FIFA-Schiedsrichterin im Portrait: "... immer schwieriger, Schiedsrichter zu finden!" - anpfiff.info
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Artikel veröffentlicht am 30.03.2012 um 12:00 Uhr
FIFA-Schiedsrichterin im Portrait:
"... immer schwieriger, Schiedsrichter zu finden!"
Elke Günthner hat es geschafft. Als junge Schiedsrichterin begann sie aus Interesse am Spiel ihre Karriere, was der Beginn eines steilen Aufstiegs war. Was in den Niederungen der oberfränkischen Spielkreise begann, endete als Schiedsrichterin bei der Weltmeisterschaft in den USA, beim Finale der Champions-League und auch beim DFB-Pokal-Endspiel in Berlin. Heute wohnt sie zwar in Bochum und ist nebenberuflich als FIFA-Beobachterin tätig, dennoch kehrt sie an Wochenenden in ihre bayerische Heimat zurück und ist noch als Schiedsrichterin tätig.
anpfiff
bat die deutsche Schiedsrichter-Ikone des Frauenfußballs zu einem interessanten Gespräch.
Von
Simon Weber
Wann und wie wurden Sie Schiedsrichterin?
Elke Günthner:
Ich habe 1980 mit 15 Jahren die Schiedsrichter-Prüfung abgelegt. Der Grund war, dass mein Vater Schiedsrichter war und meine beiden Brüder Fußball spielten. Ich wuchs auf dem Fußballplatz auf und ich liebte Fußball, aber es gab damals keine Frauenfußballmannschaft in Bamberg. Daraufhin schlug mein Vater vor, Schiedsrichterin zu werden, was ich dann auch machte. Da ich sehr jung war, habe ich am
Anfang erst mal Spiele im Schüler- und Jugendbereich gepfiffen. Ab 1985 durfte ich dann in den damaligen C bis A-Klasse Spiele pfeifen. Zu der Zeit spielte ich auch dann in Hallstadt in der Frauenfußballmannschaft, wurde mit Hallstadt bayrischer Vizemeister und schaffte es über die Oberfrankenauswahl bis in die Bayernauswahl.
Dennoch haben Sie aufgehört.
Elke Günthner:
Ich beendete meine Fußballkarriere 1991, da ich als Schiedsrichterin aufstieg ich mich deshalb darauf konzentrierte. 1989 stieg ich dann als Schiedsrichter in die Bezirksliga auf und durfte zum ersten DFB-Frauenschiedsrichterlehrgang nach Osnabrück, wo damals die Europameisterschaft der Frauen stattfand. 1990 konnte ich den Aufstieg in die Bezirksoberliga und 1991 den Aufstieg in die Landesliga feiern– außerdem die Berufung auf die erste DFB-Frauenschiedsrichterliste, die damals eingeführt wurde. Im Frauenbereich durfte ich dann Spiele in der damals neu gegründeten und noch in Nord und Süd geteilten Frauenbundesliga leiten. 1994 war ich dann Schiedsrichterin im DFB-Pokalendspiel in Berlin, ehe 1995 der Aufstieg in die Herren-Bayernliga folgte.
Auch international machten Sie von sich reden.
Elke Güthner: Ja,
gleichzeitig mit dem Bayernliga-Aufstieg erfuhr ich die Berufung auf die erste damals neu eingeführte FIFA-Schiedsrichterinnenliste. Im Frauenbereich durfte ich somit ab sofort Länderspiele leiten. 1998 war ich dann die erste deutsche Schiedsrichterin in einem europäischen Endspiel, dem der U-20
Fraueneuropameisterschaft. 1998 wurde ich auch noch zur Sportlerin des Jahres in Bamberg gekürt und 1999 war ich die erste deutsche Schiedsrichterin bei einer Frauenfußballweltmeisterschaft in den USA. 2003 war ich auch die erste deutsche Schiedsrichterin beim Endspiel der Frauen-Champions League. Exotisch wurde es, als ich 2003 Schiedsrichterin bei der Universiade, den Studentenweltmeisterschaften in Dageu in Südkorea war, ehe ich 2005 zur Schiedsrichterin des Jahres in Deutschland gewählt wurde.
Elke Günthner, die deutsche Schiedsrichterpionierin aus Oberfranken.
anpfiff.info
Was waren die Höhepunkte in positiver und negativer Hinsicht?
Elke Günthner:
Positive Höhepunkte waren zum einen die Teilnahme an der Weltmeisterschaft 1999 in den USA und zum anderen die beiden europäischen Endspiele, das Pokalendspiel in Berlin sowie die Universiade in Südkorea. Negativer "Höhepunkt" war ein Spiel der Landesliga in Heidingsfeld. Es müsste 1994 gewesen sein, als ich mit meinem Gespann unter Polizeischutz das Spielfeld und das Stadion verlassen musste. Die Erinnerungen daran sind sehr präsent. So etwas vergisst man einfach nicht.
Wie kam es zum Ende Ihrer Karriere und was machen Sie heute?
Elke Günthner:
Ich hatte im August 2006 einen Unfall und konnte
daraufhin meine Karriere nicht vorsetzen. Zu diesem Zeitpunkt war ich noch aktuell auf der FIFA-Liste, Schiedsrichterin der Bayernliga und in der Frauenbundesliga. Ende der Saison 2006/2007 habe ich dann offiziell meine aktive Karriere beendet. 2007 wurde ich dann sofort Beobachterin im DFB-Bereich und 2009 wurde ich dann auch Beobachterin der UEFA und fahre somit zu internationalen Frauenspielen. Aktuell am Wochenende nach Portugal zum EM-Qualispiel Portugal – Tschechien am Freitagabend in Porto.
Elke Günthner
Verein:
DJK Geisfeld
Beruf:
Personalleiterin am Schauspielhaus in Bochum
Hobbys:
Skifahren, Wandern,
Reisen, Theater, Sport allgemein
Alter:
47 Jahre
Familienstand:
ledig
anpfiff.info
Wie sehen Sie die Zukunft des Schiedsrichterwesens im Allgemeinen und in unserem Spielkreis im Besonderen?
Elke Günthner:
Ich denke, es wird in Zukunft immer schwieriger gerade in den unteren Klassen genügend Leute zu finden, die bereit sind Schiedsrichter zu machen. Denn es gibt für mich einen besorgniserregenden Trend: Den jungen Leuten wird eine schnelle und steile Karriere versprochen. Die jungen Schiedsrichter sind motiviert. Wenn sie nach einigen Jahren feststellen, dass die Karriere stagniert und sie es nicht weiter nach oben schaffen, dann hören sie auf. Somit fehlen diese Schiedsrichter für den unteren Bereich. Es gibt immer weniger Schiedsrichter die sehr viele Jahre als solche tätig sind, vor allem in den unteren Klassen. Alle wollen nur nach oben, und wenn das nicht funktioniert, dann ist eben Schluss. Mit der Folge, dass es immer weniger Schiedsrichter für die unteren Klassengibt.
Dieser Trend gilt auch für unseren Spielkreis.
Welche Inhalte sind besonders wichtig, wenn junge Schiedsrichter geschult werden?
Elke Günthner:
Bei der Schulung ist für mich nicht nur die Theorie wichtig – sicher ohne diese Grundlagen geht es nicht. Aber man muss die jungen Schiedsrichter vor allem auf die Praxis vorbereiten – was tue ich wenn das Spiel nicht so läuft, wie reagiere ich auf Kritik, wie bekomme ich ein Spiel wieder in den Griff, was ist Persönlichkeit, wie wirke ich nach außen und so weiter. Diese Dinge kommen für mich in den Schulungen zu kurz.
Sollten Schiedsrichter auch eine gewisse soziale Kompetenz mitbringen?
Elke Günthner:
Nein, ich glaube soziale Kompetenz ist keine
Grundvoraussetzung. Ich denke man muss ein gewisses Maß an Selbstvertrauen und gegebenenfalls Mut und Entscheidungsfreude haben. Aber man kann das auch alles lernen. Denn wenn ich zurück denke, als ich mit 15 Jahren begann, da brachte ich auch keine Kompetenzen oder spezielle Voraussetzungen mit. Im Gegenteil, man kann als Schiedsrichter viele Dinge für seine schulische oder berufliche Laufbahn lernen. Kompetenzen wie: Durchsetzungsvermögen, Auftreten, Selbstvertrauen, Entscheidungen treffen, Entscheidungen verkaufen und so weiter.
Hat Ihnen die Schiedsrichterei in dieser Hinsicht geholfen?
Elke Günthner:
Ich persönlich bin der Meinung, dass ich ohne meine
Schiedsrichterlaufbahn nicht diese berufliche Laufbahn hätte machen können. Denn gerade die genannten Kompetenzen haben mich zu einer Persönlichkeit heranreifen lassen, die es auch verstanden hat, sich im Berufsleben durchzusetzen und „ihren Mann“ zu stehen.
Welche Vorteile haben weibliche Schiedsrichter?
Elke Günthner:
Ich denke gegenüber weiblichen Schiedsrichtern sind die
Beleidigungen von Seiten der Spieler nicht ganz so heftig. Außerdem kann man als Schiedsrichterin gegenüber den Spielern schon mal ein bisschen den „Charme“ spielen lassen. Allerdings wenn bei Schiedsrichterinnen Fehler passieren, dann wird das oft noch belächelt so nach dem Motto: Naja was erwartet man von einer Frau. Das finde ich oft ärgerlich und auch dumm. Außerdem werden Schiedsrichterinnen manchmal noch nicht ernst genommen.
Und wie sieht es bei den Männern aus. Welche Vorteile haben die?
Elke Günthner:
Männer haben den Vorteil, dass sie von Anfang an ernster genommen und besser akzeptiert werden. Eine Frau muss sich dies immer erst hart erarbeiten.
Welchem Verein drücken Sie die Daumen?
Elke Günthner:
Natürlich dem 1.FC Nürnberg und seit der Kindheit finde ich Schalke 04 gut.
Wo ist das Pfeifen leichter? In höheren Ligen oder in den
"Niederungen"?
Elke Günthner:
In den höheren Ligen hat man den Vorteil, dass man
nicht alleine ist und die Hilfe von Assistenten hat. Das hilft natürlich vor
allem beim Abseits. Aber je höher man kommt, um so cleverer werden auch die Spieler. Sie fallen bei der kleinsten Berührung, versuchen das Beste für sich heraus zu holen und dabei auch den Schiedsrichter zu täuschen. Da ist es teilweise sehr schwierig zu unterscheiden, Foul oder nicht Foul. Außerdem geht alles viel schneller, die Bewegungsabläufe, die Spielabläufe, die Spieler sind wesentlich athletischer. Da in den unteren Klassen alles langsamer geht, die Spieler nicht so athletisch und nicht so schnell sind, erkennt man die Foulspiele leichter als weiter oben. Aus diesen Gründen, denke ich, ist es „oben“ schon
schwieriger.
anpfiff
bedankt sich für das Gespräch und wünscht Elke Günthner alles Gute für die Zukunft!
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