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Artikel veröffentlicht am 05.04.2023 um 07:00 Uhr
Andreas Schöll im Interview:
Der Verein muss heute den Straßenfußball ersetzen!
INTERVIEW
Andreas Schöll lief einst für den 1. FC Nürnberg in der Bundesliga auf, spielte in den höchsten Amateurklassen und wurde Trainer mit A-Lizenz. Der 53-Jährige trainiert aktuell die D-Jugend beim SV Poppenreuth und versucht dort den Jungs den Spaß am Fußball zu bewahren. Im fussballn.de-Interview der Woche spricht Schöll über seinen Antrieb, Vereine und Verband weg vom Ergebnisdenken in der Ausbildung zu überzeugen.
Von
Marco Galuska
Andreas Schöll setzt sich seit Jahren für ein Umdenken im Jugendfußball ein.
privat
Hallo Andreas, vor recht genau zehn Jahren warst du zuletzt als Trainer des VfL Frohnlach in der Regionalliga tätig. Damals hattest du angekündigt, wieder etwas Neues machen zu wollen - ein neuer Posten bei einer Herrenmannschaft wurde es jedoch seitdem nicht ...
Andreas Schöll (53):
Die Begebenheiten in Frohnlach waren sehr speziell, mit einem Präsidenten, der seine Sichtweise recht schnell änderte. Die Zusammenarbeit mit den Verantwortlichen muss schon stimmen, das habe ich davon mitgenommen. Es hat sich nicht das Richtige ergeben, bei dem ich auch das gute Gefühl gehabt hätte, dass es passt. Stattdessen kam mein Freund Frank Kramer, mit dem ich in Weismain und Vestenbergsgreuth gespielt habe, auf mich zu und hat mich gefragt, ob ich nicht für den DFB im Nachwuchsbereich scouten möchte.
Was bedeutet Scouting für den DFB?
Schöll:
Ich sichte potenzielle Nationalspieler von U15- bis U20-Junioren. Da werden die Talente unter verschiedenen Gesichtspunkten für die Auswahl-Mannschaften beobachtet. Bei meiner Trainertätigkeit bei der U13 beim SV Fürth-Poppenreuth zählen dagegen für mich grundlegend andere Dinge.
Welche wären das?
Schöll:
Es geht darum, die Jungs beim Fußball zu behalten, ihnen nicht die Leidenschaft und Freude zu nehmen! Da haben die Trainer heutzutage eine viel wichtigere Aufgabe als früher. Die Begebenheiten sind einfach nicht mehr so, dass man ständig am Bolzplatz ist, weil es auch Nachmittags-Schule, die Playstation und viele andere Dinge, aber kaum noch Bolzplätze in der Nähe gibt. Umso wichtiger ist dadurch die Rolle der Vereine für den Fußball!
Der Verein als eine Art Ersatz-Plattform für den früheren Straßenfußball?
Schöll:
Exakt! Der Trainer ist in der Entwicklung im Nachwuchs umso wichtiger, weil es diesen Straßenfußball daneben kaum noch gibt. Um es klar zu sagen: Die Trainer früher waren auch nicht besser, die heute bereiten sich womöglich sogar besser vor und haben durch das Internet andere Möglichkeiten dazu. Aber wir haben uns den Fußball früher praktisch auf der Straße selbst beigebracht und eben zusätzlich noch das Training im Verein besucht. Das ist jetzt aber umso wichtiger, weil die Bolzplätze fehlen. Trainer haben daher eine umso wichtigere Rolle in den Vereinen - und können dabei aber auch viel mehr kaputt machen.
Worauf kommt es deiner Meinung nach im Training an?
Schöll:
Das Wichtigste ist aus meiner Sicht, dass man die Jungs in jungen Jahr frei Fußball spielen lässt und sie im Verein das simulieren können, was wir früher auf dem Bolzplatz gemacht haben. Trainer sollten da kaum mehr als Aufpasser sein. Weniger ist mehr! Wenn ich aber sehe, wie da Passwege, Koordination oder Sprints in jungen Jahren trainiert werden, ich Trainingseinheiten in der C-Jugend beobachtet habe, bei denen der erste Ballkontakt nach 45 Minuten erfolgt, braucht man sich nicht wundern, wenn die Kinder den Spaß am Fußball verlieren! Dabei ergibt sich doch das alles aus dem Spiel heraus, da ist Kreativität gefordert - und die sollte man fördern und nicht beschneiden.
Andreas Schöll als Trainer des VfL Frohnlach. In der Regionalliga der Herren ging es freilich um die Ergebnisse. Dieses Credo will er in der Jugendarbeit den Vereinen aber möglichst austreiben - im Sinne der Entwicklung der Nachwuchsspieler.
Sebastian Baumann
Woher kommt diese Art der Trainingsgestaltung?
Schöll:
Es wird leider viel zu oft alles dem Ergebnisfußball unterworfen. Da werden sich im Nachwuchs viel zu viel und viel zu früh Dinge aus dem Herren- oder gar Profifußball abgeschaut. Es geht für viele Jugendtrainer um Sieg und Liga, dabei sollte doch das Credo die Entwicklung des Einzelnen sein. Und die erfolgreiche Entwicklung des Einzelnen führt in meinen Augen langfristig zwangsläufig zum Erfolg. Sogar in meiner Zeit in Heßdorf bei den Herren haben wir die Entwicklung auf Jahre ausgerichtet, weil wir wussten, dass es kein Geld gibt und wir mit Einheimischen spielen werden. Klar, muss man dann auch später einen Mix aus Entwicklung und Ergebnisse finden. Aber eigentlich zählen doch die Ergebnisse erst dann so richtig, wenn es um Geld geht - aber sicher nicht in den jungen Jugendjahren!
Wie lässt sich dieses Problem in der Praxis lösen?
Schöll:
Grundsätzlich liegt es an den Verantwortlichen in den Vereinen, dass man entsprechend Rückgrat hat und die Philosophie umsetzt, so viel wie möglich spielen zu lassen. Verbände könnten das entsprechend fördern. Man könnte auch an eine Art Gutachter denken, der sich das Ergebnis zur Qualitätsverbesserung in den Jugendvereinen des
einzelnen
Fußballers im Kindes- und Jugendalters anschaut und dies zertifiziert.
Eine jährliche Leistungsüberprüfung wie bei den BFV-Nachwuchsleistungszentren?
Schöll:
Da werden in meinen Augen falsche Kriterien herangezogen! Der Status wird begründet anhand der Sportanlage, lizenzierten Trainern und der Spielklasse. Und dann wird schon wieder zu sehr auf die Ergebnisse geschaut - ein Teufelskreis! Da müsste stattdessen vielmehr hinter die Kulissen geschaut werden, wie dort gearbeitet wird. Stattdessen werden mit dieser ergebnisorientierten Herangehensweise Talente vergrault, weil auch immer wieder Spieler aussortiert werden.
Ein Problem in Bayern?
Schöll:
Nein, das ist deutschlandweit so! Wenn man sich anschaut, wie viele Fußballer es eigentlich gibt und wie wenig davon im Vergleich zu anderen Nationen oben ankommen, sieht man, dass da einiges falsch läuft.
Die Stützpunkttrainer sollen zusätzlich Spieler fördern.
Schöll:
Grundsätzlich ist es ja gut, wenn es zusätzlich mehr Möglichkeiten zum Fußball gibt. Der Spieler muss aber damit klarkommen, dass es oftmals ein konträres Training zu dem im Verein ist. Und leider ist es auf zu viele Beschneidungen ausgerichtet, das habe ich oft genug beobachten müssen. Denn auch da wird eher wenig Risiko, sondern Ergebnisdenken vermittelt. Und wenn dann noch Stützpunkttrainer Spieler zu den Vereinen holen wollen, bei denen sie auch noch Trainer sind, finde ich das zusätzlich problematisch.
Du hast in der Vergangenheit immer wieder den Dialog mit dem Verband gesucht. Dein Credo mit den vielen Ballkontakten bei den Kleinsten müsstest du beim Mini-Fußball eigentlich wiederfinden?
Schöll:
Es ist ja nicht alles schlecht! Ich finde beispielsweise auch die Idee der Meldeliga gelungen. Die kleinen Spielfelder und FUNino gibt es eigentlich schon viele Jahre. Es ist gut, dass man es eingeführt hat, aber es kommt vor allem darauf an, wie es in den Vereinen umgesetzt wird. Wenn der Trainer reinschreit, was die Spieler alles anders machen sollen, ist die Wirkung des freien Spiels schon wieder eingeschränkt.
Also ist auch die Ausbildung der Trainer entscheidend! Du hast ja selbst die A-Lizenz. Was ist in der Praxis davon wirklich brauchbar?
Schöll:
Ganz ehrlich: In den letzten Zügen der A-Lizenz gibt es schon fachspezifische Inhalte, die gut sind. Aber bis dahin ist es sehr mau. Bei der C-Lizenz werden organisatorische und strukturelle Dinge gelehrt, wie man ein Training vorbereitet. Das ist schon recht spärlich, wenn man sich erhofft, dass man den einzelnen Spieler besser machen möchte. Ich finde die Sichtweise des Verbandes zu sehr am Herren-Fußball und Ergebnissport angelehnt.
Du hast selbst eine Fußball-Laufbahn erlebt, die wohl nur durch viele Verletzungen nicht länger im Profibereich ablief. Was ist dein Antrieb für dein Engagement im Jugendfußball?
Schöll:
Ich sehe nach wie vor gerne Fußball, egal in welcher Liga und in welchem Alter. Mir tut es leid, wenn Jungs in ihrer Leidenschaft für den Sport beschnitten werden. Mich ärgert die Außendarstellung, dass da aber alles gut sei bei den Vereinen und Verbänden. Ich hoffe, es ändert sich was und man kann seine Kinder guten Gewissens zum Fußball bringen!
Andreas Schöll mit Sohn Lui, den er bei der D-Jugend des SV Poppenreuth trainiert: "Eigentlich wollte ich das ja nicht, aber ich habe die Gefahr gesehen, dass auch er die Lust am Fußball wieder verliert!"
privat
Wie genau lautet deine Hoffnung?
Schöll:
Die Vereine sollen den Gedanken mittragen, dass sie Trainer brauchen, die frei Fußball spielen lassen, einen guten Umgang mit Kindern haben. Die Jungs und Mädels sollen gerne am Platz sein, Spaß am Fußball haben und Ergebnisse müssen nicht im Vordergrund stehen, denn das stockt in der Entwicklung. Es gibt auch gute Leistungen, wenn man Spiele verliert. Dieses Bewusstsein würde ich mir auch bei den leistungsorientierten Vereinen wünschen, dass sie diese Philosophie auch tatsächlich dann umsetzen. Gerade bei den NLZs der Profivereine wäre das so gut möglich, aber leider hat das nur selten etwas mit Eliteausbildung zu tun, wenn man sogar Schlagzeilen von Mindestlohn-Vergehen beim Rekordmeister liest.
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Steckbrief A. Schöll
Andreas Schöll
Alter
55
Geburtsort
Nürnberg
Wohnort
Fürth
Familie
verheiratet, 2 Kinder
Nation
Deutschland
Größe
180 cm
Beruf
Kaufmann
Hobbies
Fußball
Starker Fuß
Linksfuß
Lieb.-Position
zentrales Mittelfeld ("10er")
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04/05
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Heßdorf
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Heßdorf
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1. FC Nürnberg
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