Jugendboom: „Opa Hans“ und das Wunder von Waizendorf - anpfiff.info
Artikel veröffentlicht am 04.10.2022 um 18:45 Uhr
Jugendboom: „Opa Hans“ und das Wunder von Waizendorf
Keine 500 Einwohner, aber 950 Mitglieder und mehr als 250 Fußball spielende Kinder im Verein: Der SV Waizendorf erlebt einen Jugendboom und hat sämtliche Altersklassen besetzt, viele doppelt, manche dreifach. Wie ist das möglich? Ein Besuch bei einem etwas anderen Verein.
Von Tobias Schneider, fränkischer tag
Auch an diesem verregneten Tag steht Hans Frank wieder auf dem Fußballplatz in Waizendorf, steckt orangene Hütchen ineinander, hebt Leibchen auf und beantwortet mit einer Engelsgeduld auch die bohrendsten Fragen seiner kleinen Schützlinge. Mit 72 Jahren trainiert „Opa Hans“, wie sie ihn hier liebevoll nennen, noch immer die Bambini. Oder macht, was eben anfällt. „Hier gibt es immer etwas zu tun, jeden Tag ist Training oder ein Spiel. Fußball ist mein ganzes Leben“, sagt Hans Frank. Väter, die einst bei ihm das Fußballspielen gelernt haben, vertrauen ihm nun ihre eigenen Sprößlinge an oder haben selbst Ämter in Verein übernommen. „Das ist im Grunde die schönste Anerkennung, die es gibt“, sagt Hans Frank.

"... dann darf es noch ein paar Jahre gehen"

Vor mehr als 50 Jahren hatte er den Verein mitgegründet, spielte in der ersten Mannschaft, war Sportlicher Leiter, später Vorstand und ist seit jeher unermüdlicher Trainer im Nachwuchsbereich. „Solange die Kinder ihren Opa Hans akzeptieren, ich mit ihnen zurechtkomme, meine Frau mich wie in all den Jahren so unterstützt und die zwei künstlichen Hüften weiterhin so gut mitmachen, darf es noch ein paar Jahre gehen.“

Hans Frank in seinem Element: Vor dem Waizendorfer Hauptplatz, auf dem sich viele junge Fußballer und Fußballerinnen tummeln.
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Eigenständig alle Altersklassen besetzt

Auch wenn er das selbst nie sagen würde und abwinkend auf die Frage reagiert: Ohne ihn wäre der SV Waizendorf wohl nicht jener Verein, der er heute ist. Als kleinem Dorfklub ist dem SVW in den vergangenen Jahren in der Jugendarbeit schier Unglaubliches gelungen: Während sich andere Vereine in  Jugendfördergemeinschaften retten müssen und dabei einen Teil ihrer eigenen Identität verlieren, hat der SVW seit dem vergangenen Jahr wieder eigenständig alle Altersklassen besetzt, zuletzt gesellten sich die A-Junioren hinzu. Eine Ausnahmestellung im Landkreis Bamberg.

„Alleine kann man so etwas nicht auf die Beine stellen. Es braucht gute und willige Menschen, die sich voll mit der Sache identifizieren. Und die haben wir im Verein: Wie Martin Kriesten, Oliver Nikol oder Matthias Müller. Man könnte so viele hier aufzählen“, sagt Hans Frank. Dazu gehöre selbstverständlich auch Mathias Zeck, der seit zwei Jahren das Amt des Vorstands innehat. Unter ihm wurden beispielsweise   die insgesamt drei Plätze auf Vordermann gebracht: mit neuem Rasen, Beregnungsanlage und LED-Flutlichtern. „Ihm liegt die Jugend sehr am Herzen“, sagt Hans Frank: „Wir sind sehr froh, Mathias bei uns zu haben.“

Hans Frank ist Gründungsmitglied des SV Waizendorf.
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"Wir schicken keine Kinder weg"

So gut der Verein jetzt auch dasteht, der Gang in eine Jugendfördergemeinschaft blieb auch dem SV Waizendorf wie den allermeisten Vereinen nicht erspart. Ab der D-Jugend aufwärts gingen sie ab 2010 in der JFG Rauhe Ebrach an den Start, zu denen auch SV Frensdorf, SV Pettstadt, SV Reundorf und DJK SC Vorra zählen. Wirklich glücklich wurden die Waizendorfer dort aber nie. „Wir hatten am Ende fast 50 Prozent der Spieler und einen Großteil der Betreuer gestellt“, sagt Hans Frank: „Der Wunsch wurde vielfach geäußert, dass wir wieder eine eigene Heimat haben wollen und nicht von Training zu Training woandershin pendeln müssen.“ Stück für Stück zog sich der SV Waizendorf aus der JFG in den vergangenen Jahren zurück und gründete wieder eigenständige Teams, zuletzt eben die A-Junioren. Vom großen Erfolgsstreben sind sie in Waizendorf allerdings weit entfernt. „Wir schicken keine Kinder weg und versuchen, alle zu beschäftigen – unabhängig vom Talent. Natürlich wollen wir guten Fußball spielen und so weit wie möglich kommen, aber nicht mit Gewalt. Es ist in Ordnung, wenn wir nur in der Kreisgruppe oder der Kreisklasse spielen.“

Der Zulauf an neuen Kindern ist nach wie vor ungebrochen groß. „Werbung brauchen wir keine machen, das funktioniert über Mundpropaganda und spricht sich unter den Eltern herum. Die vielen Kinder fordern aber auch uns sehr: Wir brauchen ausreichend Betreuer und haben für die vielen Teams nur unseren Haupt- und Nebenplatz in Waizendorf sowie das Spielfeld in Höfen. Aber wir kriegen alles unter einen Hut.“

Dass sich das kleine Waizendorf mit seinen nicht mal 500 Einwohnern so entwickeln konnte, hat mehrere Gründe: Schon in der Vergangenheit war der Verein ein Anlaufpunkt für Ortsfremde. Aus der ganzen Gemeinde Stegaurach sind die Spieler gekommen; einige Zeit profitierte Waizendorf auch davon, dass die Jugendarbeit der SpVgg Stegaurach brachlag. Auch anderen Abteilungen wie Kegeln, Turnen oder Leichtathletik schlossen sich Menschen von außerhalb an. 950 Mitglieder zählt der Verein heute in etwa, von den 500 Kindern gehören mehr als die Hälfte zur Fußballabteilung.

Inzwischen kommen die jungen Kicker auch vermehrt aus dem Stadtgebiet, was unmittelbar mit der fußballerischen Ausrichtung eines Nachbarvereins zusammenhängt:  Mit dem Nachwuchsleistungszentrum legt die DJK Don Bosco Bamberg den Schwerpunkt seit einigen Jahren auf leistungsorientierten Fußball; einige, die es dort nicht schaffen, landen woanders – nicht weit weg, beim SV Waizendorf zum Beispiel. „Das kommt uns natürlich entgegen, andererseits gehen unsere besten Spieler den umgekehrten Weg“, sagt Hans Frank. Wie vor nicht allzu langer Zeit, als gleich sechs Spieler der E1 nach Wildensorg wechselten. „Da bricht dir dann eine komplette Mannschaft weg“, sagt Hans Frank. Böse ist er aber niemanden. „Wir können und wollen das gar nicht verhindern. Wenn sich jemand dafür entscheidet, soll er es probieren. Drei meiner Enkel spielen selbst im NLZ, sie wissen aber, dass sie jederzeit zurückkommen können.“

Bodenständigkeit und vernünftiges Haushalten sind dem SV Waizendorf  besonders wichtig. Geld für Jugendtrainer hat der Verein noch nie bezahlt – und wird es auch nicht. „So etwas fangen wir gar nicht erst an, sonst schaffen wir uns selbst ab. Es geht um die Freude und den Spaß, mit den Kindern zu arbeiten, sie zu fördern und ihnen etwas beizubringen – nicht nur fußballerisch. Dafür stehen wir. Und wir sind schon ein wenig stolz darauf, fast schuldenfrei zu sein.“

Irgendwann, hofft Hans Frank, werde auch die erste Mannschaft von der Jugendarbeit nachhaltig profitieren. Denn mit Ruhm bekleckert haben sich die Herren des Vereins zuletzt nicht. Nach dem Abstieg in die A-Klasse und einem schlimmen Saisonstart mit nur einem Punkt aus fünf Spielen haben nun vier Siege am Stück das Team zumindest wieder auf Rang 7 gespült.

Ob sportlicher Erfolg oder nicht, Zukunftsängste braucht Waizendorf keine zu  haben: Vor rund zwei Wochen kam der fünfte Enkel von Hans Frank auf die Welt, er ist bereits Mitglied – und der Opa hat schon den Spielerpass beantragt.

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Sportstätte SV Waizendorf

Sportgelände Waizendorf
Am Waizendorfer Keller 2
96135 Waizendorf
Von Bamberg kommend über die Staatsstraße 2254 nach Waizendorf. Kurz hinter dem Ortsende rechts abbiegen.


Daten SV Waizendorf

SV Waizendorf e.V.
Gründung: 1969
Mitglieder: 629
Farben: rot-schwarz
Abteilungen: Fußball, Leichtathletik, Kegeln, Damengymnastik, Kinderturnen

Vereinsheim SV Waizendorf

SV Waizendorf-Sportanlage
Am Waizendorfer Keller 2
96135 Waizendorf
Telefon: 0951-290621
Sky-Übertragung: nein
Biersorte(n): keine Angaben
Warme Speisen nach Spiel: nein

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