Giovanni Marciano im Interview: "Auch Nagelsmann könnte nicht mehr helfen" - anpfiff.info
Artikel veröffentlicht am 22.03.2023 um 07:00 Uhr
Giovanni Marciano im Interview: "Auch Nagelsmann könnte nicht mehr helfen"
INTERVIEW Giovanni Marciano erlebt in der Kreisliga Nürnberg als Trainer des ATV 1873 Frankonia Nürnberg eine absolute Horrorsaison, wartet das Schlusslicht doch nach wie vor noch auf den ersten Zähler dieser Spielzeit. Im fussballn.de-Interview der Woche gibt der 39-Jährige Einblicke in sein Innenleben, erklärt wie es zu dieser Ausnahmesituation kam und warum er selbst dieser schwierigen Lage etwas Positives abgewinnen kann.
Von Michael Watzinger
Giovanni Marciano hat als Trainer des ATV 1873 Frankonia Nürnberg viel Grund zum Grübeln.
fussballn.de
Hallo Giovanni, zunächst einmal danke, dass du dich trotz der aktuell zweifelsohne schwierigen Situation für das Interview zur Verfügung gestellt hast. Gerade nach der nächsten deutlichen Niederlage ist das alles andere als selbstverständlich. Wie hast du euer letztes Spiel gegen den TSV Buch II wahrgenommen?

Giovanni Marciano (39):
Wir haben zunächst gut in das Spiel gefunden, haben recht wenig zugelassen und einen Umschaltmoment durch einen tollen Treffer von Marius Bauer zum Führungstreffer nutzen können. Die Jungs waren motiviert und haben rund 20 Minuten sehr gut dagegen gehalten. Leider wiederholen sich in dieser Saison immer wieder vermeidbare und teils auch ungewöhnliche Fehler - diesmal haben wir zwei krumme, direkte Eckballgegentore gefangen - die uns dann jedes Mal aufs Neue zurückwerfen. Einmal in Rückstand, gehen dann bei einigen Jungs die Köpfe schnell nach unten, individuelle Fehler häufen sich und am Ende verlieren wir wieder mit 1:7. Wir nehmen uns letztlich immer wieder mit dem gleichen Muster die Chance auf bessere Ergebnisse.

Trotz einer guten Anfangsphase hatte der ATV 1873 Frankonia Nürnberg (in gelb) im Heimspiel gegen den TSV Buch II am Ende deutlich mit 1:7 das Nachsehen.
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Auch nach 20 Partien wartet der ATV 1873 Frankonia Nürnberg noch auf den ersten Zähler der Saison. Wie fühlt sich die Situation für dich persönlich an?

Marciano:
Ganz ehrlich: natürlich schrecklich! So eine Situation habe ich persönlich noch nicht aus nächster Nähe miterlebt und selbstverständlich nagt die Lage an einem. Es ist stellenweise ein gewisses Ohnmachtsgefühl vorhanden, weil man so viel ausprobiert und im Endeffekt nichts Zählbares dabei herausspringt. Als Trainer ist es ja immer auch das Ziel, die eigenen Spieler besser zu machen. Man muss so ehrlich sein, dass unsere Qualität als Mannschaft nicht für die Kreisliga reicht. Aber dass sich einfache Fehler in regelmäßigen Abständen wiederholen, ist schon ein Stück weit frustrierend.

Kamen dir angesichts der aktuellen Horrorsaison nicht auch zwischendurch Gedanken ans Hinschmeißen?

Marciano:
Ich glaube, es ist nur menschlich, dass man in manchen Momenten ans Aufgeben denkt. Nicht wenige aus meinem Umfeld kamen auf mich zu und fragten mich, warum ich mir das antue. Andere finden, dass ich meinen Ruf als Trainer mit so einer Saison kaputt mache ... Ich muss aber klar sagen: Ich sehe das anders! Ich habe bei meinen bisherigen Trainerstationen immer vorne mitgespielt und erlebe nun eine völlig andere Situation. Ich bin kein Typ, der wegrennt und habe meinen Spielern gegenüber schon auch eine gewisse Verantwortung, die ich wahrnehmen möchte - auch wenn die aktuelle Lage natürlich alles andere als schön ist, gehen wir da zusammen durch!

Wie kam es aus deiner Sicht zu dieser Ausnahmesituation?

Marciano:
Das hat aus meiner Sicht verschiedene Gründe. Ich selbst bin ja erst zu Saisonbeginn zum ATV gekommen. Ursprünglich hieß es, dass nur zwei, drei Spieler der Aufstiegsmannschaft den Verein verlassen würden. Ich hatte also geplant, selbst noch eine handvoll Spieler mitzubringen und hielt den Kader dann für komplett. Im Laufe der Zeit haben aber immer mehr Spieler den Verein verlassen, sodass letztlich kaum Spieler aus der Vorsaison übrig geblieben sind. Auf der anderen Seite war es schwer, Neuzugänge für uns zu gewinnen und so kamen neben den Jungs, die ich mitgebracht habe, hauptsächlich Spieler, die länger pausiert oder unterklassig gespielt haben. Mit dieser bunt zusammengewürfelten Mannschaft ist es dann einfach fast unmöglich in einer wirklich starken Kreisliga zu bestehen. Wenn man dann auch noch Woche für Woche verliert, sinkt die Motivation vieler Spieler und die Beteiligung und das Commitment lassen nach. So gerät man recht schnell in eine Abwärtsspirale, die man kaum aufhalten kann.

Ein unerwartet großer Aderlass im Sommer war die Hypothek für eine schwere Saison beim ATV 1873 Frankonia Nürnberg und konnte von Marius Bauer (in gelb-blau) und Co nicht aufgefangen werden.
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Du zeichnest da gerade ein ziemlich düsteres Bild ...

Marciano:
Ich finde, man muss da unterscheiden: Das eine ist das Sportliche und da muss man einfach ehrlich sagen, dass wir kein Kreisliga-Team sind. Letztlich kann man da aber auch niemandem einen Vorwurf machen, wenn wir teilweise gegen Mannschaften spielen, die teilweise fast ausschließlich mit Hochkarätern bestückt sind. Da könnte dann wahrscheinlich auch ein Julian Nagelsmann nicht mehr helfen. (lacht) Ich spreche das mit meinen Spielern auch absolut offen und ehrlich an und das führt mich zur anderen Seite: Die Jungs können das aktuelle Geschehen sehr gut einordnen, haben eine gesunde Selbsteinschätzung. Außerdem gibt es einen Kern, der wirklich trotz all der Rückschläge nach wie vor das Beste aus der aktuellen Lage machen möchte und immer voll mitzieht: Wenn ich beispielsweise einen Robert Kovacic sehe, der höherklassig gekickt hat und trotz seiner inzwischen 50 Jahre immer da ist und sich voll reinhaut - da kann ich nur meinen Hut vor ziehen! Die Jungs sind charakterlich wirklich klasse und wir haben innerhalb der Mannschaft trotz unserer Lage eine gute Stimmung!

Auf Robert Kovacic (am Ball) ist trotz seiner inzwischen 50 Jahre nach wie vor absolut Verlass.
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Du hast bislang als Trainer durchweg erfolgreich gearbeitet. Hat dich die aktuelle Spielzeit als Übungsleiter selbst auch ein wenig verändert?

Marciano:
Auf jeden Fall! Man hinterfragt im Laufe so einer Negativserie ja alles - auch und vor allem sich selbst! Bei meinen bisherigen Stationen war das Arbeiten ja recht simpel, weil man einen funktionierenden Kader zur Verfügung hatte, in dem ein gesunder Konkurrenzkampf vorherrschte. Als Trainer musste man nur an der einen oder anderen Stellschraube drehen. Hier habe ich inzwischen alles zwischendurch einmal auf den Kopf gestellt, habe zum Beispiel auch mal die Dreierkette ausprobiert, obwohl ich im Amateurbereich eigentlich absolut kein Fan davon bin, und bin ja inzwischen letztlich auch sowas wie ein Psychologe. (lacht) Fakt ist, dass ich in alles noch ein ganzes Stück tiefer eingetaucht bin, weil man zum Beispiel sehr viel mehr probiert, um den Jungs in dieser so schwierigen Lage zu helfen. Positiv gesagt: Ich habe viele neue Facetten an mir kennengelernt, die mir als Trainer auf meinem weiteren Weg weiterhelfen werden!

Stichwort weiterer Weg: Wie siehst du diesen beim ATV 1873 Frankonia Nürnberg?

Marciano:
Ich denke, es wird wichtig sein, dass der Verein in der Fußballabteilung zu einer gewissen Kontinuität findet. Dazu gehört für mich auch, dass man den Blick auch wieder auf die Jugendteams richtet, denn wenn man kein großes Geld für neue Spieler zur Verfügung hat, ist es auf Sicht unerlässlich, Jungs aus den eigenen Reihen hochziehen zu können. Dort sieht es im Moment ein wenig wie bei einem Tannenbaum aus: In den jungen Jahrgängen sind wir breit aufgestellt, je höher man aber blickt desto dünner wird es - daran muss aus meiner Sicht gearbeitet werden. Ansonsten verfügt der ATV über wirklich herrliche Plätze und eine gute Struktur. Manchmal merkt man, dass der Fußball eine von vielen Abteilungen im Verein ist, da wünsche ich mir stellenweise einen stärkeren Fokus drauf. Ich bin schon der festen Überzeugung, dass sich hier etwas aufbauen lässt!

Wie geht es für dich persönlich weiter?

Marciano:
Das ist ehrlich gesagt noch nicht abschließend entschieden. Ich habe dem Verein signalisiert, dass ich auch nächste Saison hier weitermachen würde - wenn die Verantwortlichen das auch möchten. Eine Grundvoraussetzung ist für mich allerdings, dass wir eine schlagkräftige Mannschaft auf die Beine stellen können, denn eine Saison wie diese möchte ich ganz sicher kein zweites Mal erleben. Ich bin mit einigen Spielern im Gespräch, mal sehen was passieren wird. Ich denke, dass wohl Mitte April eine Entscheidung getroffen wird.

Hast du trotz der aktuellen Situation einen Wunsch für die laufende Saison?

Marciano:
Klar! Ich wünsche mir für die Jungs einfach noch ein paar Erfolgserlebnisse! Wir haben noch zehn Spiele vor uns - ein Unentschieden und ein Sieg, darüber würde ich mich unheimlich freuen! Ich weiß, dass das ohne Frage schwer wird... Aber ich glaube nach wie vor daran, dass wir unsere guten Phasen in Spielen ausweiten und die Fehler reduzieren können. Wenn uns das gelingt, werden die Ergebnisse auch nicht mehr so schmerzhaft ausfallen. Ich würde mir einen Schnitt von einem erzielten Tor pro Spiel gegenüber 2,5 Gegentreffer wünschen - das wäre schon ein echter Fortschritt!

In den verbleibenden Spielen der Saison wünscht sich Trainer Giovanni Marciano für seinen ATV noch das eine oder andere Erfolgserlebnis. Am Wochenende wartet mit Spitzenreiter SV Gutenstetten-Steinachgrund (in blau) aber ein echter Brocken.
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Am Sonntag geht es für euch nun aber ausgerechnet zum Spitzenreiter nach Gutenstetten. Reist man da nicht mit einem mulmigen Gefühl an?

Marciano:
Wir wissen natürlich, dass uns da die nächste Herkules-Aufgabe bevorsteht. Gutenstetten ist individuell eine der herausragenden Mannschaften innerhalb der Kreisliga und wir haben seit dem vergangenen Sonntag drei weitere Verletzte zu beklagen, die auszufallen drohen. Trotzdem werden wir auch am Sonntag versuchen, unser Bestmögliches abzuliefern. Ich kann mich noch recht gut an das Hinspiel erinnern: Da haben wir nach einem frühen Gegentor lange Zeit ganz gut dagegen gehalten und mussten uns dann am Ende mit 0:4 geschlagen geben. Wir werden auch am Sonntag versuchen, so gut es geht, dagegenzuhalten.

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Steckbrief G. Marciano

Giovanni Marciano
Alter
40
Nation
Italien


Trainerstationen G. Marciano

17/18
KL
 
16/17
KK
 
15/16
KK
 

Aktuelle Tabellenplatzierung

Pl.
 
Team
Sp
Tore
Pkt
12
20
28:52
19
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20
37:53
19
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