Im NLZ von Greuther Fürth: Ein Blick hinter die Kulissen - anpfiff.info
Artikel veröffentlicht am 29.06.2012 um 14:30 Uhr
Im NLZ von Greuther Fürth: Ein Blick hinter die Kulissen
Nach etlichen Anläufen hat es die SpVgg Greuther Fürth endlich geschafft und ist in das Fußball-Oberhaus Deutschlands aufgestiegen. Nicht zuletzt ein Verdienst der traditionell hervorragenden Jugendarbeit der Mittelfranken, aus der regelmäßig Nachwuchsspieler in den Lizenzkader stoßen. Wie kommen diese Talente aber überhaupt in das Nachwuchsleistungszentrum? anpfiff hat jemanden gefragt, der es wissen muss: Jürgen Brandl, Juniorenleiter der mittelfränkischen Talentschmiede und Koordinator der B- und A- Junioren.
Von Erkan Yilmaz
Jürgen Brandl, SpVgg Greuther Fürth.
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Herr Brandl, welche Wege gibt es für junge Fußballer, in das Nachwuchsleistungszentrum der SpVgg Greuther Fürth aufgenommen zu werden?

Jürgen Brandl: Hauptsächlich über das Scouting unserer Jugendtrainer. Jedes Jahr erstellen wir einen Sichtungsplan mit Terminen, beispielsweise mit uns bekannten, größeren Turnieren, zu denen einer der Jugendtrainer hinfährt und sich die Spieler anschaut. Gegebenenfalls werden dann Talente oder ihre Eltern angesprochen und Möglichkeiten für einen eventuellen Wechsel ausgelotet. Außerdem führen wir regelmäßig unsere Talenttage durch, an denen sich hauptsächlich Spieler aus dem Kleinfeldbereich empfehlen können.

Ab welcher Altersstufe wird gesichtet und worauf wird bei der Sichtung besonderer Wert gelegt?
Jürgen Brandl: Grundsätzlich bereits ab der E-Jugend, allerdings hier meist nur regional und gezielt, wenn beispielsweise ein Trainer einen Tipp bekommt. Überregional fangen wir erst ab der D-Jugend an, nach Talenten zu suchen. Wichtig ist, dass das Ganze sinnvoll bleibt und die jungen Spieler nicht zu lange Fahrten auf sich nehmen müssen. Professionelles Scouting, bei dem sich unsere Trainer bereits im Vorfeld über einen bestimmten Spieler informieren und ihn gezielt sichten, betreiben wir eigentlich erst ab der C-Jugend, das aber dann schon bayernweit. Ab der U17 und besonders ab der U18 sichten wir dann gezielt in ganz Süddeutschland. Unsere Trainer haben dafür einen standardisierten Sichtungsbogen zur Hand, in den sie ihre Ergebnisse eintragen können. Hier werden die Spieler nach Kriterien aus Bereichen der Technik sowie nach Schnelligkeit, Agilität oder auch nach dem Verhalten im Raum beurteilt. Große Bedeutung für uns in der Juniorenleitung hat dabei das persönliche Fazit des jeweiligen Scouts, wo er seinen Gesamteindruck von dem Spieler objektiv schildern kann.

Perfekte Haltung....
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Welche Voraussetzungen müssen künftige Kleeblatt-Spieler mitbringen und was ist - neben der Leistungsstärke - das Wichtigste, um nach der Jugend den Sprung in den Lizenzkader zu schaffen?
Jürgen Brandl: Im Kleinfeldbereich suchen wir vor allem nach Bewegungstalenten. Im Aufbaubereich, also der D- und C-Jugend, stehen dann vor allem fußballerische Fähigkeiten im Vordergrund. Wer es dann in unseren Leistungsbereich ab der B-Jugend geschafft hat, den müssen wir nicht mehr groß nach fußballerischen Fähigkeiten beurteilen, das sind eigentlich alles tolle Spieler. Dann zählen vor allem die Umsetzung der taktischen Vorgaben, Zielstrebigkeit, die Bereitschaft fast täglich zu trainieren und vor allem der Wille, in jedem Training und in jedem Spiel an seine Leistungsgrenze zu gehen und das vorhandene Potenzial auch abzurufen.

Wie sieht das Ausbildungskonzept aus? Wie ist das Training aufgebaut?
Jürgen Brandl: Es gibt für unsere Jugendtrainer einen Leitfaden, welche Schwerpunkte in welchem Jahrgang besonders zu trainieren sind. So spielen alle unsere Jugendmannschaften in einem bestimmten taktischen System, dass der Altersstufe entsprechend vorgegeben ist. Zu den Trainingsschwerpunkten haben wir jeweils verschiedene Übungen zusammengestellt, aus denen sich der Trainer dann sein Programm generieren kann. Fortlaufende interne Schulungen - auch im Bereich des Scoutings - haben für uns große Bedeutung.

Mit welchem Aufwand müssen Jugendspieler - und ihre Eltern - rechnen?
Jürgen Brandl: Bis zum jüngeren C-Jahrgang haben die Spieler meist vier Einsätze in der Woche, in der Regel dreimal Training und ein Spiel am Wochenende. Danach wird es natürlich noch intensiver, die C1 sowie die B- Jugend trainiert dann schon viermal, die A-Jugend absolviert bis zu fünf oder gar sechs Einheiten in der Woche.

"Spaß haben - und hart trainieren!" Zwei Aspekte auf dem Weg zum Erfolg.
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Das bringt die Frage nach Schule oder in den älteren Jahrgängen Arbeit, bzw. Ausbildung mit sich. Inwieweit wird das berücksichtigt?
Jürgen Brandl: Grundsätzlich gilt: Schule oder Job haben Vorrang! Alle Trainingseinheiten sollen nach Möglichkeit mit diesen Verpflichtungen im Einklang stehen. Wir achten bei Schülern genau darauf, dass die Leistungen in der Schule stimmen. So sammeln wir - das Einverständnis der Eltern vorausgesetzt - die Zeugnisse ein, beurteilen sie auch nach dem jeweiligen Fortschritt und laden, sofern wir Handlungsbedarf sehen, die Eltern zu einem Gespräch ein, um die Situation zu besprechen und eine gemeinsame Lösung zu finden. Dennoch liegt die Hauptverantwortung bei den Eltern. Meiner Erfahrung nach hat Fußball nur selten Schuld an schlechteren schulischen Leistungen. Die richtige Struktur des Tagesablaufs und ein gutes Arbeitsverhalten sind das A und O, um beides miteinander in Einklang zu bringen. Jedenfalls möchten wir nicht, dass einer unserer Spieler die Schule abbricht, um Profi zu werden. Edgar Prib beispielsweise hat nach der A-Jugend fast eine ganze Saison in der U23 gespielt, obwohl er es auch gleich in den Profikader hätte schaffen können. Es war uns, und auch Edgar, einfach wichtig, dass er erst sein Abitur schreibt und sich dann erst voll auf seine Profilaufbahn konzentriert.

Die SpVgg Greuther Fürth verfügt bekannterweise über ein Jugendinternat, so wie es auch von der DFL vorgeschrieben ist. Wie kann man einen dieser begrenzten und begehrten Plätze ergattern?
Jürgen Brandl: Grundsätzlich steht das Internat jedem Spieler ab der U15 offen. Da wir allerdings aktuell nur zwölf Plätze haben, werden nur Spieler aufgenommen, die eine nicht zumutbare Anfahrt nach Fürth hätten. Außerdem müssen sie zu den absoluten Leistungsträgern ihrer jeweiligen Mannschaft gehören.

Gibt es einen "idealen" Zeitpunkt zum Wechsel in ein Profi - Nachwuchsleistungszentrum?
Jürgen Brandl: Definitiv Nein! Das Gesamtpaket muss stimmen, Spieler aus der unmittelbaren Umgebung können prinzipiell gar nicht früh genug wechseln. Ob es dagegen sinnvoll ist bei Zehnjährigen viermal in der Woche über eine Stunde Anfahrt in Kauf zu nehmen, darüber lässt sich diskutieren. Aber das müssen die jeweiligen Familien für sich selbst entscheiden. Ab der D-Jugend dagegen sollte man schon langsam über einen Wechsel nachdenken, wenn es dann einmal in die Jugend-Bundesligen gehen soll. Die meisten Spieler wechseln bis zur U15 oder U16 in das NLZ, ab der U17 und später dagegen ist es fast schon unmöglich, von einem kleinen Verein aus den Sprung zu schaffen. Doch auch hier gilt: Ausnahmen bestätigen die Regel. Spieler aus dem aktuellen Profikader, wie beispielsweise Sararer, Prib, Klaus, Baumgärtel, Geis oder Schröck, der nach Hoffenheim wechselt, sind alle zwischen der U10 und U16 zu uns ins NLZ gekommen. Auch Ilir Azemi, der in der neuen Saison zum Profikader stößt, hat schon unsere Teams ab der U16 durchlaufen.

Gibt es eine Art "Patentrezept" für Kinder und Jugendliche, um erfolgreiche Fußballer zu werden?
Jürgen Brandl: Ein Patentrezept gibt es nicht. Wichtig ist, dass im Kleinfeldbereich die Freude am Sport und an der Bewegung im Vordergrund steht. „Bewegungstalente“ ist hier das Stichwort. Eltern und Trainer sollten in diesem Bereich nicht überehrgeizig sein, sondern den Kindern hauptsächlich den Spaß am Fußball vermitteln. Im Bereich der D- und C- Jugend sind neben fußballerischen Kenntnissen vor allem auch pädagogische Fähigkeiten der Übungsleiter gefragt, während in den älteren Altersklassen der Trainer enorm an Wichtigkeit gewinnt. Mein Tipp an alle Spieler sämtlicher Jugendaltersklassen: Habt Spaß und trainiert fleißig!

anpfiff bedankt sich herzlich für das ausführliche Interview!

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