Sven Laumer im Interview: "Wir haben Lust auf eine Zeit des Aufbruchs!" - anpfiff.info
Artikel veröffentlicht am 22.06.2022 um 07:00 Uhr
Sven Laumer im Interview: "Wir haben Lust auf eine Zeit des Aufbruchs!"
INTERVIEW Nicht nur die Wahl zum neuen BFV-Präsidenten wird am Verbandstag in Bad Gögging am Wochenende mit Spannung erwartet, auch für den Vorsitz des Verbands-Schiedsrichter-Ausschuss stellt sich mit Sven Laumer (39) ein Gegenkandidat aus Mittelfranken als Wahlalternative zu Amtsinhaber Walter Moritz. Im fussballn.de-Interview der Woche spricht der ehemalige Bayernliga-Referee über seine Beweggründe und nötige Veränderungen.
Von Marco Galuska
Prof. Dr. Sven Laumer kandidiert auf dem Verbandstag 2022 in Bad Gögging für den Vorsitz des Verbands-Schiedsrichter-Ausschuss.
BFV / fussballn.de
Hallo Sven, am Wochenende stellst Du dich der Wahl zum Vorsitzenden des Verbands-Schiedsrichter-Ausschuss. Fieberst Du dem Verbandstag entgegen?

Prof. Dr. Sven Laumer: 
Hinfiebern trifft's gut! Ich habe im März meine Kandidatur angekündigt, seitdem sehr viele, wirklich gute Gespräche geführt. Nun wünsche ich mir die Entscheidung, Klarheit darüber, ob ich den Auftrag bekomme, um in den nächsten vier Jahren den Schiedsrichterbereich auf allen Ebenen fit für die Zukunft zu machen.

Du bist der einzige Kandidat, der explizit vom Bezirk Mittelfranken für ein Amt bei der Wahl am BFV-Verbandstag nominiert wurde. Ist es nicht ungewöhnlich, dass man gegen den Amtsinhaber antritt?

Laumer:
Ja, das ist ungewöhnlich. Das gab es zuletzt im Schiedsrichterbereich vor zwanzig Jahren, als Rudi Stark gegen Gottfried Kräften angetreten ist - und auch gewählt wurde.

Wobei ist der Gedanke für die Kandidatur gereift - bei der Arbeit im Verbands-Schiedsrichter-Ausschuss oder als Beobachter auf den Sportplätzen?

Laumer:
In beiden Bereichen! Wir waren uns intern nicht immer einig über das ein oder andere Thema. Da gab es Baustellen, bei denen ich gemerkt habe, dass man mit der Arbeitsweise und der Struktur an Grenzen stößt. Vor allem steht aber die Frage nach dem, was sich im Schiedsrichter-Bereich ändern muss. Die Gesellschaft und der Fußball ändert sich, das hat auch Implikationen für die Schiris in Bayern. In Anlehnung an Roman Herzog kann man also sagen: „Es muss ein Ruck durch den bayerischen Schiedsrichter-Bereich gehen.“

Wie würdest du den Status quo der Schiris in Bayern in der Breite beschreiben?

Laumer:
Wir haben viele engagierte Schiris, die den Laden am Laufen halten, weil sie vier bis fünf Spiele in der Woche pfeifen. Wir haben aber vor allem einen deutlichen Rückgang an aktiven Schiris. Vor 15 Jahren waren das noch 16.000, jetzt sind wir im Bereich von 9.000. Es liegt auf der Hand, dass wir dann nicht mehr alle Spiele besetzen können. Zudem haben wir viele ältere Schiris, das ist schon eine große Baustelle.

Liegt das Konfliktpotential nicht schon grundsätzlich auf der Hand, wenn altersmäßig es die "Großväter" sein könnten, die da ihre "Enkel" pfeifen.

Laumer:
Das war auch früher schon so und ist bei den Jugendlichen meist kein Problem, solange der Schiri das Spiel grundsätzlich im Griff hat. Ich sehe vielmehr eine Überlastung, wenn gerade ältere Schiris eine Vielzahl von Partien pfeifen müssen, weil es einfach zu wenige gibt. Wir wollen vermeiden, dass uns ein Schiri kollabiert.

Die fehlende Quantität geht aber auch mit der Qualität einher...

Laumer:
Ganz klar, das ist eine statistische Sache! Wenn ich bei einem Neulingslehrgang nur fünf Teilnehmer habe, dann bin ich froh, dass ich überhaupt jemanden einteilen kann. Von einer gezielten Einteilung kann dann aber kaum mehr die Rede sein.

Bei den Kreistagen wurde der Schiedsrichter-Bereich recht klar auf die Agenda für die kommenden vier Jahre geschrieben. Ein guter Wille ist bestimmt da, aber wie soll die Umsetzung aussehen?

Laumer:
Das ganz große Thema für die Zukunft im Fußball ist ja die Nachwuchsgewinnung - die betrifft Spieler, Schiris und Ehrenamtler gleichermaßen. Das Motto "Auf die Plätze!" ist durch den Verband gut gewählt, wir müssen es aber verstehen, dass wir eine Balance zwischen Vereine und Schiris hinbekommen. Das Verständnis muss vorhanden sein, dass ich einerseits Betreuer für die Jugendmannschaft benötige, andererseits aber auch Schiris brauche, die dann das Spiel dazu pfeifen. Das muss Hand in Hand gehen. Die Lösungen dazu können in Regionen auch verschieden aussehen - in der Großstadt ist die Lage anders als am Land.

Sven Laumer bringt reichlich Erfahrung aus der eigenen Schiri-Laufbahn mit.
Dirk Meier

In Deiner Kandidatur gibt es drei große Themenpakete. Fangen wir mit dem Thema "Motivieren" an. Für eine eher überschaubar attraktiven Bezahlung - andere Länder zahlen besser - müssen sich die Schiris einiges auf und neben dem Platz anhören...

Laumer:
Es stimmt, dass in den Nachbarländern wie Österreich oder Tschechien, aber auch in Baden-Württemberg mehr bezahlt wird. Freilich soll es nicht so sein, dass wir Leute bekommen, die nur den finanziellen Anreiz sehen. Aber umgekehrt müssen wir uns doch auch fragen, wie wir Jugendliche, die sich ein bisschen Geld verdienen wollen, für die Schiedsrichterei begeistern können. Da muss man dann auch hinterfragen, wie die Konkurrenzsituation im Vergleich zu einem Aushilfsjob ist. Wir müssen uns fragen, wie wir Schiris gewinnen und erhalten können: Welche Rolle spielen die Spesen und Aufwandsentschädigungen? Welche Rolle spielen Fahrstrecken, gerade auch bei den Spritpreisen? Welche Rolle spielt der Aufwand, der mit einer Schiedsrichter-Tätigkeit zusammenhängt? Wie können wir den administrativen Aufwand reduzieren? Der Initiativantrag am Verbandstag bietet hier die Chance, über diese Punkte nachzudenken und dann zeitnah in Konzepte zu bringen. 

Müsste man nicht auch die Vereine mit "ins Boot holen", vielleicht eine gemeinsame Etikette schaffen, wie der Umgang miteinander aussehen sollte?

Laumer:
Absolut! Ein Dialog ist wichtig, um ein gegenseitiges Verständnis vor Ort zu schaffen. Lasst uns sehen, was wir voneinander erwarten! Vielleicht lässt sich ein Verhaltenskodex formulieren. Bei der Trainerausbildung beispielsweise konnte man schon ein gewisses Verständnis aufbauen, weil die Trainer da selbst Spiele leiten.

Beim Verbandstag wird über den Antrag einer Wiedereinführung der 10-Minuten-Strafe abgestimmt. Ein guter Ansatz?

Laumer:
Ich bin ein klarer Befürworter der 10-Minuten-Strafe! Denn es ist ein Instrument, das positive Wirkung auf den sportlichen Umgang auf dem Platz haben kann, weil es sich um eine Strafe handelt, die Wirkung aufs Spiel hat. Gelbe Karten zählen ja erst ab der Regionalliga und haben darunter erst einmal keine Konsequenzen. Wenn aber eine Mannschaft in Unterzahl spielen muss, weil sich ein Spieler daneben benimmt, dann wird das Team darauf reagieren. Dies kommt dann natürlich auch den sportlich fairen Mannschaften zu Gute.

In Nürnberg hat kürzlich ein Spielabbruch in der Kreisklassen-Relegation für Aufsehen gesorgt, nachdem die Sportgerichte im Urteil diesen als nicht gerechtfertigt gesehen haben. Nun hört man von anderen Schiris dazu unterschiedliche Meinungen - die einen echauffieren sich, dass das Sportgericht den Schiri in den Rücken fällt, die anderen sprechen von einem "Bärendienst", weil der Schiri leichtfertig ein Spiel in der Relegation abgebrochen hat.

Laumer:
Zunächst einmal muss ich sagen, dass ich selbst nicht vor Ort war und mich auch nicht in die Lage des Kollegen hineinversetzen kann. Wenn man sich so bedroht fühlt, dass es einfach nicht weitergehen kann, kann man sicherlich abbrechen. Allerdings gibt es in der Spielordnung eine Regelung, an die sich das Sportgericht halten muss - und die kann dann so einen Abbruch kippen. Ich erlaube mir zu dem konkreten Fall keine Bewertung, weiß aber, dass es grundsätzlich ein diffiziles Thema ist, zu dem es auch einen Antrag beim Verbandstag geben wird.

Bleibt also das Spannungsfeld zwischen dem präventiven "Muss man sich erst schlagen lassen?" und dem in Richtung Willkür gehenden "Abbruch, wenn man sich bedroht fühlt?"...

Laumer:
Es ist ein echter Spagat! Wir haben einerseits die subjektive Wahrnehmung des Schiris, die einen Abbruch rechtfertigt, brauchen aber andererseits objektive Kriterien, um das zu beurteilen. Unterm Strich bleibt aber festzuhalten, dass der Spielabbruch das letzte Mittel sein sollte.

Gehen wir zum nächsten Themenschwerpunkt, dem "Fördern". Darin sprichst Du auch von einem "Lebenszyklusmodell für Schiedsrichter". Welche Rolle spielt dabei die Altersgrenze?

Laumer:
Die Altersgrenze mit 47 Jahren in den Verbandsklassen ist an den DFB gebunden. Wir haben übrigens seit vielen Jahren erstmals wieder einen Fall, bei dem die Altersgrenze greift. Die meisten Schiris hören vorher auf - aus beruflichen oder gesundheitlichen Gründen. Ich habe mit 36 Jahren in der Bayernliga aufgehört, weil das auch zeitlich nicht mehr mit der beruflichen Veränderung vereinbar gewesen wäre. Der Aufwand in manchen Spielklassen ist für viele auch durch familiäre Veränderungen zu groß geworden. Ich würde da aber gerne den Hebel ansetzen, um diese Leute nicht zu verlieren. Bestands-Schiris möchte ich motivieren, in ihren Klassen möglichst lange zu pfeifen und danach oder auch schon parallel eine andere Aufgabe, zum Beispiel als Beobachter oder Funktionär, zu übernehmen. Perspektiv-Schiris in Bayern müssen gefördert werden. Bayernliga und Regionalliga sind attraktive Spielklassen, in die beispielsweise aber auch Schiris im Alter von 40+ aus der Landesliga noch eine Chance zum Aufstieg haben sollten.

Sven Laumer pfiff bis 2018 selbst noch in der Bayernliga und war Assistent in der Regionalliga Bayern.
Alexander Grober

Schneiden wir auch noch das dritte wesentliche Thema "Kommunizieren" an! Kommt da der Professor für Wirtschaftsinformatik durch?

Laumer:
Im Bereich der Digitalisierung sicherlich. Die Arbeitsabläufe intern, aber auch mit den Vereinen müssen verbessert werden. Die grundsätzliche Organisation der Schiedsrichter-Gruppen, aber auch die des Verbandes allgemein stammen noch aus der Zeit "vor digital". Man muss lernen, dass man auf Augenhöhe kommuniziert - nicht von oben nach unten.

Ist der BFV offen für einen solchen Umbruch?

Laumer:
Ich sehe gute Chancen, weil alle drei Präsidentschafts-Kandidaten sich im Klaren sind, dass man Schiris gewinnen und binden muss für die Sportart Nummer 1. Der Verband zeigt ja, dass man bereit ist für Veränderungen, dass man die Zeichen der Zeit erkannt hat, wie beispielsweise bei den neuen Spielformen. Klar ist aber auch, dass es nicht das eine, richtige Konzept gibt. Man muss einander zuhören und im Dialog kommunizieren. Und ja, das ist viel Arbeit!

Wie stehen die Chancen auf den eigenen Wahlsieg am Wochenende?

Laumer:
Ich würde nicht kandidieren, wenn ich mir keine Chance ausrechnen würde. Ich habe in den letzten Wochen viele positive Gespräche geführt und großen Zuspruch für meine Kandidatur erfahren, weiß ein junges Team hinter mir, das motiviert ist und Lust auf eine Zeit des Aufbruchs hat! Ich gehe optimistisch in die Wahl.

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Steckbrief S. Laumer

Prof. Dr. Sven Laumer
Alter
42
Geburtsort
Roth
Wohnort
Nürnberg
Familie
in Beziehung
Nation
Deutschland
Beruf
Professor für Wirtschaftsinformatik an der FAU Erlangen-Nürnberg
Hobbies
Wandern, Skitour, Mountainbike (Bergmensch)
Schiedsrichterlaufbahn:

Seit 1998 Schiedsrichter
2000 Kreisliga-Schiedsrichter
2001 Bezirksliga-Schiedsrichter
2004 BOL-Schiedsrichter
2004 Landesliga-Schiedsrichter
2012 Bayernliga-Schiedsrichter und Regionalliga-SRA
2018 Karriereende, danach noch ab und zu Spiele in der Kreisliga, aber vor allem als Beobachter unterwegs

Funktionärslaufbahn:
2003-2014 Gruppenlehrwart Jura Nord
2006-2014 U30-Mitglied Bezirksausschuss Mittelfranken
2014-2018 GSO Jura Nord und KSO Neumarkt/Jura
Seit 2018 Mitglied im VSA


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