Emma Kusch: Warum sie Bayern einen Korb gab - anpfiff.info
Artikel veröffentlicht am 19.10.2022 um 18:00 Uhr
Emma Kusch: Warum sie Bayern einen Korb gab
Mit 18 Jahren gehört Emma Kusch zu den besten Nachwuchsfußballerinnen Deutschlands. Ihr Weg nach oben ist nur mit viel Disziplin möglich. Denn alles dem Fußball unterzuordnen, kommt für die Bambergerin nicht infrage.
Von Amelie Buckreus, Fränkischer Tag
Das Handy von Emma Kusch klingelt. Die 16-Jährige hebt ab, am anderen Ende der Leitung meldet sich ein Trainer – aber nicht irgendeiner. Es ist der Trainer der U17-Frauenmannschaft des FC Bayern München. Er will die Bambergerin für seine Mannschaft gewinnen. Kusch ist baff, freut sich – und ist stolz: Ihr Talent hat sich bis in die Nachwuchsabteilung der Bayern rumgesprochen. Die Tür zur großen Fußballkarriere scheint offener denn je. Doch die Bambergerin lehnt das Angebot ab. Das war im Jahr 2020.  

Als Sechsjährige bei Teutonia Gaustadt

Angefangen hat ihre Fußballkarriere schon viel früher:  Bereits als Sechsjährige bei der DJK Teutonia Gaustadt stand sie ihren zum Großteil männlichen Mitspielern in Nichts nach. Sie avancierte schnell zur Führungsspielerin, führte ihre Mannschaft als Kapitänin auf den Platz. Mit dem Wechsel zum FC Eintracht Bamberg, bei dem sich Kusch in den U13- bis U17-Teams als Stammspielerin etablierte, begann die intensivere Förderung ihres Talents. Auf die Zettel der Talentscouts kam sie auch über Berufungen an den U12-Regionalstützpunkt und ein Jahr später in die Bayernauswahl.

Schon früh erfolgreich: Bereits in jungen Jahren sammelte Emma Kusch Medaillen.
privat


Mit Doppelspielrecht in der U17-Juniorinnen-Bundesliga

Spätestens im Alter von 16 Jahren bestimmte der Fußball einen Großteil des Lebens der technisch versierten Stürmerin. Sie kickte in Bamberg in einem Team mit Jungs und überzeugte dank Doppelspielrecht auch in der U17-Bundesliga im Juniorinnenteam der SpVgg Greuther Fürth.

Kein Wunder, dass bald namhafte Vereine um das Bamberger Talent warben. Doch die Bayern machten nicht das Rennen.  Nach dem Angebot der Münchner zog Kusch Auswahltrainer, Familie und Freunde zu Rat. Einige Wochen später stand die Entscheidung fest: Die Bambergerin wird noch eine Saison bei den U17-Jungen des FC Eintracht bestreiten. Der Hauptgrund: Kusch wollte ihre Schulzeit am Franz-Ludwig-Gymnasium in Bamberg mit dem Abitur abschließen. Das hätte sich mit einem Wechsel zu den Bayern nicht vereinbaren lassen. „Es war für mich keine Option, das Gymnasium nach der 10. Klasse mit der mittleren Reife zu verlassen“, sagt Kusch. „Fußball ist unberechenbar, zudem ist die Bezahlung im Frauenfußball nicht mit der bei den Männern vergleichbar. Da ist es mir wichtig, eine gute Ausbildung zu haben.“

Emma Kusch (re.) musste sich schon früh im Zweikampf mit Jungs beweisen, hier bei einem Spiel für die U15 des FC Eintracht Bamberg in Coburg.
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Abitur mit Einser-Notenschnitt

Inzwischen hat die heute 18-Jährige das Abitur in der Tasche – und das mit einem Einsernotenschnitt. Und mittlerweile spielt sich auch bei einem namhaften Verein: Nicht bei den Bayern, nicht bei der TSG Hoffenheim, die ebenfalls Interesse zeigte. Ihren Vertrag unterschrieb die Bambergerin beim Club aus Nürnberg. Auch in den Fokus der Nationaltrainer hat sich Kusch gespielt. Erst vor kurzem kehrte sie von einem Lehrgang der U19-Nationalmannschaft zurück.

„Wir sind so stolz auf Emma. Sie macht jetzt das, was ihr Spaß macht – und das noch bei einem großen Verein“, sagt Emmas Vater Andreas Kusch. Wohlwissend, dass sie sich das hart erarbeiten musste. Denn Talent allein reichte nicht. „Emma hat schon in frühen Jahren viel Disziplin gezeigt und gelernt, ihre Tage zu planen“, erklärt Mutter Isolde.

Die  Hausaufgaben erledigte der angehende Fußballprofi fast jeden Tag auf der Zugfahrt nach Nürnberg zum Training, viel mehr Zeit zum Lernen blieb selten. Kompromisse zu finden zwischen den schulischen und fußballerischen Aufgaben war nicht immer einfach. Eine Matheklausur zeitgleich mit ihren Schulkollegen aus Bamberg auf dem Nationalmannschaftslehrgang schreiben? Für Kusch keine Besonderheit. Den Fußball empfand sie besonders in der Abiturzeit als guten Ausgleich. Und sie wusste: Sie will unbedingt Ausbildung und Fußball auf hohem Niveau vereinen. „Ich kenne Emma schon lange“, sagt Sport- und Englischlehrerin Doris Harth. „Sportlich war sie sehr vielseitig, in den anderen Fächern sehr diszipliniert, fokussiert, aber auch effizient.“

In der Mannschaft angekommen

Diese Eigenschaften kommen Kusch jetzt beim 1. FC Nürnberg zugute. Denn der Wechsel in die 2. Bundesliga brachte neue Herausforderungen. Zwar blieb die Anzahl der Trainingseinheiten mit vier bis fünf Mal pro Woche gleich, auf das zusätzliche Kraft-, Athletik- und Beweglichkeitstraining musste sie sich aber erst einstellen. Auch an das neue soziale Umfeld musste sich die Bambergerin erst gewöhnen. „Es war nicht immer leicht, sich seinen Platz in der Mannschaft zu erkämpfen“, sagt Kusch. Mit einer Vorlage bei ihrem Zweitligadebüt beim 3:0-Sieg gegen den FC Bayern II war sie aber in der Mannschaft angekommen.

Emma Kusch (re.) 2019 im Trikot des FC Eintracht Bamberg im Derby gegen die DJK Don Bosco Bamberg.
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Spagat zwischen Sport und Ausbildung

Den Spagat zwischen Sport und Ausbildung muss die 18-Jährige trotzdem weiterhin meistern. Im Oktober begann ihr Lehramtsstudium in den Fächern Sport und Mathematik. Eine Studienförderung bekommt Kusch nicht. Neben Fußball und Unialltag wird sie sich auch einen Studentenjob suchen müssen. „Man muss sein Leben um den Fußball planen. Ich kann aktuell nicht von meinem Gehalt als Fußballerin leben“, erklärt sie. Im Vergleich zur Nachwuchsförderung bei den Männern sieht sie Aufholbedarf. „Du erwartest, dass Frauen auf dem gleichen Niveau Fußball spielen wie Männer, obwohl sie komplett andere Voraussetzungen haben.“  

Doch Jammern gibt es bei der Bambergerin nicht: Sie will ihren Weg weitergehen. Zunächst gelte es, im Studium und beim Club in der 2. Liga Fuß zu fassen. Denn irgendwann soll ihr großer Traum in Erfüllung gehen: Im Trikot der deutschen A-Nationalmannschaft aufzulaufen.

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