Anzahl der Spielabbrüche: Bayern bestätigt deutschlandweiten Anstieg nicht - anpfiff.info
Artikel veröffentlicht am 20.10.2022 um 15:00 Uhr
Anzahl der Spielabbrüche: Bayern bestätigt deutschlandweiten Anstieg nicht
In der Saison 2021/22 sind 911 Fußballspiele in Deutschland aufgrund von Gewalt- und/oder Diskriminierungsvorfällen abgebrochen worden. Seit 2014 lässt der Deutsche Fußball-Bund (DFB) auf Basis der Online-Spielberichte der Unparteiischen ein Lagebild des Amateurfußballs erheben. Noch nie mussten bundesweit so viele Spiele in einer Saison abgebrochen werden.
Von PM BFV
anpfiff.info
Während hierzulande die Zahlen Höchststände erreichen, verharren die bayerischen Zahlen auf einem konstant niedrigen Niveau und liegen deutlich unterhalb des Durchschnitts. „Dennoch ist jeder Spielabbruch einer zu viel“, sagt Christoph Kern, Präsident des Bayerischen Fußball-Verbandes (BFV): „Klar ist, dass wir auch weiterhin unsere strikte Null-Toleranz-Politik fahren. Gewalt, Beleidigungen und Diskriminierungen in jedweder Form haben auf unseren Fußballplätzen nichts zu suchen!“

Sowohl die Gesamtanzahl an Abbrüchen als auch ihr Anteil von 0,075 Prozent an allen erfassten nationalen Spielen bedeuten Höchststände seit Beginn der Datenerhebung. Im Online-Spielbericht füllen die Schiedsrichter*innen im Tab „Vorkommnisse“ aus, ob es zu einer Gewalthandlung und/oder zu einer Diskriminierung während des Spiels gekommen ist. Entgegen des bundesweiten Trends bewegen sich die Zahlen in Bayern auf konstantem Niveau im Vergleich zu Vor-Corona-Spielzeiten, ein Anstieg ist nicht zu verzeichnen. In der Saison 2021/22 wurden bayernweit 68 Spiele abgebrochen. Dies entspricht 0,033 Prozent aller Spiele (2018/19: 0,029 Prozent). Über den Elektronischen Spielbericht (ESB) haben die Schiedsrichter*innen 2021/22 insgesamt 449 Störungen (Gewalt und/oder Diskriminierung) gemeldet (0,22 Prozent aller erfassten Spiele). Im Umkehrschluss heißt das, dass in Bayern in der abgelaufenen Spielzeit 99,78 Prozent der 207.219 erfassten Partien vollkommen störungsfrei verlaufen sind.

Den sehr unerfreulichen deutschlandweiten Trend bei den Spielabbrüchen können wir glücklicherweise in Bayern nicht bestätigen. Fakt ist aber: Jede und jeder Einzelne muss grundsätzlich alles dafür tun, dass es erst gar nicht zu einem Spielabbruch kommt. Warum wir in Bayern diesen Trend derzeit nicht verzeichnen, lässt sich pauschal nicht beurteilen. Wir sind schon der Auffassung, dass die seit Jahren im Bayern etablierten Maßnahmen wirken. Wir haben eine konsequente sportgerichtliche Aufarbeitung im Einzelfallverfahren, eine extrem breite Palette an Sanktionsmöglichkeiten, die auch Bewährungsstrafen oder beispielsweise den verpflichtenden Besuch eines Anti-Gewalt-Trainings umfasst. Wir haben ein bayernweit effizientes und stetig weiterentwickeltes Konfliktmanagement, Fair-Play-Projekte und Schulungen, die im Idealfall präventiv wirken. Und vor allem gibt es sehr klare Vorgaben und Schulungen, die ein hohes Maß an einheitlichem Vorgehen der Schiedsrichter*innen bewirken. Es wäre aber schlicht nicht ehrlich, zu behaupten, dass wir damit die Zahlen im Detail erklären könnten. Dafür gibt es einfach zu viele Faktoren, die in einer konkreten Situation zu einem Spielabbruch führen können. Und auch die besten Maßnahmen können nicht alles verhindern. Auch das gehört zur Wahrheit“, ordnet BFV-Präsident Christoph Kern die bayerischen Zahlen in das deutschlandweite Gesamtbild ein.

In der Saison 2021/22 wurden in allen 21 Landesverbänden von 1.455.416 ausgetragenen Spielen 1.219.397 Spiele mit einem Online-Spielbericht erfasst (Bayern: 246.934 offizielle Verbandsspiele, 207.219 mit dem Elektronischen Spielbericht (ESB) erfasst - 83,92 Prozent aller Spiele). Bei den erfassten Partien wurden 5.582 Vorfälle (Bayern: 449), davon 3.544 Gewalthandlungen (Bayern: 305) und 2.389 Diskriminierungen (Bayern: 173), gemeldet. Erstmals in den vergangenen drei Corona-Jahren konnte wieder eine komplette Fußballsaison im Amateurbereich absolviert werden.

Die Tübinger Kriminologin Dr. Thaya Vester berät den DFB bei den Ergebnissen des Lagebilds. Sie hat eine Studie zu den Ursachen von Spielabbrüchen durchgeführt, diese wird im Laufe der kommenden Wochen veröffentlicht. Vester plädiert dafür, dass in Zukunft noch genauer analysiert wird, welche Konflikte den Spielabbrüchen zugrunde liegen. Sie sagt: “Es steht außer Frage, dass ein Spiel sofort abgebrochen werden muss, wenn Unparteiische tätlich angegangen werden. Wie aber beispielsweise auf Diskriminierungen reagiert werden soll, ist vielen nicht klar. Es muss noch mehr darüber informiert werden, dass der Drei-Stufen-Plan auch im Amateurfußball gilt."

Der Fan- und Gewaltforscher Prof. Dr. Gunter A. Pilz, der den DFB bei der Entwicklung eines Gewaltpräventionskonzept beraten hat, sagt: “Der Anstieg der Spielabbrüche muss uns Sorgen machen, zumal ein Trend erkennbar wird. Auch in den ersten Wochen der neuen Saison mussten mehr Spiele abgebrochen werden. Wir nehmen die Entwicklung ernst und werden sie genau beobachten.”

Das Lagebild ermöglicht einen Einblick, wie die verschiedenen Gruppen als Beschuldigte oder Geschädigte vertreten sind. Unter den Spieler*innen befinden sich leicht mehr beschuldigte (3.700, Bayern: 316) als geschädigte Personen (3.152, Bayern: 266) vor, bei den Zuschauer*innen ist das Verhältnis eindeutiger (1884/421, Bayern: 151/33). Schiedsrichter*innen (78/2399, Bayern: 8/170) sind fast ausnahmslos Geschädigte von Diskriminierungen oder Gewalthandlungen.

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