Tumulte nach dem Schlusspfiff: Jagdszenen auf dem Schleeriether Rasen - anpfiff.info
Artikel veröffentlicht am 22.03.2024 um 12:00 Uhr
Tumulte nach dem Schlusspfiff: Jagdszenen auf dem Schleeriether Rasen
Szenen, wie es sie nach dem Schlusspfiff der Kreisliga-Partie zwischen der SG Schleerieth und Türkiyemspor Schweinfurt am Sonntag zu sehen gab, haben, darüber sollten sich alle einig sein, auf dem Fußballplatz nichts verloren. Was genau passierte, ist wohl nur schwer aufzuarbeiten. anpfiff.info hält sich an die Fakten und lässt Vertreter beider Vereine zu Wort kommen.
Von Marco Heumann
Das Spiel

2:1 siegte Türkiyemspor nach 90 umkämpften Minuten und schaffte damit den Sprung an die Tabellenspitze der Kreisliga 1. Zunächst jedoch lagen vor 200 Zuschauern in Schleerieth die Gastgeber vorne. Jonas Kündiger traf bereits nach acht Minuten.Ruslan Nyukhalov sorgte nach einer guten halben Stunde für den Ausgleich. Nach 77 Minuten traf er dann erneut zum 2:1 für die Gäste. Die waren zu diesem Zeitpunkt nur noch zu Zehnt auf dem Platz. Aiman Chibani hatte nach 54 Minuten rot gesehen. In die letzten Minuten der Partie ging es nach einer Zeitstrafe gegen Emir Bas gar mit neun gegen elf. Türkiyemspor brachte den Vorsprung über die Zeit und sicherte sich die Tabellenspitze. Übrigens: Bereits beim Hinspiel am Hutrasen war es nach einer roten Karte hitzig zugegangen. Damals jedoch blieb es beim verbalen Austausch von „Freundlichkeiten“.

War am Sonntag dabei: Türkiyemspors Emir Bas (li.) - hier gegen den Unterspiesheimer Jano Lutz.
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Das „Nachspiel“

Ein Video, das seit Tagen kräftig weiterverschickt wird, zeigt das Geschehen nach dem Schlusspfiff. Zahlreiche Zuschauer, offenbar von beiden Seiten, bevölkern neben den Spielern der Teams das Feld. Es wird diskutiert, aber es gibt keine Handgreiflichkeiten. Als sich die Akteure beider Mannschaften auf den Weg in die Kabine machen, ist am Rande des Spielfelds eine erste Schubserei zu erkennen. Kurz darauf bildet sich auf dem Spielfeld ein neuer Pulk, aus dem ein Zuschauer – offenbar der Gastmannschaft angehörend – davonrennt. Er wird verfolgt. Ein anderer Zuschauer zieht eine Glasflasche aus seiner Hosentasche und setzt zum Wurf an. Er wird von hinten zu Boden gerissen, die Flasche fliegt aber. Als er auf dem Platz liegt, wird er von zwei Spieler der Gäste angegangen und offenbar auch getreten. Er bleibt liegen. Wenig später gibt es am Rande des Platzes ein weiteres Handgemenge, in das auch der Zuschauer verwickelt ist, der bereits an der ersten Schubserei beteiligt war. Die Lage beruhigt sich dann offenbar. Später rückte die Polizei an. Ein entsprechender Einsatz der Inspektion Schweinfurt wurde anpfiff.info auf Nachfrage bestätigt.

Das Vereinsheim der SG Schleerieth im Jahr 2013.
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Was sagen die Vereine

Tobias Reuß (Vorsitzender SG Schleerieth): „Wir wollen keine Gewalt auf dem Platz. Die hat da nichts verloren. Und wir wollen auch nicht in die rechtsradikale Ecke gestellt werden. Da gehören wir auf keinen Fall hin und das entspricht auch nicht den Werten, die wir als Verein vorleben. Das Ganze wirft kein gutes Bild auf den Fußball und die Kreisliga. Das Spiel selbst war hitzig und intensiv. Das gehört auch zum Fußball dazu. Es war auf keinen Fall außergewöhnlich hart oder so, auch wenn es viele gelbe Karten gab. Nach dem Schlusspfiff haben sich die Spieler von Türkiyemspor natürlich über den Sieg gefreut und auch ein wenig vor der Schleeriether Bank gefeiert, gemeinsam mit ihren Zuschauern, die auf den Platz gelaufen waren. Dabei ist vielleicht auch ein wenig provoziert worden. Es gab dann Diskussionen und auch ein wenig Geschubse, aber nichts Ernstes. Was dabei an Worten gefallen ist, weiß ich nicht. Das war zwischen Spielern und soll auch da bleiben. Insgesamt war die Lage sehr unübersichtlich. Deswegen gab es auch nicht den einen Auslöser, für das, was dann noch passiert ist. Einer unserer Betreuer hat das Geschehen gefilmt. Das Handy wurde ihm abgenommen und dann an einen weiteren Zuschauer der Gäste weitergegeben, der damit die Flucht ergriffen hat. Daraus entwickelte sich die Szene, die jetzt viel diskutiert wird. Das Handy wurde übrigens später ohne Probleme wieder zurückgegeben und es haben sich auch Zuschauer von Türkiyemspor um den am Boden liegenden Schleeriether gekümmert. Alles andere wurde von der Polizei aufgenommen und wir werden sehen, was passiert. Wir werden das Ganze im Verein sauber aufarbeiten und auch mit unseren Spielern und Zuschauern noch einmal reden. Sollte es von dort Entgleisungen gegeben haben, werden wir deutlich machen, dass das so nicht geht. Wir distanzieren uns ganz klar davon, aber auch von Vorwürfen, dass nach der Partie ganz gewusst ein rechtsradikales Lied in der Kabine gelaufen ist. Es handelt sich um einen Song von Rammstein, der aber nicht eigens gespielt wurde, sondern Teil der Standard-Playlist der Mannschaft ist. Wir haben uns vor der Partie echt Gedanken gemacht und haben, trotz des Wissens, dass wegen Ramadan die meisten türkischen Fans nichts essen werden, dafür entschieden, alternativ zur klassischen Bratwurst Laugenstangen mit Käse anzubieten.“  

Güyen Behrwind (Vorstandsmitglied Türkiyemspor Schweinfurt): „Wir möchten unsere Stellungnahme damit einleiten, dass wir uns ausdrücklich von jeglicher Form von Gewalt auf dem Fußballplatz distanzieren und diese aufs Schärfste verurteilen. Die Vorfälle vom vergangenen Sonntag stimmen uns als gesamten Verein bestürzt. Vor allem anderen möchten wir auf diesem Wege all denjenigen, die am vergangenen Sonntag Verletzungen davongetragen haben, schnelle und vollständige Genesung wünschen. Der Sport und insbesondere der Fußball steht in unseren Augen für Fairness, Sportsgeist, Integration und Gemeinschaft, nicht für Hass, Ausgrenzung und Gewalt. Die vorgenannten Werte sind für unseren Verein essenziell und unabdingbar. (…) Wir werden den vergangenen Sonntag intern kritisch analysieren und angemessene Konsequenzen – gegebenenfalls auch vereinsrechtlicher Natur – gegen diejenigen Personen verhängen, die die Grundwerte unseres Vereins am vergangenen Sonntag missachtet haben. (…) Letzten Endes nehmen die unschönen Vorfälle nach Schlusspfiff ihren Anfang bereits innerhalb der 90 Minuten. Den Schuh hierfür müssen sich nach diesseitiger Auffassung beide Vereine und deren Anhänger anziehen. Bereits während des Spiels hat sich die Stimmung auf dem Feld, wie auch im Zuschauerbereich, zunehmend zugespitzt. Was nach unserer Auffassung als hinnehmbare, ja gar gewünschte Emotionalität begann, schlug mit zunehmender Spieldauer und Spielentwicklung in Aggresivität und Provokation um. Es ist müßig, sich daran aufzuhängen, welche Partei hier weiter über die Stränge geschlagen hat. Nach diesseitiger Wahrnehmung kam zu einer Vielzahl von Zwischenrufen und Beleidigungen, deren Inhalt hier lieber unerwähnt bleiben soll. Die Funktionäre und Fans beider Teams sollten die Vorfälle zum Anlass nehmen, die Entwicklungen auf und neben dem Platz kritisch zu hinterfragen. Es bestürzt uns leider nach wie vor, wie deutlich unsere Spieler und Fans insbesondere bei Gastspielen mit Ablehnung gestraft werden. Andererseits sehen auch wir als Verein, dass unsere Spieler und Teile unserer Fans solchem Verhalten nicht mit gutem Beispiel entgegentreten, sondern sich – wie auch am Sonntag – hiervon einnehmen lassen. Insofern ist es uns als Verein bewusst, dass wir ebenso vehement, wie wir es von anderen fordern, auch ,vor der eigenen Türe kehren‘ müssen. (…) Die Geschehnisse nach Schlusspfiff sind auch nach unserer Bewertung inakzeptabel. Es hat sich ein unübersehbarer Tumult mit zahlreichen Beteiligten auf dem Feld gebildet. Hierbei kam es zu mehreren ,Streitherden‘, deren einzelner Ursprung sich nach gründlicher Aufarbeitung seit Sonntag kaum nachvollziehen lässt. Wir als Verein gehen kritisch mit der Art und Weise um, wie der verdiente und bedeutsame Auswärtssieg nach Schlusspfiff gefeiert wurde. Wir haben unsere Spieler und Fans in den letzten Tagen bereits deutlich darauf aufmerksam gemacht, dass die dabei zutage getretenen Provokationen untunlich sind und dem Grundsatz fairen Sportsgeistes widersprechen. Besonders bestürzt sind wir über die Tatsache, dass scheinbar ein Schleeriether Fan im Rahmen der Auseinandersetzungen verletzt worden ist. Wir wünschen dem Fan auf diesem Weg schnelle Genesung. (…) Allerdings ist es nun auch so, dass ebenso Spieler wie Fans unserer Mannschaft bei den Vorfällen des vergangenen Sonntags nicht unerheblich verletzt wurden. (…) Wir werden die juristische Aufarbeitung der Vorfälle auch zu Lasten unserer Spieler oder Fans nicht beeinträchtigen. Diejenigen, die am vergangenen Sonntag die Grenze des gesellschaftlich Gewünschten, sportlich Gebotenen oder aber gesetzlich Erlaubten überschritten haben, sollen hierfür zur Verantwortung gezogen werden, unabhängig von den Vereinsfarben.“

War auch am Samstag auf dem Platz dabei: Schleerieths Roman Bechtold.
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Wie es weitergeht

Bei der Polizei in Schweinfurt laufen, das wurde auf Anfrage der Mainpost bestätigt, Ermittlungen. Es werde wohl mehrere Körperverletzungsdelikte geben. Und auch das Sportgericht wird sich mit der Partie noch einmal befassen. Die SG Schleerieth hat als erste Konsequenz in einer Vorstandssitzung beschlossen, künftig nicht mehr gegen Türkiyemspor Schweinfurt anzutreten.

Anmerkung der Red.: Bei den hier geschilderten Sachverhalten und Stellungnahmen geht es anpfiff.info um eine Darstellung von Fakten, die auf dem uns vorliegenden Video zu sehen sind. Etwaige andere „Vorwürfe“ bleiben deshalb in der Berichterstattung außen vor. Klar ist aber – und das machen beiden Seiten deutlich – dass ein solches Gebahren auf dem Sportplatz nichts zu suchen hat.

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Spielstenogramm

Türkiyemspor SV-12 Schweinfurt: Ayyildiz, Kocamaz, Nyukhalov, Bas, Öztürk, Dorsch, Topuz, Kirchner, Aktepe, Chibani, Yeniay S. / Gilmanov, Aydin F., Akgün, Aktas, Demirkan, Tekerek (67.), Bayat (50.), Deniz (90.+1)
Tore: 1:0 Kündiger J. (8.), 1:1 Nyukhalov (32.), 1:2 Nyukhalov (77.)
Gelbe Karten: Pfeuffer A. (32.), Pehlic (42.), Fischer A. (54.), Kündiger J. (60.), Pfeuffer M. (69.), Bechthold (85.), Bechtold I. (88.) / Aktepe (35.), Bas (57.), Bayat (69.), Topuz (90.+5) | Zeitstrafen: - / Bas (87.) | Rote Karten: - / Chibani (54.)
Zuschauer: 200 | Schiedsrichter: Phillip Trenk (FC Teutonia Reichenbach)


Direkte Duelle beider Teams

Saison
Sieger
Liga
Erg.
2019/20
Toto
 0:4
2021/22
Relegation
 0:2
2022/23
-
KL
 3:3

Tabelle Kreisliga 1 Schweinfurt

Pl.
Team
Sp
Tore
Pkt
2
21
48:25
43
4
21
37:30
37
6
20
35:34
32
7
20
37:35
30
8
21
44:43
28
10
20
36:46
23
11
21
31:42
23
13
18
25:28
20
14
21
27:39
18
16
21
23:60
12
Bei punktgleichen Teams: Sondertabelle der Punktgleichen

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