Verbandstagsbeschluss
Als ich vor Kurzem von dem mit knapper Mehrheit [108:94] gefassten Beschluss des BFV-Verbandstages erfuhr [23./24. Juli in Bad Gögging], die Passgebühren zum 1. Dezember 2010 um ca. 300 % zu erhöhen, kamen mir Zweifel an der Ernsthaftigkeit der Absicht des BFV und seiner Verbandstags-Delegierten, dem Wohl der ihnen anvertrauten Vereine wirklich dienen zu wollen.
Begründung des Beschlusses
Für die Vereine, die über geplante Regeländerungen [z. B. Rückwechsel] bei den Kreis- und Bezirkstagen genau informiert und um ihre Meinung befragt worden waren, kommt dieser Beschluss „wie ein Blitz aus heiterem Himmel“. Der BFV begründet diesen, von Dr. Koch mit demagogischem Geschick herbeigeführten und mit knapper Mehrheit beschlossenen Schritt im jüngsten „BFV-Newsletter“, mit „grundlegenden sportpolitischen und haushaltspolitischen Erwägungen zur Zukunftssicherung des Verbandes und des Amateurfußballs insbesondere in den kleinen Vereinen“. Der sportpolitische Ansatz bestehe laut Aussage der Verbandsobrigkeit einerseits in einem Schutz der Vereine bei ihrer Nachwuchsförderung durch die abschreckende Wirkung hoher Passgebühren. Zum anderen würden „die aus den Vereinswechselgebühren beim Verband eingehenden Gelder durch gezielte Maßnahmen an die Vereinsbasis zurückfließen“.
Beurteilung
Diese Begründung dient meiner Meinung ehr zur Verschleierung der haushalts-politischen Erwägungen des autokratischen Verbandspräsidenten. Inmitten einer gedanklich nur schwer nachvollziehbaren Fülle an wirtschaftlichen Statistiken dominieren im obigen „BFV-Newsletter“ die mehrfach verwendeten Begriffe „Inflationsausgleich“ und „Einnahmeverlust“. Man will ja schließlich die zusätzlichen Einnahmen als zwingend notwendig erscheinen zu lassen. Der BFV habe nämlich seit 2002 keine Gebührenerhöhungen mehr vorgenommen. Das ist zwar zutreffend, aber doch nur die halbe Wahrheit. Denn bis 2001 betrug die Gebühr für einen Spielerpass im Erwachsenen- und Juniorenbereich jeweils 10.- DM. Mit Einführung des Euro wurde diese für Junioren um 17.3 % erhöht [von 10.- DM auf 6.- €] und für Erwachsene um 154.2 % [von 10.- DM auf 13.- €]. Unter Berücksichtigung der beschlossenen Erhöhung zum 01. Dezember 2010 sind seit 2002 die Passgebühren bei den Junioren um 388.9 % und bei den Erwachsenen um 877.9 % gestiegen. Ein satter Inflationsausgleich! Eine gigantische Zusatzeinnahme!
Dr. Kochs „Rezept“
Dr. Koch weiß übrigens einen Rat [siehe Bezirkstag am 26. April in Bad Staffelstein!], wie auch die Vereine einen Inflationsausgleich herbeiführen und Einnahmesteigerungen erzielen können:
? durch drastische Reduzierung der Zuwendungen an Spieler und Trainer,
? durch Erhöhung der Mitgliedsbeiträge auf einen monatlichen Mindestsatz von 12.- € bei Erwachsenen und 4.- € bei Kindern und Jugendlichen [aktiven Sportlern und ehrenamtlichen Helfern könnten ja gegebenenfalls Nachlässe gewährt werden].
Nördlich des „Weißwurst-Äquators“
Das „Koch-Rezept“ mag vielleicht bei den „Schönen und Reichen am Starnberger See“ funktionieren, für Vereine in den strukturschwachen Regionen nördlich des „Weißwurst Äquators“ hätte eine Umsetzung fatale Folgen. Passiven Mitgliedern ist selbst ein moderater Jahresbeitrag von 28.- € bzw. ein Familienbeitrag von 40.-€ zu hoch, wie er seit 2002 beim TSV Neukenroth Gültigkeit besitzt.
Gemeinnützigkeit
Der Gesetzgeber hat die „Förderung des Breitensports“ zur Grundvoraussetzung für die „Erteilung der Gemeinnützigkeit“ erhoben. Durch Dr. Kochs Empfehlung zur Beitragsgestaltung würden sozial schwache Mitbürger ausgegrenzt, weil sie sich die Mitgliedschaft bei einem Verein nicht leisten könnten.
Erwartungen an Koch
Dr. Koch verfolgt mit seinem Ziel, den BFV auf eine solide wirtschaftliche Basis zu stellen, durchaus ehrenwerte Absichten. Doch „der Zweck heiligt die Mittel“ nicht in jedem Fall. Die Existenz der kleinen Vereine wird gefährdet. Ihrem Schutz würde eher eine drastische Anhebung des monatlichen Mindestgehalts für Vertragsamateure [derzeit 150.- €] dienen. Das hätte eine wahrhaft abschreckende Wirkung. Denn die Ausbildungs- und Förderentschädigung bei Vereinswechsel liegt ab der Landesliga [2500.- €, bei U 21-Spielern 3750. €] deutlich über dem Mindestgehalt eines Vertragsamateurs [1800.- €]. Höherklassige Vereine investieren deshalb lieber in Vertragsamateure als in die Nachwuchsförderung, wie es diverse Beispiele in Oberfranken belegen.
„Meister“ Koch
Was können wir von Dr. Koch lernen? – Er kann uns eine Lehrstunde darüber erteilen, wie wir auf legalem Weg Leuten ihr mühsam erarbeitetes Geld aus der Tasche zehen könnten. Wollen wir das?
Kochs Erbe
Man muss Dr. Koch allerdings zugute halten, dass er für einen Verband arbeitet, dem Ende der 90-er Jahre unter [durch?] Dr. Kapustin [BLSV] und Knoesel [BFV-Präsident und Schatzmeister des BLSV] nur durch eine staatliche Ausfallbürgschaft in zweistelliger Millionenhöhe die Insolvenz erspart blieb. Knoesel hatte beim Bau der Sportschule Oberhaching dubiose Grundstücksgeschäfte „eingefädelt“ und hätte damit infolge der Nachforderungen ehemaliger Grundstückseigentümer in Höhe von 56 Millionen DM den BLSV gemeinsam mit dem BFV fast in den Konkurs getrieben. BLSV-Präsident Prof. Dr. Kapustin war darüber hinaus 2006 wegen Betrugs und Untreue in 50 Fällen zu 22.500 Euro Geldstrafe verurteilt worden und musste zurücktreten. Er „führte den 4.4 Millionen Mitglieder starken Landesverband mit 11.400 bayerischen Sportvereinen wie ein Landesfürst, obwohl die Präsidentenstelle nur ein Ehrenamt ist und der Verband ausschließlich gemeinnützige Zwecke verfolgt." [Focus vom 29. Okt. 2006]
Vertrauen?
Durch derartige Skandale hat das Vertrauen des „mündigen“ Vereinsfunktionärs in die Sportverbände massiven Schaden genommen. Dr. Koch redet zwar von einem starken und wirtschaftlich handlungsfähigen Verband, schwächt aber durch völlig realitätsferne Forderungen und Empfehlungen die Position der Vereine an der Basis. Vielleicht sollte er einmal bei einem „kleinen Provinzverein“ hospitieren.
Leo Welscher
1. Vorsitzender des TSV Neukenroth
Rosenau 10
96342 Stockheim-Neukenroth
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