbei kam, entbrannte noch mal ein riesiger Jubelschrei. Mit den letzten schweren Schritten gehe ich erschöpft, kaputt, dem Kollaps nahe, aber unheimlich glücklich über die Ziellinie. Die Uhr bleibt für mich bei 4:04:21 stehen. Wieder einmal den inneren Schweinehund besiegt, wieder einmal allen gezeigt, dass du es kannst, wieder einmal deinen Körper an den Rand seiner Kraft gebracht, wieder einmal erlebt, was es heißt, einen Marathon zu laufen. Mag es für andere, die schneller laufen, amüsant sein, wenn ich bei 4 Stunden so kaputt bin, für mich aber ist es jedes mal wieder ein Highlight zu erleben, was es heißt, angekommen zu sein. Ich hole mir meine Medaille, die bekommen übrigens alle Läufer, nehme mir noch eine Wärmefolie und setzte mich irgendwo hin und erhole mich. Ich schaue in die erschöpften aber zufriedenen Gesichter und denke mir: Ich komme nächstes Jahr wieder hierher und will dabei sein!
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